Als ich das erste Mal mit meinen Eltern in Holland bin, haben wir keinen Reiseführer dabei. Ich weiß nicht, ob es so etwas wie einen Reiseführer für Holland damals überhaupt schon auf dem Buchmarkt gab. Auf jeden Fall gab es Anfang der fünfziger Jahre noch keine Touristen. Wir entdecken uns unser Holland selbst. Durch Zufall entdecken wir den Hoge Veluwe Park und das Kröller-Müller Museum. Sand und Heide, ein bisschen Wald, Kiefern und Tannen. Ist wie bei uns auf der Geestkante. Aber für Holländer sind Sand, Heide und Wald ja schon eine Sensation. Sensationell ist natürlich das Museum, beinahe alle Van Goghs an einem Platz. Wenn ich ehrlich sein soll, interessierten mich die Van Goghs gar nicht so sehr, weil ich von der kleinen Whistler Ausstellung fasziniert war. Ich kaufte auch nur die Postkarten mit den frühen Bildern, die noch kein bisschen nach Van Gogh aussehen. Wie Haagse Bos met meisjesfiguur von 1882. In manchen der Bilder aus dieser Zeit in Nuenen malt er schöne Himmel, wie den Abendhimmel über einem Arbeiterhäuschen 1885 (oben). Er hat sich in diesen 1880er Jahren ja malerisch schnell weiterentwickelt, keine Frage.
Andererseits, wenn man einen der unterschätztesten deutschen Maler in dieser Zeit, den Hamburger Thomas Herbst (links), dagegenhält, ist der künstlerisch schon viel weiter als van Gogh. Wie man an dem Dorfteich von 1883 in der Hamburger Kunsthalle sehen kann. Über Thomas Herbst schreibe ich nun wirklich gerne, und ich nehme seinen Geburtstag mal zum Anlass, ihn hier ein wenig bekannter zu machen. Thomas Herbst ist in meinem Kunstgeschichtsstudium nie vorgekommen, und man hat ihn ja auch viel zu spät wahrgenommen. Außer ➱Friedrich Ahlers-Hestermann, der schon 1939 ein Buch über ihn geschrieben hat.
Meine Mutter entdeckte den Maler in einer kleinen Ausstellung und brachte mir ein Katalogbuch mit. Erstaunlicherweise nicht aus einem Hamburger Verlag sondern aus einem Bremer Verlag. Thomas Herbst hat sie nicht so sehr interessiert, aber seine Kühe, die fand sie Klasse. So gut sie als Hobbymalerin Worpsweder Wolkenhimmel fälschen konnte, Kühe konnte sie überhaupt nicht. Ich kann auch keine Kühe, aber wenn Carlo oder Wanda mir sagen: mal' mir mal 'ne Kuh, dann tue ich das. Irgendwie sehen die dann auch schon wie Kühe aus. Max Liebermann, der Freund von Thomas Herbst, hat auch seine Schwierigkeiten mit Kühen (obgleich er sicherlich mit links bessere Kühe malen konnte als ich), der lässt sich die Kühe in seinen Bildern immer von seinem Freund Thomas Herbst malen. Das ist jetzt ein klein wenig übertrieben, aber die Kuh auf dem Bild Holländische Dorfstraße (1885) von Liebermann ist einwandfrei von Thomas Herbst. Der hat, gleichsam als eine Art Signatur, auch noch seinen kleinen Hund auf die Dorfstrasse gemalt. Das ist der gleiche Hund, der auch auf dem Hamburger Bild Am Dorfteich von 1883 mit drauf ist. Und außer dem kleinen Hund auf John Constables Bild von ➱Willy Lott's House in der Tate Gallery ist mir der Hund am Dorfteich in der Hamburger Kunsthalle einer der liebsten.
