Mittwoch, 31. Januar 2018

Aufklärung


Die Werthertracht hat er auch getragen, allerdings zu einer Zeit, als Goethe seinen Werther noch gar nicht geschrieben hatte. Das hier auf dem Gemälde von Georg Ziesenis ist Ernst II. Ludwig von Sachsen-Gotha-Altenburg, Herzog eines kleinen sächsischen Fleckerlteppichs in Thüringen. Aber groß im Geiste, ein Mann der Aufklärung. Seine Mutter hatte ihn und seinen Bruder auf eine Bildungsreise geschickt, die die beiden auch nach England führte. Dort trägt man gerne blaue Röcke zu gelben Hosen und gelben Westen. England, das im 18. Jahrhundert immer mächtiger wird, wird jetzt auch in der Mode zu einer Weltmacht. Ernst blieb vier Monate am englischen Hof. In Frankreich hatte ihm Diderot den Rat gegeben, nicht zu lange in Frankreich zu bleiben, man könne ihn sonst leicht verderben.

Der Cousin von George III, der am 30. Januar 1745 geboren wurde, bringt nicht nur den modischen blauen Rock aus England mit. Er hat die großen Parks von Kew und Stowe gesehen, so etwas will er jetzt auch haben. Seine Tante Augusta schickt ihm John Haverfield, den Sohn ihres Chefgärtners in Richmond und Kew nach Gotha. Und der legt dort einen englischen Garten nach einem Plan von Lancelot ‘Capability’ Brown an. Es wäre jetzt schön, wenn Sie an dieser Stelle mal eben den Post Landschaftsgärten lesen würden.

Es wird der erste englische Garten in Deutschland sein, Fürst Pückler, unser ➱Count Smalltalk, der sein ganzes Vermögen für seine ➱Gartenanlagen ausgibt, ist noch nicht geboren. Der Herzog wird eines Tages auch in seinem Park begraben werden: Ausdrücklich verbitte ich mir jedes zu meinem Andenken zu errichtende Denkmal, es sei ein Leichenstein, Grabschrift oder irgendein Monument bei oder auf meinem Grabe. Will man einen Baum darauf pflanzen, so habe ich nichts dagegen einzuwenden, damit meine gänzliche Auflösung nicht aufgehalten, vielmehr durch letztgedachte vermehrte Vegetation eher befördert und nützlich werde. Das war sein Testament, man wird dem folgen und pflanzt eine Akazie. Das ist ein Baum, der den Freimaurern etwas bedeutet. Denn Freimaurer ist unser Herzog, wie viele Männer der Aufklärung, auch gewesen.

Der Herzog Ernst kann auch ein bisschen offizieller sein als in seiner Werthertracht. Dies Bild stammt wahrscheinlich von Johann Jonas Michael, der Ernst und seinen Bruder August im Zeichnen unterrichtete, als sie jung waren. Es ist wahrscheinlich das beste Bild, das der Cabinets- und Hofmaler Johann Jonas Michael gemalt hat. Der Herzog hat einen offenen Gesichtsausdruck, er ist ein wenig nachdenklich. Der kostbare Hermelin liegt hinter ihm auf dem Sofa, ein Statussymbol, das er abgestreift hat, es bedeutet ihm nicht viel. Vielleicht war es der Hofmaler Michael, der angeregt hatte, dass man ein Cabinet für antike Plastiken einrichtet, auf jeden Fall gibt es das in Gotha. Und den Bildhauer Friedrich Wilhelm Döll hat es auch an den Musenhof von Gotha gezogen. Der Herzog fördert die schönen Künste, Tischbein erhält von ihm ein Stipendium für Italien. Die Familie Tischbein hat hier schon einen Post, in dem es hauptsächlich um Johann Heinrich Tischbein geht. Nicht um den Goethe-Tischbein, der jetzt Geld aus Gotha bekommt.

Dieses Bild (Konradin von Schwaben und Friedrich von Österreich vernehmen beim Schachspiel ihr Todesurteil) schickt Tischbein nach Gotha. Ein zweites Bild, das der Herzog gerne von ihm hätte, wird er nicht zu Ende malen. Goethe, der ihn für das Stipendium empfohlen hatte, ist erbost. Er schreibt an Herder: Tischbein ist mit allen guten Qualitäten ein wunderliches Tier, eine Art Hasenfuß, ist faul, unzuverlässig, seitdem er von den Italienern in das Metier der Falschheit, Wort- und Bundbrüchigkeit zu pfuschen gelernt hat. Sich zwischen den Herzog und ihn zu stellen, ist ein böses Unternehmen, doch habe ich es nach meiner Rückkunft gewagt, weil ich aus Tischbeins Briefen merkte, daß es mit seinem neapolitanischen Zustande nicht ganz just war. Jetzt aber kann ich nichts weiter tun...

Als Ernsts Vater 1772 stirbt, muss er die Regierung des Landes übernehmen, er tut das ungern: il faut que je m'adonne à un métier ingrat et sans goût, sans passion secrète pour l'état auquel je suis assujetti, et uniquement dans le but de remplir mes devoirs le mieux que je puisse, pour n'être pas un être inutile, et á la charge de la société dans laquelle la providence m'a jeté, sans me consulter sur celà. Er hätte sich lieber den Wissenschaften und den Künsten gewidmet. Aber er wird ein vorbildlicher Landesherr sein, der das Wohl seiner Untertanen im Auge hat. Es ist ein kleines Land, das er regiert, man kann es nicht mit Österreich oder Preußen vergleichen, wo es auch aufgeklärte Fürsten gibt. Und so wird er auch leider in dem Kapitel Der aufgeklärte Fürst in dem Buch Der Fürst von Wolfgang E.J. Weber nicht erwähnt. Wenn man einmal seine Biographie in der ADB liest, dann muss man sagen, dass unser schachspielender Herzog viel interessanter ist, als die anderen Herren in dem Buch.

Wenn sein Cousin der englische König sich von ihm Truppen für den Kampf in Amerika erbittet (und dafür viel Geld bietet), sagt er nein. Im Gegensatz zu dem Kasseler Landesherrn, der seine Landeskinder (unter anderem Johann Gottfried Seume) nach Amerika verkauft. Ernst II bewundert die amerikanischen Revolutionäre, Jahre später wird er mit dem Gedanken spielen, nach Amerika auszuwandern (man hat seine amerikanische Bibliothek bis heute aufbewahrt). Ländereien am Ohio hat er schon gekauft. Heute, nach einem Jahr Trump, würde er nicht auf diese Idee kommen, heute haben wir aber auch niemanden von dem Format von Ernst II in Deutschland.

Eine Sternwarte wird es auch geben. Die sehr viel eindrucksvoller ist, als was man in Lilienthal gebaut hat. Für die Seeberg Sternwarte hat der Herzog, der selbst Mitglied der Royal Society ist, Franz Xaver Zach gewonnen, einen der berühmtesten Astronomen der Zeit. Außer denen in Lilienthal. Und den Engländern. Aber mit denen korrespondiert Zach, der dem Herzog zum Freund wird, ständig. Die Seeberg Sternwarte ist schon einmal in diesem Blog vorgekommen. In dem Post mit dem schönen Titel Kometenschwanzleben. Und da ich einen älteren Post zitiere, möchte ich auch noch den Post zu Wilhelm Heine zitieren, der Maler und Entdecker aus Dresden, der General im amerikanischen Bürgerkrieg wird, hat heute Geburtstag. Leider hat der Post kaum Leser gefunden, es lohnt sich aber, ihn zu lesen.

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