Montag, 23. Juli 2012

Gemäldegalerie


Er hat es weit gebracht, seit er mit einem Holzschwert fuchtelnd neben mir auf der Bühne unserer Schule stand. Das Stück von Henry von Heiseler hieß Der junge Parzival (55 Seiten, Westermanns Textausgaben für den Deutschunterricht an höheren Lehranstalten), es wird glücklicherweise nicht so häufig gespielt. Erstaunlicherweise fragte 1989 in der Zeitschrift Der Deutschunterricht jemand: Warum ist es in der Obersekunda jeder deutschen Schule noch nicht zur selbstverständlichen Übung geworden, des älteren Heiseler 'Jungen Parzival' zu gestalten? In solchen Augenblicken merkt man, wie weit die Schule von der Wirklichkeit entfernt sein kann.

Damals hießen wir Laienspielschar, der Begriff gilt heute bei Lehrern, die Schultheater machen, als schlimmes Schimpfwort. Das Schultheater hat sich gemausert, ist mancherorts schon semiprofessionell geworden, ich kenne mich da ein wenig aus. Aus dem Mitglied der Laienspielschar, der mit dem Abitur auch schon ein CDU Parteibuch hatte, ist ein Politiker geworden. Das hätte damals niemand von uns in den kühnsten Träumen geglaubt. Wenn uns vor einem halben Jahrhundert jemand gesagt hätte, dass der Bernd Kulturstaatsminister werden würde, wir hätten ihn für verrückt erklärt. Niemand hätte damals den Bernd mit Kultur in Verbindung gebracht. Mir ist Helmut Kohl treuester Gefolgsmann letztlich völlig egal (obwohl ich sehr komische Bernd Neumann Geschichten kenne, für die mir die Bild Zeitung viel Geld bezahlen würde), aber mein Freund Uwe, der hasst ihn wirklich. Nicht erst seit Neumanns skandalösem Verhalten, als er in der Bremer Bürgerschaft die Entlassung einer Lehrerin und die Verbrennung der Gedichte von ➱Erich Fried forderte. Seltsam, dass das alles schon vergessen ist.

Der Mann, der bei Facebook 51 Leuten gefällt, macht gerade mal wieder Schlagzeilen. Nicht weil er mal wieder Gedichte von jüdischen Dichtern verbrennen will oder weil er Ziehharmonika spielt (das Instrument beherrscht er angeblich), sondern weil er sich machtvoll in der Museumspolitik äußert. Und er hat gerade einen Brief bekommen, von Jeffrey Hamburger. Der ist Professor der Kunstgeschichte an der Universität Harvard, das ist weit weg von Berlin. Aber er macht sich Sorgen über die Zukunft der Berliner Gemäldegalerie und hat eine Petition ins Internet gestellt, bei der die Zahl der Unterzeichner mit klangvollen Namen jeden Tag wächst. Zeitungen wie die Süddeutsche, die ➱FAZ und die Zeit titeln beinahe unisono Rettet die Gemäldegalerie! Die ist nicht etwa wegen des Dauerregens von einem Hochwasser bedroht, wie damals die Staatlichen Kultursammlungen in Dresden. Es werden da auch nicht Bilder angezündet wie Autos, was ja ein Berliner Volkssport ist. Nein, die Gefahr für die Alten Meister der Gemäldegalerie ist hausgemacht, sie kommt letztlich aus der Politik. Und wir alle wissen, das sind die schlimmsten Gefahren. Mittlerweile redet die Presse schon von einem Kulturkampf.

In der Pressemitteilung Nummer 201 der Bundesregierung vom 12. Juli 2012 heißt es: Im Rahmen des Nachtragshaushalts 2012 hat das Parlament heute 10 Millionen Euro zur Erhöhung des Bauhaushalts der Stiftung Preußischer Kulturbesitz bereitgestellt. Mit diesen Mitteln soll die Gemäldegalerie am Kulturforum zu einem "Museum des 20. Jahrhunderts" umgestaltet werden, um die weltberühmte Sammlung Pietzsch im Kontext der Werke der Nationalgalerie auf Dauer präsentieren zu können. Kulturstaatsminister Bernd Neumann erklärte: „Wir wollen die Sammlung Pietzsch auf Dauer für Berlin sichern und im Kontext der Nationalgalerie präsentieren. Denn diese weltweit einmalige Sammlung schließt eine Lücke im Bestand unserer Nationalgalerie und ist damit eine wertvolle Ergänzung. Ein Erwerb auf dem Kunstmarkt wäre für das Museum heute unfinanzierbar. Deshalb bin ich froh, dass es gelungen ist, mit dem heutigen Nachtragshaushalt die Weichen zu stellen für eine dauerhafte Unterbringung der Sammlung in der Gemäldegalerie am Kulturforum in einem neuen ´Museum des 20. Jahrhunderts´“.

