Die englische Schauspielerin Kate Beckinsale hat heute Geburtstag, da wollen wir doch Glückwünsche aussprechen. Als sie jung war, fand ich sie ausgesprochen schnuckelig. Im Jahre 2009 wählte sie die Zeitschrift Esquire zur ✺Sexiest Woman Alive (das Video müssen Sie sich unbedingt ansehen). Sie sieht heute sicher immer noch gut aus, aber sie sieht so aus, wie viele Schauspielerinnen (das gucken Sie lieber nicht) heute aussehen. Sie hat angeblich einen IQ von 152, das haben nicht viele Schauspielerinnen. Sexiest Woman Alive wird sie wohl kein zweites Mal, aber in diesem Jahr hat die National Film Academy sie als beste britische Schauspielerin ausgezeichnet. 2009 machte sie, von Ellen von Unwerth photographiert, Werbung für Absolut Vodka, was etwas seltsam war, denn sie trinkt überhaupt keinen Alkohol.
Nicht alle ihrer Filme sind gute Filme. Über den Film ✺Haunted schrieb TV Spielfilm: Dieser Film hätte nicht einmal eine Videopremiere verdient, wären da nicht die Schauspieler Aidan Quinn und Anthony Andrews. Und zugegeben, auch die niedliche Kate Beckinsale ist durchaus nett anzusehen. Ansonsten ist diese wirre Story von Schuld, Sühne und Inzest eher wenig geistreich. Man sollte noch hinzufügen, dass Kate Beckinsale mehrfach in diesem Film nackt ist, das reißt alles heraus. Der Schauspieler Anthony Andrews, der Haunted produziert hat, war hier schon mal im Blog, weil er einer der Hauptdarsteller von ✺Brideshead Revisited ist. Und weil er mit Georgina Simpson, der Erbin von Daks/Simpson, verheiratet ist.
Vor dreißig Jahren hatte Kate Beckinsale eine kleine Rolle in dem melodramatischen Fernsehfilm ✺One Against the Wind, dadurch wurde sie in England ziemlich berühmt. Die nächsten Rollen spielte sie so nebenbei, da sie in Oxford Romanistik und Slavistik studierte. In Kenneth Branaghs ✺Much Ado Nothing (1993) spielte sie nur mit, weil die Dreharbeiten in die Semesterferien fielen. Aber am Ende ihres Studiums, ein Jahr vor Haunted, drehte sie einen Film, der völlig aus der Rolle fällt. Kein Kinofilm, ein Fernsehfilm für die BBC, eine Literaturverfilmung vom feinsten.
Der Roman heißt Cold Comfort Farm, er steht auf der Liste der 100 Novels That Shaped Our World der BBC; und Julie Burchill, die mal die Kodderschnauze der Subkultur war, hat in der Sunday Times gesagt: very probably the funniest book ever written. Das könnte man natürlich auch über The Diary of a Nobody sagen, das mir Georg gerade geschenkt hat, damit ich nicht immer nur dieses highbrow Zeuch lese, aber wir lassen den Satz von Julie Burchill mal so stehen. Stella Gibbons, die den Roman 1932 schrieb, hat noch zwanzig andere Romane geschrieben, aber keiner hatte den Erfolg von Cold Comfort Farm. Bei dieser Ausgabe des Penguin Verlags hat sich der Designer sicher ein wenig an Kate Beckinsale orientiert, die im Film die Flora Poste spielt. Die gerne Schriftstellerin werden möchte: When I am 53, I hope to write a novel as good as 'Persuasion,' but in a modern setting.
The education bestowed on Flora Poste by her parents had been expensive, athletic and prolonged: and when they died within a few weeks of one another during the annual epidemic of the influenza or Spanish Plague which occurred in her twentieth year, she was discovered to possess every art and grace save that of earning her own living ... Flora inherited, however, from her father a strong will and from her mother a slender ankle. The one had not been impaired by always having her own way nor the other by the violent athletic sports in which she had been compelled to take part, but she realized that neither was adequate as an equipment for earning her keep. So fängt der Roman an, die neunzehnjährige Debübantin, die alle Gesellschaftstänze beherrscht, landet bei ihren Verwandten auf dem Land. Irgendwo in Sussex. In einer anderen Welt.