Herbst ist, ebenso wie sein Freund Liebermann, von Holland begeistert. Und Herbst und Van Gogh haben, auch wenn das jetzt ein klein wenig weit hergeholt ist, beide den gleichen Lehrer. Der heißt Anton Mauve, hat eine Cousine von Van Gogh geheiratet und hat Vincent das Malen beigebracht. Mauve ist auch mal hier in der Gegend gewesen, in Oosterbeek am Südrand der Veluwe gab es eine Malerkolonie, das holländische Barbizon, wie man sie nennt. Thomas Herbst hat Mauve als Lehrer an der Düsseldorfer Akademie. Nach Düsseldorf ist Herbst eigentlich nur gegangen, weil das nah an Holland war. Erstaunlicherweise hat er (im Gegensatz zu Liebermann) in Holland so gut wie nie gemalt, später sind die Hamburger Elbmarschen sein Hollandersatz geworden. Er ist der Maler der Elbmarschen. Und natürlich der Kühe. Kuh-Herbst hat man ihn etwas abfällig zu seinen Lebzeiten genannt. Bei Kühen in der Malerei muss ich eigentlich immer an den Jacob Philipp Hackert denken (auf den Goethe große Stücke hielt), der furchtbar langweilige Kühe links und rechts im Vordergrund seiner Bilder plazierte. Mit diesen Kühen haben die Herbstschen Kühe nichts gemein, irgendwie ist die Kuh bei ihm nur eine weitere Leinwand im Bild, auf der Licht und Schatten mit den Farben spielen. Am nächsten kommt ihm noch Willem Maris, der auch sehr schöne impressionistische ➱Kühe gemalt hat.
Wenn das jetzt nicht zu lang würde, könnte ich hier mal einen kleinen Exkurs über Kuhmaler seit Paulus Potter schreiben. Es ist erstaunlich, wie viele Maler Kühe gemalt haben. Der Lehrer von Thomas Herbst, Anton Mauve, natürlich auch. Wenn es schon Bücher über das Schwein in der Weltliteratur gibt, sollte es so etwas für die Kuh in der Kunst erst recht geben. In England hat es 2002 schon einmal eine sehr originelle Ausstellung mit dem Titel ➱Love, Labour & Loss: 300 Years of British Livestock Farming in Art gegeben.
Thomas Herbst ist in Hamburg geboren und in Hamburg gestorben. In den ersten zwanzig Jahren seines Künstlerlebens ist er zwar in Paris gewesen (zusammen mit Liebermann) und hat zeitweilig in München gelebt, aber seit 1884 ist er in Hamburg geblieben. Und ist der Aufforderung ➱Alfred Lichtwarks: Meine Herren, malen Sie hamburgische Landschaft! gefolgt. Max Liebermann hat das als eine vielleicht falsche Entscheidung seiner Freundes gesehen: Dieser seiner Liebe zur Vaterstadt war er gefolgt, ohne die Einbuße zu bedenken, die er sowohl in materieller Hinsicht – da in Hamburg kein Kunstmarkt ist – wie in geistiger Beziehung erlitt, da er auf den Contakt Mitstrebender verzichten mußte. Vielleicht ist darin der Grund zu suchen, daß er sich nicht ganz seinen eminenten Fähigkeiten nach entwickelt hat. Vielleicht liegt es aber auch an seinen meist sehr kleinformatigen Bildern, dass Thomas Herbst auf dem Kunstmarkt nicht so reüssiert. In der Gründerzeit will man etwas Repräsentatives im Goldrahmen haben. Kleinformatige impressionistische Bilder von jemandem, der 'n büschen französisch ist, sind da nicht so gefragt. Und dann gibt es noch den lapidaren Satz aus der Neuen Rundschau aus dem Jahre 1898: Hamburger Maler wissen aus Erfahrung, dass unsere Bevölkerung sich für Motive aus der Heimath wenig interessirt.
Es gibt nicht so viele Portraits von dem Künstler. Das (abgeschnittene) Photo oben zeigt ihn als eleganten Mann von Welt. Und das war eine Seite seines Lebens, der Dandy, der Mann mit den Manieren eines Gentleman, der in die Welt von Marcel Proust hineingepasst hätte. Die hamburgische Gesellschaft um 1900 ist eine hermetische Welt. Wenn man die Erinnerungen von Ascan Klée Gobert und anderen liest, bekommt man den Eindruck, dass die Grenzen von Harvesthude (oder anderen Stadtteilen, in denen man wohnen kann), unüberwindlicher sind, als die der Gesellschaft des Faubourg Saint-Germain. Thomas Herbst in seinem maßgeschneiderten Salonanzug (was nichts anderes als ein ➱Morning Coat ist) und seinen maßgeschneiderten Fräcken verkehrt ohne Schwierigkeiten auf dem glatten Parkett. Er kann allerdings auch mit Bauern in Schleswig-Holstein Platt schnacken. Obgleich der Flaneur und Dandy auf dem platten Land ein wenig verloren wirkt, sein Besuch in Worpswede ist auf jeden Fall ein Desaster.
