Heute vor hundertachtzig Jahren wurde Georg Howaldt geboren, die Werft, die er gegründet hat, gibt es in Kiel immer noch. Allerdings heißt sie nicht mehr HDW (Howaldtswerke Deutsche Werft), seit Ende 2012 heißt sie Thyssen Krupp Marine Systems (TKMS), muss ja neuerdings alles englisch sein. Vielleicht heißen die TKMS jetzt aber auch German Naval Yards und gehören den Arabern oder Libanesen, es ist alles etwas undurchsichtig. Auf jeden Fall entlassen sie ständig Arbeiter, das ist nicht mehr so wie zu Howaldts Zeiten im wilhelminischen Flottenrüsten. Der Name Thyssen scheint irgendwie tödlich für Werften zu sein. Der Bremer Vulkan in meinem Heimatort gehörte zu achtzig Prozent dem Baron Heini von Thyssen (der mir mal die Hand geschüttelt hat), und von dieser Großwerft ist auch nichts mehr übrig.
1867 war Kiel zum Kriegshafen des Norddeutschen Bundes geworden, und es entstand die Königliche Werft Kiel als Marinewerft des Norddeutschen Bundes. Sie wurde auf dem ehemaligen Gelände der Werft von Georg Howaldt errichtet, weil der seine immer größer werdende Werft gerade an die Schwentinemündung verlegt hatte. Mit der Proklamation des Deutschen Kaiserreichs am 18. Januar 1871 wurde die Marine des Norddeutschen Bundes (die Nachfolgerin der Reichsflotte, die einst der Admiral Rudolf Brommy kommandiert hatte) zur Kaiserlichen Marine. Die Königliche Werft wurde in Kaiserliche Werft umbenannt.
Und über diese Kaiserliche Werft (plattdeutsch: Kiserliche Warf) gibt es eine kleine Geschichte, die immer wieder erzählt worden ist. Ich habe sie vor siebzig Jahren in einem kleinen Buch gelesen, in dem allerlei maritimer Klönschnack versammelt war. Das Buch hieß Splissen und Knoten, es war von einem Kapitänleutnant der kaiserlichen U-Boot Flotte namens Peter Ernst Eiffe, man findet es noch massenhaft antiquarisch. Die kleine Geschichte von der Kiserlichen Warf findet man erstaunlicherweise nicht im Internet, es gibt zwar einen Wikipedia Artikel Die Kiserliche Warf, wo wir erfahren: Die Kiserliche Warf ist eine häufig vorgetragene Erzählung plattdeutschen Volkshumors. Sie existiert in verschiedenen Fassungen.
Aber der Link zu dem Text, den man dort findet, der führt leider ins Leere. Man muss schon ganz gewaltig suchen, um einen Text zu finden. Einer findet sich in der Wochenschrift Jugend (von dem Blatt hat der Jugendstil seinen Namen bekommen) im April 1914. Diese von Albert von Keller gemalte elegante Dame war auf dem Cover. Der Maler, der so wunderbar Frauen malen konnte, hatte gerade seinen siebzigsten Geburtstag. Es gab in dem Heft auch ein Gedicht für ihn, in dem wir die Verse lesen können:
Er sah die Frauen neu und wunderbar
schlank, in Froufrou von Spitzen und von Seide,
im rätselvollen Dämmer des Boudoir
Er malte ihre Seelen smt dem Kleide
mondän und duftend, allem Werktag fern...
Über den Maler schreibe ich bestimmt irgendwann noch mal, aber ich muss zu meiner Geschichte von der Kiserlichen Warf zurückkommen. Es ist eine kleine Geschichte aus den Anfangstagen der kaiserlichen Marine. Der Chef der Admiralität Albrecht von Stosch besucht das Kriegsschiff SMS Prinz Adalbert (das ist noch das Segelschiff von 1876 und nicht der gleichnamige Neubau von 1901) für eine Inspektion und trifft hier auf den Obermaat Hein Lammers. Der Admiral, der vorher General der Infanterie war und jetzt die kaiserliche Flotte aufbaut, ist bei seinen Inspektionen gefürchtet. Vom Kommandanten bis zum letzten Schiffsjungen die reine Wassersuppe, soll er nach der Besichtigung eines Kriegsschiffes bösartig gesagt habe.
Der Marineunteroffizier Lammers verwaltet in seiner Eigenschaft als Hellegattsmaat das Segelmacherhellegatt, das ist ein kleiner Raum im untersten Teil eines Kriegsschiffes, in dem allerlei Dinge aufbewahrt werden. Wie Takelagezubehör und alles, was ein Segelmacher (plattdeutsch: Seilmoaker) braucht. Und dann ist da noch sogenanntes Kojenzeug: Hängematten, wollene Schlafdecken. Die wulln Deeken, die in dieser Erzählung gleich eine Rolle spielen, werden immer wieder geklaut, obgleich der Maat Lammers wie ein Schießhund auf die Bestände aufpasst.