Romane, die auf dem Land spielen, liebt der Engländer, wenn Sie an How Green was my Valley oder The Darling Buds of May denken. Aber schon zuvor spielte die englische Landschaft eine große Rolle im englischen Roman. Bei den Brontës, in den Wessex Novels von Thomas Hardy und selbst noch in Lady Chatterley. Doch dieser Roman ist die schönste Satire auf das Landleben, ein bisschen Brontë Sisters, ein bisschen Thomas Hardy, ein bisschen bösartig, aber hochkomisch. Die BBC verpflichtete John Schlesinger, der für das englische Fernsehen mit großem Erfolg schon Separate Tables (1983), An Englishman Abroad (1983) und A Question of Attribution gedreht hatte. Das Drehbuch schrieb Malcolm Bradbury, der hier schon in den Posts Universitätsromane und Ray Bradbury erwähnt wurde. Wenn ich damals, als ich ihn traf, gewußt hätte, dass er das Drehbuch geschrieben hätte, wäre er mir sympathischer gewesen.
Bei der Besetzung des Films hat man an nichts gespart. Kate Beckinsale ist sicherlich die ideale Flora, aber Schlesinger fand, dass sie zu jung für die Rolle sei. Doch sie wollte diese Rolle unbedingt haben: I went through the book, found all the points that supported I was the correct age, wrote what was essentially a research paper in the form of a, 'Dear John, you're making a terrible mistake and I'm gonna save you from it...' letter, and delivered it to his door. Schlesinger fand den Brief, den sie ihm mitten in der Nacht zugestellt hatte, very amusing, rief sie an und sagte ihr, dass sie die Rolle hätte. Niemand in England glaubte, dass der Film ein amerikanisches Publikum begeistern könnte, aber Schlesinger war da anderer Meinung. Und er hatte recht, der Film verkaufte sich erstaunlich gut, und die Kritiker waren von Beckinsale begeistert.
Emanuel Levy schrieb in Variety: The ensemble playing of the large, inspired cast is so felicitous that it’s difficult–and perhaps unfair–to single any performer for special praise. Still, in the lead, Beckinsale has the strength of a young Glenda Jackson and the charm of a young Julie Christie. Die Los Angeles Times sprach von yet another of those effortlessly skilled British beauties who light up the screen, und Janet Maslin von der New York Times schrieb, Beckinsale spiele die Rolle with the perfect snippy aplomb. In Deutschland war die Rezeption des Filmes gemischt. Susanne Weingarten, damals Kulturredakteurin des Spiegel, hielt den Film für einen bräsigen britischen Bauernschwank, Volker Weidermann, der im Herbst das Feuilleton der Zeit übernimmt, war in seiner Kritik in der TAZ sehr viel intelligenter.
Und dann sind da noch die großartige Joanna Lumley, Ian McKellen und Stephen Fry, und und und. Es ist eine völlig verschrobene Komödie, schräg und skurril, typisch englisch. Es ist ein Kostümfilm, wenn man so will, in Kostümfilmen war Beckinsale groß geworden (auch Haunted ist ja ein Kostümfilm).
Ein Jahr nach Cold Comfort Farm drehte sie ✺Emma, es gab zwei Emmys für den Film. Und zu Jane Austen kehrte sie vor fünf Jahren mit dem Film ✺Love & Friendship zurück. Dazwischen war sie in Unmengen von Action- und Horrorfilmen zu sehen (den Film Pearl Harbor fand ich einen Tiefpunkt ihrer Karriere). Wenn Sie den Post Fantasy gelesen haben, wissen Sie, dass ich diesen Genres nichts abgewinnen kann. In den Filmen, die ✺Underworld (1 bis 5) heißen, kann sie als Vampir in schwarzem Latex alles.
Im wirklichen Leben hat sie zwar in Oxford studiert und spricht Russisch, hat aber immer noch keinen Führerschein. Und sie ist mir in Jane Austen Verfilmungen und allen period costumes (oder auch nackt wie in Haunted) lieber als in den Latexklamotten. Als Honor Blackman und ✺Diana Rigg so etwas in den Avengers trugen, war das ja noch irgendwie witzig. Die junge Flora Poste ordnete das chaotische Leben ihrer Verwandtschaft nach der Maxime: I try to bring people around to the higher common sense. Vielleicht hätte Kate Beckinsale ihr Leben auch nach dieser Maxime ausrichten sollen. Dann wären uns Vampir Hybride in schwarzen catsuits und viel anderer Zelluloidmüll erspart geblieben.
Den Film ✺Cold Comfort Farm habe ich natürlich heute am Geburtstag von Kate Beckinsale auch im Programm.
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