Die Sammlung moderner Kunst, mit dem Schwergewicht auf surrealistischer Kunst, des Ehepaares Pietzsch wird also auf Staatskosten untergebracht. Angeblich ist sie weltberühmt, eine Kunstsensation des 21. Jahrhunderts. Im Jahr 2009 war die Kollektion des Ehepaar Pietzsch unter dem Titel Bilderträume: Die Sammlung Ulla und Heiner Pietzsch in der Neuen Nationalgalerie gezeigt worden. 190.000 Besucher haben sich das angeguckt. Berliner gucken sich ja alles an, Eisbär Knut hatte mehr als eine Million Besucher. Ob die Sammlung wirklich die Kunstsensation des 21. Jahrhunderts ist, wurde von vielen Fachleuten in Frage gestellt. Sie sei nicht annähernd mit der ➱Sammlung Berggruen zu vergleichen, hört man. Für die hatte das Land Berlin den Stüler-Bau gegenüber vom Charlottenburger Schloss zur Verfügung gestellt. Daneben ist einem Haus des Architekten Stüler die Dauerleihgabe der ➱Sammlung Scharf-Gerstenberg ausgestellt. Und da ich gerade dabei bin, auf Sammlungen moderner Kunst in Berlin hinzuweisen, will ich nicht vergessen, den ➱Hamburger Bahnhof zu erwähnen.

Aber solch profane Lösungen sind nichts für die weltweit einmalige Sammlung Pietzsch. Die wird nicht irgendwo untergebracht. Also zum Beispiel in der Bärenquell Brauerei, der Abhöranlage auf dem Teufelsberg oder dem Steglitzer Kreisel - und was da alles in Berlin noch leer herumsteht. Nein, sie soll partout in der ➱Gemäldegalerie untergebracht werden, die dann eine Galerie des 20. Jahrhunderts werden soll. Da schwärmt man in Regierungskreisen vom Beginn einer neuen Ära. Und dafür sollen die Alten Meister auf die Museumsinsel transportiert werden, wo sie irgendwann einmal in der Zukunft eine neue Heimat finden sollen. Wenn man bedenkt, dass schon jetzt in der Gemäldegalerie nur die Hälfte der Bestände gezeigt werden kann, kann man sich leicht denken, dass man da mehr Kunst im Magazin im Keller als im Museum an der Wand haben wird. Und auf den Sankt Nimmerleinstag wartet, an dem das geplante Museum auf der Museumsinsel vielleicht fertig werden wird. Eine Rochade mit offenem Ende steht in den Zeitungen. Die konservative FAZ legte alle Zurückhaltung ab und schrieb mit süffisanter Bosheit: Es ist ein wenig, als würde man einen Rolls-Royce zum Gemüsetransporter umbauen wollen; es liegt eine typisch Berliner Mischung aus Verantwortungslosigkeit und Großkotzigkeit darin, auf diese Weise Werte zu vernichten und mit nicht vorhandenem Geld um sich zu schmeißen.

Wenn man die Bilder nicht so unterbringen will wie auf diesem Bild von Willem van Haecht, muss ein neues Museum her. Das ist in Gedankenspielen schon seit Jahren da, soll 150 oder 200 Millionen Euro - oder viel mehr - kosten. Die Berlin nicht hat: Berlin soll in nächster Zeit durch einen neuen Flughafen, einen Autobahnausbau und durch ein Stadtschloss mit Großbauprojekten bestückt werden. Es ist mehr als fraglich, dass in Zeiten von Sparzwängen und drohender Währungskrise bei der Bevölkerung ebenso wie bei den Abgeordneten mehrheitliche Akzeptanz für eine Bewilligung der 150 Mio. EUR für den Neubau einer Gemäldegalerie auf der Museumsinsel vorhanden sein wird. Der Verdacht drängt sich auf, dass der Kulturstaatsminister Bernd Neumann aus Verbundenheit mit dem Ehepaar Pietzsch und deren Schenkungsabsichten einen strategischen Fehler begangen hat – zu Lasten der Alten Meister. Ohne die Konsequenzen transparent zu thematisieren, hat er den letzten Schritt vor dem ersten gesetzt, indem die 10 Millionen EUR für die neue Herberge der Pietzsch-Sammlung gesichert wurden. In der Kulturausschusssitzung vom 27. Juni 2012 wurden die Abgeordneten lediglich über den Sachstand informiert, eine ausführliche Aussprache zum Thema hat nicht stattgefunden. Die 10 Millionen Euro waren zuvor schon im Haushaltsausschuss bewilligt worden. Danke, Agnes Krumwiede, so ist es auf den Punkt gebracht. Ich finde es auch subtil, wie hier eine rein persönliche Motivation bei Bernd Neumann insinuiert wird (aus Verbundenheit mit dem Ehepaar Pietzsch). Agnes Krumwiede (die die Presse auch Miss Bundestag nennt) ist Bundestagsabgeordnete, sie versteht von Kultur wahrscheinlich viel mehr als Bernd Neumann. Und sie ist Konzertpianistin, was sicherlich mehr ist, als eine Feierabendpassion fürs Akkordeonspiel zu haben. Aber dafür hat der Bernd Neumann eine Rolex.