Es gibt ein Portrait von Ernst Eitner, das Thomas Herbst im ➱Frack zeigt, hingegossen in einen Sessel, aber leider kann man da nicht so viel von dem Maler erkennen. Der Frack war sein Kleidungsstück, abends für die feine Gesellschaft und tagsüber trug er ausrangierte Fräcke als seinen Malerfrack. Wie sein Kollege Arthur Illies es so schön beschrieb: Da Herbst viel zu Gesellschaften eingeladen wird, hat er Frackanzüge, und diese trägt er nun beim Malen auf den Kuhweiden auf. Hinten hat er einen Pinselvorrat stecken und vorne, besonders auf der Brust, streicht er beim Malen seine Pinsel aus, sodass seine Vorderansicht genau so mit Farbe verkrustet ist wie seine kaum gesäuberte Palette. So sieht man ihn mit seinem roten Bart, fliegenden, pinselstarrenden Rockschößen und einem dreibeinigen Feldstuhl hinter sich den Kühen hinterhersausen. Von Arthur Illies gibt es auch ein witziges Photo aus dem Jahre 1894, das Thomas Herbst in einem solchen Kleidungsstück zeigt, wie er auf einer Weide Kühen hinterher schest. Leider finde ich im Netz keine Abbildung davon, aber in Bernd Küsters Buch Thomas Herbst: Ein deutscher Impressionist ist das Photo enthalten. Wenn Sie sich jetzt beeilen, können Sie noch die letzten Exemplare dieses schönen Buches bei Amazon Marketplace kaufen.
Denn mit Büchern zu Thomas Herbst sieht es (genau wie mit repräsentativen Abbildungen im Internet) etwas dürftig aus. Außer dem Buch von Bernd Küster aus dem Jahre 1999 gibt es noch das Buch von Friedrich Ahlers-Heestermann Thomas Herbst: Ein Malerleben von 1848-1915, von dem es vor Jahren auch eine Faksimileausgabe gab (die auf der ➱Seite des Verlags noch lieferbar ist, ebenso wie das ➱Tagebuch von Thomas Herbst).
Und natürlich bekommt Thomas Herbst viel Raum bei dem Kunsthistoriker Carsten Meyer-Tönnesmann, dessen gewichtige (in jeder Beziehung des Wortes) Dissertation Der Hamburgische Künstlerclub von 1897 im Jahre 1985 bei Christians in Hamburg erschienen ist. Mit einem Vorwort vom damaligen Bürgermeister Klaus von Dohnanyi. Ist hervorragend, aber heute leider vergriffen, im ZVAB sind noch einige Exemplare.
Es gibt davon eine charmante, reichbebilderte Kurzfassung, die 1997 beim Verlag Atelier im Bauernhaus in Fischerhude erschienen ist. Die ist, wenn ich es recht sehe, auch schon wieder vergriffen, vielleicht nerven Sie mal den ➱Verlag, dass er das Buch wieder auflegt. Der Autor arbeitet zur Zeit an einem Werkverzeichnis des Malers. Das soll in zwei Jahren fertig sein. Und die Kunsthalle Hamburg plant zum hundertsten Todestag des Künstlers im Jahre 2015 eine größere Gedächtnisausstellung. Den Satz: "Informationen nimmt der Kunsthistoriker Carsten Meyer-Tönnesmann unter der Telefonnummer 0 40/81 05 77 sowie per E-Mail unter kuenststlerclub@aol.com entgegen" habe ich den Harburger Nachrichten entnommen und gebe ihn mal so weiter. Ich darf das, weil ich gestern mit Herrn Dr. Meyer-Tönnesmann telephoniert habe. Falls Sie noch einen Thomas Herbst im Wohnzimmer haben sollten, melden Sie sich doch mal bei ihm. Er hat natürlich auch eine ➱Website. Aber noch keinen Blog für Thomas Herbst. Das melde ich doch mal bei ihm als ein Desiderat an.
