Freitag, 5. Februar 2010

Charlie Parker spielt La Paloma


La Paloma. Wer hat das nicht alles gesungen? Es sind neben den Aufnahmen, die schon Klassiker sind, wie die chilenische Nachtigall Rosita Serrano und der blonde Hans Albers, auch schlimme Sachen dabei. Heino, Roy Black, Roberto Blanco, Karl Dall. Freddy Quinn hat es natürlich gesungen, aber auch Curd Jürgens und Elvis Presley. Wenn Benjamino Gigli es singt, dann ist das Lied wieder da, wo es her kommt: Es ist kein Volkslied, es war auch ursprünglich kein Seemannslied. Die Habanera ist auf der Bühne der Oper von Mexico zum ersten Mal vorgetragen worden. Kaiser Maximilian war im Zuschauerraum. Der soll sich später kurz vor seiner Erschießung noch einmal La Paloma gewünscht haben, aber diese Geschichte ist wahrscheinlich erfunden.

Es sind selten wirkliche Seemannslieder, die von diesen schrecklichen Männerchören mit Schifferkrause und Finkenwarder Buscheruntje an den Küsten von Nord- und Ostsee gesungen werden. Der Hamborger Veermaster ist ja noch halbwegs echt. Er ist eine plattdeutsche Version des englischen Shanties The Banks of Sacramento. Es kommt aus der Zeit des Goldrausches, als Luis Trenker der Kaiser von Kalifornien ist. Rolling Home gibt es zwar mit einem plattdeutschen Text, aber es ist auch ein englisches Lied. Deutsch dagegen sind Eine Seefahrt, die ist lustig, Auf einem Seemannsgrab, da blühen keine Rosen, Wir lagen vor Madagaskar, Hein Mück' aus Bremerhaven und ähnlicher Klangmüll. Echte Shanties kommen aus der großen Zeit der Royal Navy, aber solch hübsche Dinge wie Boney was a Warrior kann kein Heino vermarkten. Erstaunlicherweise findet man im Internet heute ganz liebevoll gemachte Seiten mit echten Shanties, wie zum Beispiel diese ➯Seite. Und natürlich hatte ein Label wie Folkways früher echte Shanties und Whaling Songs im Angebot.

La Paloma ist natürlich nur echt, wenn der blonde Hans es singt, wenn seine Stimme in den hohen Lagen kiekst und schluchzt. Wenn wir auf der Platte ihn hören, können wir nicht sehen, dass die blonde Haarfülle ein Toupet ist. In der Welt der Seemannslieder ist eben nicht alles echt. Wir können ihn heute aber dank YouTube jederzeit singen sehen. In dem Filmausschnitt aus Große Freiheit Nr. 7, da singt er einen Text, den ihm der Regisseur und Drehbuchautor Helmut Käutner geschrieben hat. Herzzerreißend. Und dann dieser Dialog zweier Hafenschönheiten. Der singt heute so anners - So ganz anners - Irgenwas stimmt nich. Was nicht stimmt, hat natürlich wieder mit Frauen zu tun. Was Hans an diesem Abend singt, ist ein Abschiedslied auf seine neue Liebe zu Ilse Werner. Die hatte er schon Paloma getauft. Sowas bringt kein Glück. Aber was auch so ganz anners ist und nicht stimmt, ist natürlich der Text. Der Großadmiral Dönitz, den Goebbels zu Premiere nach Prag geschickt hatte, war entsetzt über den Film. Das emphatische gesungene Einmal muss es vorbei sein, das hört man in der Nazi Führung 1944 nicht so gerne. Und: Jetzt heißt es auf Gott vertraun/ Seemann gib acht, dann strahlt auch als Gruß des Friedens/ hell in der Nacht das leuchtende Kreuz des Südens/Schroff ist das Riff, und schnell ein Schiff zugrunde/ Früh oder spät schlägt jedem von uns die Stunde sind nicht gerade die Worte, die der Dr. Goebbels 1944 gerne hören würde. Der Film bleibt für das Deutsche Reich bis zum Kriegsende verboten.

Eins der schönsten Kunstlieder aus der Welt der Matrosen hätte ich gerne von Hans Albers gehört, aber er hat es nie gesungen. Es ist ➱Walter Mehrings Wir haben die ganze Welt gesehn aus dem Jahre 1920, das so wunderbare Zeilen wie Wir sahen den toten Menelik/hoch zu Krokodil/wir sahen überall Krieg/und Willem im Exil enthält. Leider wird dieses politische Chanson nur von Unteroffizieren bei Reservistentreffen gegrölt. Es hatte bei der Bundeswehr früher den Titel Das Unteroffizierslied, ich habe es in der verstümmelten Fassung auch gelernt, als ich Fahnenjunker wurde. Vielleicht kann der Unteroffizier der Reserve von und zu Guttenberg das ja auch singen. Aber weil der blonde Hans das leider nie gesungen hat ◉, wird man ihn immer mit La Paloma identifizieren. Bis ins Grab hat es ihn verfolgt, aber da konnte er es nicht mehr hören, als es bei seiner Beerdigung in Olsdorf 1960 gespielt wurde.

Charlie Parker hat wirklich einmal La Paloma gespielt. In New York am 23. Januar 1952 mit seinem Charlie Parker Quintett (Benny Harris, Walter Bishop, Teddy Kotick, Max Roach Und Luis Miranda). Aber leider ohne Hans Albers.

◉Nachtrag 2012: Sorry, Hans Albers hat das Lied von Walter Mehring auch gesungen, man kann es ➱hier hören.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen