Seine Freunde nannten ihn Cal, was von Caliban oder Caligula kommen kann. Er kam aus einer vornehmen Bostoner Familie, vornehmer geht es in Amerika nicht:
Then here's to the City of Boston,
The home of the bean and the cod,
Where Cabots speak only to Lowells,
And the Lowells speak only to God.
Diese Verse sind natürlich nicht von ihm, was Lowell schrieb war schwieriger. Dennoch haben ihm Hunderttausende begeistert zugehört, als er beim Marsch auf Washington sein Gedicht ➱Waking Early Sunday Morning vorgetragen hat. Wahrscheinlich warteten sie auf die Strophe, in der der Präsident vorkam:
O to break loose. All life's grandeur
is something with a girl in summer ...
elated as the President
girdled by his establishment
this Sunday morning, free to chaff
his own thoughts with his bear-cuffed staff,
swimming nude, unbuttoned, sick
of his ghost-written rhetoric!
Norman Mailer, der selbsternannte Organisator des Protests war neidisch auf den Aristokraten aus Boston, das schreibt er in Armies of the Night. Zumal Robert Lowell dann noch später beim Abendessen ganz cool diese Beleidigung rausbringt: Norman, I really think you are the best journalist in America. Journalist ist nun ein Wort, das Norman Mailer nicht gerne hört. Und seine Antwort ist, in seiner typischen zurückhaltenden Art: Well, Cal, there are days when I think of myself as being the best writer in America. Da haben sich zwei gefunden: der intellektuelle Dichter aus der Bostoner Aristokratie, vom Calvinismus zum Katholizismus konvertiert, und der jüdische working-class Prolli. Wir können nur froh sein, dass das Gespräch nicht wie die Unterhaltung mit Gore Vidal und Janet Flanner in der ➱Dick Cavett Show verlief.
Robert Lowell war nicht so gewalttätig wie Norman Mailer, er hat nicht wie Mailer beinahe seine Frau umgebracht. Obgleich seine erste Frau Jean Stafford beinahe bei einem Verkehrsunfall umgekommen wäre, bei dem Lowell am Lenkrad saß. Aber sicher hatten es seine drei Ehefrauen mit ihm auch nicht leicht (die sechs Ehefrauen von von Norman Mailer lasse ich jetzt mal draußen vor). In den manischen Phasen seiner manisch-depressiven Erkrankung schleppte er immer wieder Studentinnen an, die er unbedingt heiraten wollte.
Wenn Lowell 1967 als politischer Dichter auftritt, dann passt er sich nicht modisch der Zeit an. Seine Kritik an Amerika hat dazu geführt, dass seine Dichtung sogar in der DDR akzeptiert wurde. 1976 (dem Jahr des Bicentennial in Amerika) erschien beim Verlag Volk und Welt der Gedichtband Ein Fischnetz aus teerigem Garn zu knüpfen (sogar zweisprachig) zum Preis von fünf Mark.
Er ist immer ein politischer Mensch gewesen. 1943 hatte er einen Brief an den Präsidenten geschrieben, in dem er Roosevelt mitteilte, dass er leider nicht als Soldat am Zweiten Weltkrieg teilnehmen könne: You will understand how painful such a decision is for an American whose family traditions, like your own, have always found their fulfillment in maintaining, through responsible participation in both the civil and military services, our country's freedom and honor. Seine Ablehnung im ersten Satz des Briefes ist geradezu klassisch: Dear Mr President: I very much regret that I must refuse the opportunity you offer me in your communication of August 6, 1943 for service in the Armed Force. Natürlich sperrt man ihn sofort in eine Irrenanstalt. Worüber er später in seinem Gedicht ➱Memories of West Street and Lepke schreiben wird:
These are the tranquilized Fifties,
and I am forty. Ought I to regret my seedtime?
I was a fire-breathing Catholic C.O.,
and made my manic statement,
telling off the state and president, and then
sat waiting sentence in the bull pen
beside a negro boy with curlicues
of marijuana in his hair.