Man kann heute noch Bilder von Thomas Herbst kaufen (die Preise steigen), die Hamburger Galerien Abrahams und Herold scheinen da groß im Geschäft zu sein. Und dann gibt es seit einigen Jahren in Hamburg eine Thomas Herbst Gesellschaft. Man soll den Hamburgern ja nicht nachsagen, dass sie kunstfeindlich wären. Vor allem, wenn man aus Bremen kommt. Aber ich kann es nicht lassen, diese kleine Anekdote zu servieren, in der ein Hamburger Senator in den Zeiten des Kunsthallendirektors Gustav Pauli eine Ausstellung der Bilder der Kunsthalle Hamburg in Berlin eröffnet. Mit den Worten: Wir freuen uns, daß die Reichshauptstadt Berlin so viele Bewunderer für unsere Bilder in sich schließt. Wir Hamburger verstehen eigentlich mehr von Geschäften als von Bildern, am meisten von Kaffee. Ich weiß nicht, ob sich das heute wirklich geändert hat. Thomas Herbst hatte es begrüßt, dass der Bremer Gustav Pauli nach dem Tode Lichtwarks an die Hamburger Kunsthalle berufen wurde, weil er sich mit Lichtwark völlig überworfen hatte. Aber Pauli kam aus der feinen Bremer Gesellschaft, das bedeutete für Thomas Herbst viel.
Als er 1915 starb, war er in der Kunstwelt so gut wie vergessen, er hatte alles getan, um in der Kunstwelt ungenannt zu bleiben (Meyer-Tönnesmann). Lediglich Friedrich Ahlers-Hestermann, der Herbst 1905 kennengelernt hatte, schrieb einen Nachruf für ihn. Und dann 1939 das erste Buch, das lange Zeit das einzige bleiben sollte. Es ist ein Buch der Treue hat Werner Kayser gesagt, es hat nach mehr als siebzig Jahren nichts von seiner Frische und Unverstelltheit verloren. Und deshalb lasse ich einmal Friedrich Ahlers-Hestermann das letzte Wort: Er besaß, was den meisten neueren Malern abgeht: Gemüt. Nicht in dem üblen, sentimentalen Sinne, sondern in der Form von großer Herzenswärme. Das, was er malte, sah er nicht nur mit den schärfsten Augen an – er war, wenn es ihn als Maler anzog, auch immer regelrecht darin verliebt. … Er malte nicht nur mit dem Pinsel, auch mit dem Herzen; nicht um seine Virtuosität zu zeigen, sondern aus Liebe zu dem Stück Natur, das er vor sich sah. Dieses innige Verhältnis zu dem Gegenstand seiner Malerei gibt dieser einen ganz eigenen Wert, eine ganz besondere Note und einen wundervollen poetischen Ausdruck.
Wenn das jetzt nicht zu lang würde, könnte ich hier mal einen kleinen Exkurs über Kuhmaler seit Paulus Potter schreiben. Es ist erstaunlich, wie viele Maler Kühe gemalt haben. Der Lehrer von Thomas Herbst, Anton Mauve, natürlich auch. Wenn es schon Bücher über das Schwein in der Weltliteratur gibt, sollte es so etwas für die Kuh in der Kunst erst recht geben. In England hat es 2002 schon einmal eine sehr originelle Ausstellung mit dem Titel ➱Love, Labour & Loss: 300 Years of British Livestock Farming in Art gegeben.
Thomas Herbst ist in Hamburg geboren und in Hamburg gestorben. In den ersten zwanzig Jahren seines Künstlerlebens ist er zwar in Paris gewesen (zusammen mit Liebermann) und hat zeitweilig in München gelebt, aber seit 1884 ist er in Hamburg geblieben. Und ist der Aufforderung ➱Alfred Lichtwarks: Meine Herren, malen Sie hamburgische Landschaft! gefolgt. Max Liebermann hat das als eine vielleicht falsche Entscheidung seiner Freundes gesehen: Dieser seiner Liebe zur Vaterstadt war er gefolgt, ohne die Einbuße zu bedenken, die er sowohl in materieller Hinsicht – da in Hamburg kein Kunstmarkt ist – wie in geistiger Beziehung erlitt, da er auf den Contakt Mitstrebender verzichten mußte. Vielleicht ist darin der Grund zu suchen, daß er sich nicht ganz seinen eminenten Fähigkeiten nach entwickelt hat. Vielleicht liegt es aber auch an seinen meist sehr kleinformatigen Bildern, dass Thomas Herbst auf dem Kunstmarkt nicht so reüssiert. In der Gründerzeit will man etwas Repräsentatives im Goldrahmen haben. Kleinformatige impressionistische Bilder von jemandem, der 'n büschen französisch ist, sind da nicht so gefragt. Und dann gibt es noch den lapidaren Satz aus der Neuen Rundschau aus dem Jahre 1898: Hamburger Maler wissen aus Erfahrung, dass unsere Bevölkerung sich für Motive aus der Heimath wenig interessirt.
