Donnerstag, 14. Juli 2011
Axel Eggebrecht
Vor zwanzig Jahren starb Axel Eggebrecht, an ihn möchte ich heute einmal erinnern. Ich habe vor vielen Jahren seine Weltliteratur. Ein Überblick gelesen. Die war 1948 bei Springer in Hamburg erschienen, auf schlechtem Nachkriegspapier gedruckt wie alles in dieser Zeit. Aber das zählte damals nicht, es zählte, was in den Büchern stand. Ich hörte ihn auch jede Woche im Radio. Den NWDR, Vorläufer des NDR und des WDR, hatte er mitbegründet. Als Journalist zählte Axel Eggebrecht zu den Pionieren des Radio-Features, wie der Wikpedia Eintrag so schön sagt. Seine Radio Features waren kleine sprachliche (und gedankliche) Kunstwerke. Sie wurden allen Forderungen gerecht, die er selbst 1945 aufgestellt hatte. Lesen Sie doch einmal diesen kleinen ➱Aushang im Sender vom 8. November 1945. Wer wird dem heute noch gerecht?
Man kann überall nachlesen, dass Eggebrecht eine Radio Legende ist. Den NWDR hatte er als Hauptabteilungsleiter schon 1949 wegen parteipolitischer Querelen verlassen, blieb dem Sender aber als Freier Mitarbeiter erhalten. Und er war eine Institution, die nicht wegzudenken war. Eine Woche, ohne Axel Eggebrecht mit seiner unnachahmlichen Stimme gehört zu haben, war keine Woche. Irgendwie verkörperte er den letzten Rest des Geistes der deutschen Aufklärung des 18. Jahrhunderts. Er brachte Bildung und Vernunft in seine Sendungen. Das alles ist verloren gegangen. Der NDR ist vor wenigen Tagen in einer Medienanalyse als bester Sender im Norden herausgestellt worden, wie der Intendant Lutz Marmor stolz vor der Presse bekannt gab. Lutz Marmor verdient 286.000 Euro im Jahr, und das Niveau seines Senders ist flach wie das Land. Ich weiß nicht, ob Axel Eggebrecht für seine Radioarbeit in seinem ganzen Leben soviel Geld bekommen hat wie Lutz Marmor in einem Jahr kriegt.
Als Axel Eggebrecht 1983 (da war er 84 Jahre alt) nach der Verleihung des mit 10.500 Mark dotierten Gerrit Engelke Preises gefragt wurde, was er mit dem Geld anfangen würde, hat er geantwortet: Das lege ich mir beiseite, damit ich im Alter was auf der hohen Kante habe. Ich weiß jetzt nicht, wie ernst er das gemeint hat. Weil er in der gleichen Zeit, als er in einem Interview gefragt wurde, ob es etwas gäbe, was ihn mehr interessiere als Schreiben und Diskutieren geantwortet hat: Autofahren. Ich nehme mal an, dass er mit seinen vielen Drehbüchern einiges verdient hat, wahrscheinlich aber auch nicht so viel wie Lutz Marmor.
Das Buch Die zornigen alten Männer. Gedanken über Deutschland seit 1945, in dem Eggebrecht mit einem Beitrag vertreten ist, gibt es bei Amazon Marketplace ab einem Cent, seine Autobiographie für einen Euro. Dann ist da noch sein Katzenbuch, das Tucholsky vor achtzig Jahren lobte: Ein Buch voll japanischer Zartheit und einem fast englischen Humor, leise, geschmackvoll und von einer hohen, gepflegten Sprachkunst. Sie sollten, Katzenkenner, jedes Jahr ein so schönes Buch schreiben, und jedes Jahr ein umfangreicheres. Die feine Hitze des Gehirns, die Formgewandtheit, die leichte Geschmeidigkeit – wir haben nicht soviel Autoren, die das können. Axel Eggebrecht hat sich, leise und unhörbar, mit diesem kleinen Buch ganz vorn an die Rampe gespielt. Das Katzenbuch kostet noch richtiges Geld, wird nicht verramscht. Irgendwie scheint mir diese Preisgestaltung ein kulturelles Barometer zu sein. Etwas Politisches von einem Ex-Kommunisten, der von den Nazis als erstes mal ins KZ gesperrt wird, das mögen wir nicht. Aber Katzen, Katzen sind immer gut.
Ich gebe das letzte Wort einmal Hanjo Kesting, der beim Norddeutschen Rundfunk ein wenig von dem kritischen Geist bewahrt hat, den Axel Eggebrecht immer verkörperte: Als der Schriftsteller Jean Améry, nicht lange vor seinem Tod, den Lessing-Preis der Stadt Hamburg erhielt, sprach der dreizehn Jahre ältere Axel Eggebrecht die Laudatio. Er feierte darin, am Beispiel Jean Amérys, den Schriftsteller der Aufklärung, jenen Typus des Literaten, der die „Erziehung des Menschengeschlechts“ zu seiner Sache macht, den „Wahrheitssucher, Wahrheitskenner, Wahrheitsverfechter“ im Sinne Lessings, dessen „strenges Geschäft“ das scharfsinnige Streben nach dem Guten ist. Bei aller Skepsis, so sagte Eggebrecht damals, hielte der Aufklärer an einem Glauben unerschrocken fest: an dem Glauben nämlich, „daß Vernunft und Moral wenigstens teilweise zusammenfallen – allen gegenteiligen Erfahrungen zum Trotz“. Und Eggebrecht fuhr fort: „Aus dieser Bemühung stammt letztlich jegliche Veränderung der Welt zum Besseren.“ Man kann dieses Sätze Eggebrechts auch auf ihn selber anwenden: Aufklärung heißt auch seine Devise, und in allen seinen Büchern findet man das Bekenntnis zu humanem Fortschritt und kritischer Rationalität.
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