Dienstag, 19. Juli 2011

Samuel Colt


Da hängt er an der Wand, der treue Colt. 1890 von William Harnett gemalt, ist er erst seit 1935 im Besitz des Wadsworth Atheneum in Hartford (CT). In Hartford ist nicht nur die Fabrik von Samuel Colt, auch ➱Mark Twain hat hier gewohnt. Und die Fabrik in seinen Roman A Connecticut Yankee in King Arthur's Court hineingeschrieben. Da arbeitet sein Held, bevor er ins England von König Arthur versetzt wird: I am an American. I was born and reared in Hartford, in the State of Connecticut -- anyway, just over the river, in the country. So I am a Yankee of the Yankees -- and practical; yes, and nearly barren of sentiment, I suppose -- or poetry, in other words. My father was a blacksmith, my uncle was a horse doctor, and I was both, along at first. Then I went over to the great arms factory and learned my real trade; learned all there was to it; learned to make everything: guns, revolvers, cannon, boilers, engines, all sorts of labor-saving machinery. Why, I could make anything a body wanted -- anything in the world, it didn't make any difference what; and if there wasn't any quick new-fangled way to make a thing, I could invent one -- and do it as easy as rolling off a log.

Das Wadsworth Atheneum (das im 19. Jahrhundert auch große Zuwendungen aus der Familie Colt bekommen hat) ist das erste öffentliche Kunstmuseum Amerikas. Im Gegensatz zu all den Gründungen von Museen in der Zeit des Gilded Age, mit deren Finanzierung sich banausenhafte Millionäre ihren Ruhm für die Ewigkeit erkaufen, sammelt man von Anfang an amerikanische Malerei. Besonders die Hudson River School. Einen Teil dieser Bestände konnte man 2007 unter dem Titel Neue Welt: Die Erfindung der amerikanischen Malerei in der Bucerius Stiftung in Hamburg sehen. Das Metropolitan Museum in New York kümmert sich in seinen Gründungsjahren kaum um die eigene amerikanische Kunst. Viele Museen werden auch im Laufe der Zeit amerikanische Gemälde aus dem 19. Jahrhundert abstoßen. Was sich rächen wird, weil sie eines Tages dieselben Bilder zum Hundert- und Tausendfachen wieder zurückkaufen werden, ein Vorgang, der vor vierzig Jahren begonnen hat. 1979 wird ein Bild von Harnett für 300.000 Dollar verkauft, ein bis dahin ungeahnter Preis für diesen Maler. Heute bringen selbst echte kleine Harnetts mindestens 100.000 Dollar, und für Kopien aus dem 19. Jahrhundert werden auch tausende gezahlt.

Wie viele amerikanische Maler des 19. Jahrhundert war auch William Michael Harnett schnell vergessen. Der Galeristin Edith Gregor Halpert sagte das kleine Namensschild auf der Rückseite von The Faithful Colt überhaupt nichts, als ihr das Bild im Jahre 1935 angeboten wurde. Aber sie wußte schon, dass sie da etwas Besonderes in der Hand hatte. Es erinnerte sie ein wenig an die die trompe-l’œil Malerei von Raphaelle Peale wie seinem berühmten Venus Rising from the Sea - A Deception (After the Bath), das ja der Vorläufer für so viele spätere amerikanische Maler war, die sich auf die trompe-l’œil Malerei spezialisiert hatten. Kaum war das Bild 1935 für 300 $ in den Besitz des Museums in Hartford gelangt (heute würde es das Tausendfache bringen), da ging es auch schon auf Reisen und ist seitdem ein ständig begehrtes Vorzeigestück der amerikanischen trompe-l’œil Malerei. Man kann sich auch im Internet bei einer Vielzahl von Adressen Reproduktionen davon bestellen. Dagegen ist nichts zu sagen, solange Harnetts treuer Colt der einzige Colt im Hause ist.

Harnett, der wegen einer selbstgemalten naturgetreuen fünf Dollarnote vom gerade frisch gegründeten Secret Service (der ja zum Schutz der US Währung gegründet wurde) verhört wurde, ist nicht der einzige Maler, der sich auf die realistische Wiedergabe von Alltagsgegenständen spezialisiert hat. Es ist vielleicht interessant hervorzuheben, dass dieses Phänomen genau ein Jahrhundert vor dem amerikanischen Photorealismus auftaucht. Neben Harnett gibt es da noch John Frederick Peto (der nach dem Tod Harnetts viele seiner Bilder mit dem Namen Harnett signieren wird), John Haberle und Jefferson D. Chalfant. Und es wird auch Maler wie Nicholas Brooks (und später Otis Kaye) geben, die sich nur auf das naturgetreue Abmalen von Geldscheinen spezialisiert haben. Dieses Genre der Malerei floriert offensichtlich. Auf jeden Fall bis der Kongress das per Gesetz im Jahre 1909 verbietet.

Der faithful Colt ist im Jahre 1890 schon ein älteres Modell (Waffenfreaks wissen, dass es ein Modell aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg ist). Sein Besitzer hat ihn an den sprichwörtlichen Nagel gehängt, der kleine Zeitungsausschnitt kündet noch von seinem letzten Einsatz. Das Bild ist auch ein symbolischer Abgesang auf das Ende des Wilden Westens, es fällt zeitlich beinahe mit Frederick Jackson Turners berühmter Frontier These zusammen. Da war Samuel Colt, dessen Peacemaker eine so wichtige Rolle beim winning of the West gespielt hat, schon dreißig Jahre tot. Aber Harnetts Faithful Colt hat dann doch noch seinen Weg in das Museum von Hartford gefunden, dem Samuel Colts Witwe Elizabeth Hart Jarvis Colt 1905 über tausend Objekte schenkte. Ich weiß nicht, ob man sich damals mehr über die Sammlung der Gemälde der Hudson River School oder Samuel Colts Waffensammlung gefreut hat.

Ja, Samuel Colt (der heute Geburtstag hat) sammelte Kunst. Und er gab Kunst in Auftrag. Und das hier habe ich mir als kleinen gag zum Schluss aufgehoben. Der Maler George Catlin hatte von Colt den Auftrag, in einem Dutzend Bilder die Produkte aus der Colt Waffenfabrik darzustellen. Und er malt sich dann auch selbst, wie er mit einem Colt einen Büffel schießt. Das ist nun zweifellos nicht politically correct - und passt auch überhaupt nicht zu dem Bild, das wir von George Catlin haben - ist aber irgendwie sehr amerikanisch. Der Colt erobert nicht nur den Westen. Hier tötet er auch den Büffel, die Nahrungsgrundlage der Indianer.

Alle Segnungen der Technik, die Mark Twains Connecticut Yankee, der Vorarbeiter aus der Waffenfabrik von Samuel Colt in Hartford, in das England von König Arthur bringt, werden sich am
Ende des Romans als todbringend erweisen.

Der Katalog Amerika: Die Neue Welt in Bildern des 19. Jahrhunderts von Stephan Koja, der ein gutes Kapitel über die amerikanische trompe-l’œil Malerei hat, ist antiquarisch noch sehr preiswert zu finden. Für das Standardwerk After the hunt: William Harnett and other American still life painters, 1870-1900 von Alfred Frankenstein will ein Händler bei Amazon Marketplace über tausend Euro haben, lesen Sie es doch einfach ➱hier.

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