Es gibt nicht so viele Portraits von dem Künstler. Das (abgeschnittene) Photo oben zeigt ihn als eleganten Mann von Welt. Und das war eine Seite seines Lebens, der Dandy, der Mann mit den Manieren eines Gentleman, der in die Welt von Marcel Proust hineingepasst hätte. Die hamburgische Gesellschaft um 1900 ist eine hermetische Welt. Wenn man die Erinnerungen von Ascan Klée Gobert und anderen liest, bekommt man den Eindruck, dass die Grenzen von Harvesthude (oder anderen Stadtteilen, in denen man wohnen kann), unüberwindlicher sind, als die der Gesellschaft des Faubourg Saint-Germain. Thomas Herbst in seinem maßgeschneiderten Salonanzug (was nichts anderes als ein ➱Morning Coat ist) und seinen maßgeschneiderten Fräcken verkehrt ohne Schwierigkeiten auf dem glatten Parkett. Er kann allerdings auch mit Bauern in Schleswig-Holstein Platt schnacken. Obgleich der Flaneur und Dandy auf dem platten Land ein wenig verloren wirkt, sein Besuch in Worpswede ist auf jeden Fall ein Desaster.
Es gibt ein Portrait von Ernst Eitner, das Thomas Herbst im ➱Frack zeigt, hingegossen in einen Sessel, aber leider kann man da nicht so viel von dem Maler erkennen. Der Frack war sein Kleidungsstück, abends für die feine Gesellschaft und tagsüber trug er ausrangierte Fräcke als seinen Malerfrack. Wie sein Kollege Arthur Illies es so schön beschrieb: Da Herbst viel zu Gesellschaften eingeladen wird, hat er Frackanzüge, und diese trägt er nun beim Malen auf den Kuhweiden auf. Hinten hat er einen Pinselvorrat stecken und vorne, besonders auf der Brust, streicht er beim Malen seine Pinsel aus, sodass seine Vorderansicht genau so mit Farbe verkrustet ist wie seine kaum gesäuberte Palette. So sieht man ihn mit seinem roten Bart, fliegenden, pinselstarrenden Rockschößen und einem dreibeinigen Feldstuhl hinter sich den Kühen hinterhersausen. Von Arthur Illies gibt es auch ein witziges Photo aus dem Jahre 1894, das Thomas Herbst in einem solchen Kleidungsstück zeigt, wie er auf einer Weide Kühen hinterher schest. Leider finde ich im Netz keine Abbildung davon, aber in Bernd Küsters Buch Thomas Herbst: Ein deutscher Impressionist ist das Photo enthalten. Wenn Sie sich jetzt beeilen, können Sie noch die letzten Exemplare dieses schönen Buches bei Amazon Marketplace kaufen.
Denn mit Büchern zu Thomas Herbst sieht es (genau wie mit repräsentativen Abbildungen im Internet) etwas dürftig aus. Außer dem Buch von Bernd Küster aus dem Jahre 1999 gibt es noch das Buch von Friedrich Ahlers-Heestermann Thomas Herbst: Ein Malerleben von 1848-1915, von dem es vor Jahren auch eine Faksimileausgabe gab (die auf der ➱Seite des Verlags noch lieferbar ist, ebenso wie das ➱Tagebuch von Thomas Herbst).
Und natürlich bekommt Thomas Herbst viel Raum bei dem Kunsthistoriker Carsten Meyer-Tönnesmann, dessen gewichtige (in jeder Beziehung des Wortes) Dissertation Der Hamburgische Künstlerclub von 1897 im Jahre 1985 bei Christians in Hamburg erschienen ist. Mit einem Vorwort vom damaligen Bürgermeister Klaus von Dohnanyi. Ist hervorragend, aber heute leider vergriffen, im ZVAB sind noch einige Exemplare.