Der Obermaat Lammers soll dem Admiral Stosch eine Instruktion vorführen, er wählt das Thema Die Kaiserliche Werft. Er beginnt aus Höflichkeit gegenüber dem Admiral auf Hochdeutsch, verfällt aber schnell ins Plattdeutsche, weil alle hier in der Marine Platt sprechen. Und was jetzt kommt, ist ein kleines Theaterstück für zwei Personen und einen Seemannschor:
Hein Lammers: "Stillgestanden! Die Kaiserliche Werft; rührt Euch!
Wo werden Seiner Majestät Schiffe gebaut, repariert und instand gehalten?"
"Auf die Kaiserliche Warf."
"Auf die Kaiserliche Warf."
"Wat möt de Seelüd dauhn, wenn se up de Kiserliche Warf koamt?"
"Se möt sik vörsehn."
"Wer möt sik toers vörsehn?"
"Wi Seilmoakers."
"Womit möt sik de Seilmoakers vörsehn?"
"Mit de wulln Deeken."
"Wodenni möt se sik vörsehn?"
"Ganz bannig."
"Wat ward se sunst?"
"Ansmeert."
"Wat giv't dorför?"
"Knast."
"'stann! - Thema durch!"
Exzellenz von Stosch: "Gut. Instruieren Sie jetzt mal über das Gewehr Modell 71."
"Se möt sik vörsehn."
"Wer möt sik toers vörsehn?"
"Wi Seilmoakers."
"Womit möt sik de Seilmoakers vörsehn?"
"Mit de wulln Deeken."
"Wodenni möt se sik vörsehn?"
"Ganz bannig."
"Wat ward se sunst?"
"Ansmeert."
"Wat giv't dorför?"
"Knast."
"'stann! - Thema durch!"
Exzellenz von Stosch: "Gut. Instruieren Sie jetzt mal über das Gewehr Modell 71."
Hein Lammers: "'stann! Das Gewehr Modell 71! Rrrrrt euchch! Mit welchem Gewehr ist die Marine ausgerüstet?"
"Mit das Gewehr Modell 71."
"Woher bekommt ihr das Gewehr Modell 71?"
"Aus das Magazin."
"Wo liegt das Magazin?"
"Auf die Kiserliche Warf."
"Wat möt de seelüd dauhn, wenn se up de Kiserliche Warf koamt?"
"Se möt sik vörsehn!"
"Wer möt sik toers vörsehn?"
"Wi Seilmoakers."
"Womit möt sik de Seilmoakers vörsehn?"
"Mit de wulln Deeken."
"Wodenni möt se sik vörsehn?"
"Ganz bannig!"
"War ward se sunst?"
"Ansmeert"
"Wat giv't dorför?"
"Knast"
"'stann! - Thema durch!"
Exzellenz von Stosch: "Sehr gut, Maat Lammers. Nun nehmen Sie mal 'Unser Herrscherhaus'!"
Hein Lammers: "'stann! Rrrrrt Euchch!
"Wer steht an die Spitze des Deutschen Reiches?"
"Unser Kaiser und König Wilhelm I."
"Aus welchem Hause ist Seine Majestät der Kaiser?"
"Aus dem Hause Hohenzollern.",
"Was heißt noch Hohenzollern?"
"Die Kiserliche Jacht."
"Wo liegt die 'Hohenzollern im Sommer?"
"Up'm Strom."
"Wo liegt dieselbe im Winter?"
"In de Kiserliche Warf."
"Wat möt de Seelüd dauhn, wenn se up de Kiserliche Warf koamt?"
"Se möt sik vörsehn."
"Wer möt sik toers vörsehn?"
"Wi Seilmoakers."
"Womit möt sik de Seilmoakers vörsehn?"
"Mit de wulln Deeken."
"Wodenni möt se sik vörsehn?"
"Ganz bannig."
"Wat ward se sunst?"
"Ansmeert."
"Wat giv't dorför?"
"Knast."
"'stann! - Thema durch!"
Der Admiral ist ein klein wenig sprachlos und macht einen letzten Versuch: "Nun kommen Sie gefälligst nicht immer vom Thema ab, Herr Unteroffizier, instruieren Sie jetzt mal über das Thema 'Ehrenbezeigungen'!"
Hein Lammers: "'stann! Rrrrrt Euchch!"
"Was für Ehrenbezeigungen kennen Sie?"
"Frontmachen. Anlegen von rechte Hand an Kopfbedeckung und Vorbeigehen in militärische Haltung."
"Wo geht ihr in militärische Haltung vorbei?"
"In enge Passagens und bedeckte Räume."
"Wo noch?"
"In de Kiserliche Warf."
An dieser Stelle gibt der Admiral auf.
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