Mit den Berliner Planungen ist das ja so eine Sache. Was war da noch mit dem Flughafen Berlin Brandenburg? Und neu zu bauende Museumsflächen auf der Museumsinsel: wo wollen die das Geld hernehmen? Die wirtschaftliche Bonität Berlins ähnelt ja ungefähr der von Griechenland, und das einzige, worin Berlin in dem letzten halben Jahrhundert wirklich Erfahrung hat, sind Bauskandale. Der Steglitzer Kreisel ist noch nicht vergessen, keine Sorge. Schuldenmachen scheint eine Berliner Tradition zu sein: am 28. Mai 1562 hat sich die Doppelstadt Berlin-Cölln zu einem Zinssatz von sechs Prozent 400 Gulden von dem Städtchen Mittenwalde geborgt. Deren Bürgermeister hat gerade beim Finanzsenator angefragt, wie es denn mit der Rückzahlung wäre. 450 Jahre mit Zinseszins, holen Sie doch schon mal den Taschenrechner heraus.

Nicht alle sind der Meinung, dass in Berlin eine kulturelle Katastrophe droht. Ein gewisser Tim Ackermann (links) schreibt in der Welt forsch: Berlin braucht ein Museum der Moderne, weil Berlin eine Stadt der Moderne ist. Vor 1700 hat sie auf der Weltbühne keine Rolle gespielt. Berlin fand erst im 19. Jahrhundert zu sich selbst. Vom 20. Jahrhundert dann ist die Metropole wie keine zweite geprägt worden. Man sollte sich auch vergegenwärtigen, dass die Kunst der Alten Meister in dieser Stadt immer retrospektivgesammelt wurde. Die Avantgarden des 20. Jahrhunderts haben dagegen auch in Berlin gewirkt. Nur zu sehen ist die dazugehörige Kunst so gut wie nicht. Aber der schreibt viel, der hat auch schon mal geschrieben, als er noch bei der taz war: In den unendlichen Weiten des Cyberspace kommen genau vier Blondstufen vor: polnischblond, hübsch blond, platinblond und "einfach nur blond". Zugegeben, das ist keine lebenswichtige Information. Relevant wird sie nur, wenn man sich im Netz eine polnische Frau bestellen will. Dann kommt man um die Wahl der richtigen Blondstufe einfach nicht herum. Gut, dass das mal gesagt wurde.

Irgendwie sehne ich mich nach der Zeit zurück, als der eine Teil der Gemäldegalerie in Dahlem war und der andere drüben auf der Museumsinsel. Ich habe ein klein wenig von dieser Nostalgie in dem Post ➱Franz Krüger einfließen lassen. Und ich habe es nicht lassen können, als ich über ➱Eric Ambler schrieb, diese Reminiszenz an Dahlem hier im Text unterzubringen: Aber Peter Paul Rubens hat heute auch Geburtstag. Über den hätte ich auch schreiben können, doch zu dem fällt mir nichts ein. Ich mag ihn nicht, obgleich ich weiß, dass er ein großer Maler ist. Das letzte Mal, als ich etwas zu Rubens gesagt habe, hat mich eine ganze Gruppe von Touristen feindselig angestarrt. 'Geht ihr schon mal vor zu den fetten Weibern, ich guck mir noch mal die kleinen Affen an', hab ich zu Carola und Jimmy im Dahlemer Museum gesagt. Ich wollte mir noch einmal die wunderbaren kleinen Äffchen von ➱Brueghel anschauen und den Saal mit den voluminösen Schönheiten von Rubens vermeiden. Wenn Sie von mir etwas anderes als 'fette Weiber' zu Rubens hören wollen, kann ich nur Simon Schamas hervorragendes Buch 'Rembrandt's Eyes' empfehlen, das auch ein sehr gutes Kapitel über Rubens hat.