Es gibt davon eine charmante, reichbebilderte Kurzfassung, die 1997 beim Verlag Atelier im Bauernhaus in Fischerhude erschienen ist. Die ist, wenn ich es recht sehe, auch schon wieder vergriffen, vielleicht nerven Sie mal den ➱Verlag, dass er das Buch wieder auflegt. Der Autor arbeitet zur Zeit an einem Werkverzeichnis des Malers. Das soll in zwei Jahren fertig sein. Und die Kunsthalle Hamburg plant zum hundertsten Todestag des Künstlers im Jahre 2015 eine größere Gedächtnisausstellung. Den Satz: "Informationen nimmt der Kunsthistoriker Carsten Meyer-Tönnesmann unter der Telefonnummer 0 40/81 05 77 sowie per E-Mail unter kuenststlerclub@aol.com entgegen" habe ich den Harburger Nachrichten entnommen und gebe ihn mal so weiter. Ich darf das, weil ich gestern mit Herrn Dr. Meyer-Tönnesmann telephoniert habe. Falls Sie noch einen Thomas Herbst im Wohnzimmer haben sollten, melden Sie sich doch mal bei ihm. Er hat natürlich auch eine ➱Website. Aber noch keinen Blog für Thomas Herbst. Das melde ich doch mal bei ihm als ein Desiderat an.
Man kann heute noch Bilder von Thomas Herbst kaufen (die Preise steigen), die Hamburger Galerien Abrahams und Herold scheinen da groß im Geschäft zu sein. Und dann gibt es seit einigen Jahren in Hamburg eine Thomas Herbst Gesellschaft. Man soll den Hamburgern ja nicht nachsagen, dass sie kunstfeindlich wären. Vor allem, wenn man aus Bremen kommt. Aber ich kann es nicht lassen, diese kleine Anekdote zu servieren, in der ein Hamburger Senator in den Zeiten des Kunsthallendirektors Gustav Pauli eine Ausstellung der Bilder der Kunsthalle Hamburg in Berlin eröffnet. Mit den Worten: Wir freuen uns, daß die Reichshauptstadt Berlin so viele Bewunderer für unsere Bilder in sich schließt. Wir Hamburger verstehen eigentlich mehr von Geschäften als von Bildern, am meisten von Kaffee. Ich weiß nicht, ob sich das heute wirklich geändert hat. Thomas Herbst hatte es begrüßt, dass der Bremer Gustav Pauli nach dem Tode Lichtwarks an die Hamburger Kunsthalle berufen wurde, weil er sich mit Lichtwark völlig überworfen hatte. Aber Pauli kam aus der feinen Bremer Gesellschaft, das bedeutete für Thomas Herbst viel.
Als er 1915 starb, war er in der Kunstwelt so gut wie vergessen, er hatte alles getan, um in der Kunstwelt ungenannt zu bleiben (Meyer-Tönnesmann). Lediglich Friedrich Ahlers-Hestermann, der Herbst 1905 kennengelernt hatte, schrieb einen Nachruf für ihn. Und dann 1939 das erste Buch, das lange Zeit das einzige bleiben sollte. Es ist ein Buch der Treue hat Werner Kayser gesagt, es hat nach mehr als siebzig Jahren nichts von seiner Frische und Unverstelltheit verloren. Und deshalb lasse ich einmal Friedrich Ahlers-Hestermann das letzte Wort: Er besaß, was den meisten neueren Malern abgeht: Gemüt. Nicht in dem üblen, sentimentalen Sinne, sondern in der Form von großer Herzenswärme. Das, was er malte, sah er nicht nur mit den schärfsten Augen an – er war, wenn es ihn als Maler anzog, auch immer regelrecht darin verliebt. … Er malte nicht nur mit dem Pinsel, auch mit dem Herzen; nicht um seine Virtuosität zu zeigen, sondern aus Liebe zu dem Stück Natur, das er vor sich sah. Dieses innige Verhältnis zu dem Gegenstand seiner Malerei gibt dieser einen ganz eigenen Wert, eine ganz besondere Note und einen wundervollen poetischen Ausdruck.
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