Das Leben in Anstalten kennt er, er hat lange Zeiten seines Lebens in ihnen verbracht. Auch wenn er dort nicht immer einen Schwerverbrecher wie Louis 'Lepke' Buchalter trifft. Wenn er in Skunk Hour schreibt My mind's not right, dann ist das durchaus autobiographisch. Lowell kennt sich selbst, und er leidet unter den Depressionen: Depression's no gift from the Muse, hat Lowell einmal geschrieben. At worst, I do nothing. But often I have written, wrote one whole book - For the Union Dead - about witheredness. It wasn't acute depression, and I felt quite able to work for hours, write and rewrite. Most of the best poems, the most personal, are gathered crumbs...That too may be poetry - on sufferance. Es sind diese Schwächen des Dichters, das Leid und das Leiden, das seine confessional poetry ungeschminkt vor uns ausbreitet, das vielen Lesern einen Zugang zu seiner Lyrik gibt.
Auch wenn diese confessional poetry gar nicht so confessional ist, sondern ein elaboriertes Kunstprodukt ist. Darauf hat Frank Bidart in dem von ihm herausgegeben Band der Collected Poems hingewiesen: Because Robert Lowell is widely, perhaps indelibly associated with the term “confessional,” it seems appropriate and even necessary to discuss how “confessional” poetry is not confession. How Lowell’s candor is an illusion created by art. He always insisted that his so-called confessional poems were in significant ways invented. The power aimed at in 'Life Studies' is the result not of accuracy but the illusion of accuracy, the result of arrangement and invention. Was Lowell auch selbst in dem Paris Interview 1961 gesagt hat: There’s a good deal of tinkering with fact . . . and the whole balance of the poem was something invented. Aber dennoch hat es den gewünschten Effekt: the reader was to believe he was getting the real Robert Lowell.
Robert Lowell ist heute vor 34 Jahren im Alter von sechzig Jahren gestorben. Seine Collected Poems kosten bei Amazon 18,99 €. Was nicht zuviel ist für tausend Seiten der besten Lyrik, die im Amerika des 20. Jahrhunderts geschrieben wurde. Vieles darin ist schon in Anthologien zu Klassikern der modernen Lyriker erklärt worden. Vieles darin ist für den Leser neu, immer wieder verblüffend. Und kein bisschen angestaubt. Und so gibt es heute die letzten Strophen von Waking Early Sunday Morning (einem Gedicht, das im Versmaß und Strophenform Andrew Marvells ➱The Garden zitiert):
No weekends for the gods now. Wars
flicker, earth licks its open sores,
fresh breakage, fresh promotions, chance
assassinations, no advance.
Only man thinning out his kind
sounds through the Sabbath noon, the blind
swipe of the pruner and his knife
busy about the tree of life ...
Pity the planet, all joy gone
from this sweet volcanic cone;
peace to our children when they fall
in small war on the heels of small
war - until the end of time
to police the earth, a ghost
orbiting forever lost
in our monotonous sublime.
girdled by his establishment
this Sunday morning, free to chaff
his own thoughts with his bear-cuffed staff,
swimming nude, unbuttoned, sick
of his ghost-written rhetoric!
Norman Mailer, der selbsternannte Organisator des Protests war neidisch auf den Aristokraten aus Boston, das schreibt er in Armies of the Night. Zumal Robert Lowell dann noch später beim Abendessen ganz cool diese Beleidigung rausbringt: Norman, I really think you are the best journalist in America. Journalist ist nun ein Wort, das Norman Mailer nicht gerne hört. Und seine Antwort ist, in seiner typischen zurückhaltenden Art: Well, Cal, there are days when I think of myself as being the best writer in America. Da haben sich zwei gefunden: der intellektuelle Dichter aus der Bostoner Aristokratie, vom Calvinismus zum Katholizismus konvertiert, und der jüdische working-class Prolli. Wir können nur froh sein, dass das Gespräch nicht wie die Unterhaltung mit Gore Vidal und Janet Flanner in der ➱Dick Cavett Show verlief.
Robert Lowell war nicht so gewalttätig wie Norman Mailer, er hat nicht wie Mailer beinahe seine Frau umgebracht. Obgleich seine erste Frau Jean Stafford beinahe bei einem Verkehrsunfall umgekommen wäre, bei dem Lowell am Lenkrad saß. Aber sicher hatten es seine drei Ehefrauen mit ihm auch nicht leicht (die sechs Ehefrauen von von Norman Mailer lasse ich jetzt mal draußen vor). In den manischen Phasen seiner manisch-depressiven Erkrankung schleppte er immer wieder Studentinnen an, die er unbedingt heiraten wollte.
Wenn Lowell 1967 als politischer Dichter auftritt, dann passt er sich nicht modisch der Zeit an. Seine Kritik an Amerika hat dazu geführt, dass seine Dichtung sogar in der DDR akzeptiert wurde. 1976 (dem Jahr des Bicentennial in Amerika) erschien beim Verlag Volk und Welt der Gedichtband Ein Fischnetz aus teerigem Garn zu knüpfen (sogar zweisprachig) zum Preis von fünf Mark.
Er ist immer ein politischer Mensch gewesen. 1943 hatte er einen Brief an den Präsidenten geschrieben, in dem er Roosevelt mitteilte, dass er leider nicht als Soldat am Zweiten Weltkrieg teilnehmen könne: You will understand how painful such a decision is for an American whose family traditions, like your own, have always found their fulfillment in maintaining, through responsible participation in both the civil and military services, our country's freedom and honor. Seine Ablehnung im ersten Satz des Briefes ist geradezu klassisch: Dear Mr President: I very much regret that I must refuse the opportunity you offer me in your communication of August 6, 1943 for service in the Armed Force. Natürlich sperrt man ihn sofort in eine Irrenanstalt. Worüber er später in seinem Gedicht ➱Memories of West Street and Lepke schreiben wird:
These are the tranquilized Fifties,
and I am forty. Ought I to regret my seedtime?
I was a fire-breathing Catholic C.O.,
and made my manic statement,
telling off the state and president, and then
sat waiting sentence in the bull pen
beside a negro boy with curlicues
of marijuana in his hair.
Das Leben in Anstalten kennt er, er hat lange Zeiten seines Lebens in ihnen verbracht. Auch wenn er dort nicht immer einen Schwerverbrecher wie Louis 'Lepke' Buchalter trifft. Wenn er in Skunk Hour schreibt My mind's not right, dann ist das durchaus autobiographisch. Lowell kennt sich selbst, und er leidet unter den Depressionen: Depression's no gift from the Muse, hat Lowell einmal geschrieben. At worst, I do nothing. But often I have written, wrote one whole book - For the Union Dead - about witheredness. It wasn't acute depression, and I felt quite able to work for hours, write and rewrite. Most of the best poems, the most personal, are gathered crumbs...That too may be poetry - on sufferance. Es sind diese Schwächen des Dichters, das Leid und das Leiden, das seine confessional poetry ungeschminkt vor uns ausbreitet, das vielen Lesern einen Zugang zu seiner Lyrik gibt.
Auch wenn diese confessional poetry gar nicht so confessional ist, sondern ein elaboriertes Kunstprodukt ist. Darauf hat Frank Bidart in dem von ihm herausgegeben Band der Collected Poems hingewiesen: Because Robert Lowell is widely, perhaps indelibly associated with the term “confessional,” it seems appropriate and even necessary to discuss how “confessional” poetry is not confession. How Lowell’s candor is an illusion created by art. He always insisted that his so-called confessional poems were in significant ways invented. The power aimed at in 'Life Studies' is the result not of accuracy but the illusion of accuracy, the result of arrangement and invention. Was Lowell auch selbst in dem Paris Interview 1961 gesagt hat: There’s a good deal of tinkering with fact . . . and the whole balance of the poem was something invented. Aber dennoch hat es den gewünschten Effekt: the reader was to believe he was getting the real Robert Lowell.
No weekends for the gods now. Wars
flicker, earth licks its open sores,
fresh breakage, fresh promotions, chance
assassinations, no advance.
Only man thinning out his kind
sounds through the Sabbath noon, the blind
swipe of the pruner and his knife
busy about the tree of life ...
Pity the planet, all joy gone
from this sweet volcanic cone;
peace to our children when they fall
in small war on the heels of small
war - until the end of time
to police the earth, a ghost
orbiting forever lost
in our monotonous sublime.
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