Damals wusste ich, wo welches Bild hängt, das war schön. Ich mag die Welt gerne geordnet. Und es kann mir auch keiner erzählen, dass es in Berlin keine moderne Kunst zu sehen gab und gibt. Wozu hat ➱Eberhard Roters denn die ➱Berlinische Galerie gegründet? Wozu wurde die Neue Nationalgalerie gebaut? Was ist mit den oben erwähnten Sammlungen in den Stüler-Bauten und dem Hamburger Bahnhof? Die Befürworter der Umzugspläne schwärmen davon, dass man auf der Museumsinsel wieder Skulpturen und allerlei kunsthandwerkliche Dinge neben den Bildern plazieren könne, so wie Wilhelm von Bode das einst konzipiert hatte. Ich glaube nicht, dass der Bernd Neumann weiß, wer Wilhelm von Bode ist. Meine Leser wissen das natürlich, weil sie im Dezember 2010 diesen ➱Post gelesen haben [und zu ➱Ferdinand von Rayski, der dies wundervolle Portrait gemalt hat, gibt es inzwischen auch einen Post].

Es ist jetzt wenig Sachverstand in der Diskussion, was den Journalisten im Sommerloch natürlich nur gelegen kommt. Jeder kann bei diesem Debakel kopfloser Kulturpolitik (FAZ) mitmachen. Das Geschäft der Kunsthistoriker ist das übelste Geschäft, das es gibt, und ein schwätzender Kunsthistoriker und es gibt ja nur schwätzende Kunsthistoriker, gehört mit der Peitsche verjagt. Das ist jetzt nicht von mir, das steht in Thomas Bernhards Alte Meister. Ein passender Titel, wo es hier um die Verbannung der Alten Meister geht. Aber diesem Tim Ackermann und all denen, die suggerieren, dass die moderne Kunst in Berlin nie eine Heimat gehabt hätte, kann ich nur die Lektüre von Peter-Klaus Schusters Buch Die Alte Nationalgalerie empfehlen, in dem die Geschichte der Berliner Gemäldesammlungen hervorragend dargestellt wird. Peter-Klaus Schuster, auf dessen Katalogbuch zur Blechen-Ausstellung ich ja schon einmal hingewiesen habe, kennt sich da bestens aus. Er war einmal Direktor der Alten Nationalgalerie und Generaldirektor der Staatlichen Museen Berlins, und er versteht es vorzüglich, einen Überblick über die Entwicklung der Berliner Museen zu geben. Unglücklicherweise ist das, dessen Auswirkungen heute diskutiert werden, einmal Schusters Masterplan einer völligen Neuordnung der Berliner Museumslandschaft gewesen. Den die FAZ in diesen Tagen so kommentiert: Das gigantische Revirement der Berliner Museumslandschaft, das ihm einst vorschwebte, ist als Plan nachvollziehbar und sogar reizvoll - funktioniert aber nur, wenn man ähnliche Geldreserven wie Abu Dhabi und Qatar besitzt.

Inzwischen rudert Bernd Neumann zurück. Angeblich ist der Drops noch nicht gelutscht. Es sei ja niemals das Ziel gewesen die Gemäldegalerie mit den alten Meistern zu verdrängen, sondern – im Gegenteil – ihr auf der Museumsinsel einen angemesseneren, attraktiveren Ort zu verschaffen. Und er bringt auch einen neuen Standort ins Spiel: das Kronprinzenpalais. Nicht etwa für die Sammlung Pietzsch, sondern für die Auslagerung der Gemäldegalerie. Hier kann kein Vorschlag irre und undurchdacht genug sein, um nicht sofort umgesetzt zu werden. Das ist jetzt nicht von mir, das ist das Urteil der FAZ über die Berliner Verhältnisse. Und da dachte sich der Bernd, er könnte das alles in der Sommerflaute so schön durchziehen, das würde niemand merken. Das habe ich doch von Kohl gelernt: Nicht warten, bis einem alles um die Ohren fliegt, selber agieren! hat er mal in einem anderen Zusammenhang gesagt. Jetzt fliegt es ihm um die Ohren, jetzt hat er den shitstorm über sich.

Irgendwie vergessen die in Berlin sehr schnell, was gestern war. Ist ja manchmal auch besser, vor allem für Politiker. Ich hätte da noch einen wirklich interessanten Zeitungsartikel:

Die Alten Meister müssen nicht ihre Koffer packen. Michael Eissenhauer, neuer Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, hat den geplanten Umzug der Gemäldegalerie vom Kulturforum auf die Museumsinsel gestoppt. Ein Neubau auf dem Gelände der einstigen Friedrich-Engels-Kaserne - gegenüber dem Bodemuseum - sei für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) nicht finanzierbar. Zugleich besitze die Stiftung keine Mittel für den Umbau der bestehenden Galerie. Die Gemäldegalerie mit den rund 1.400 Werken Alter Meister, darunter Rembrandt, Rubens, Caravaggio und Dürer, habe am Kulturforum ihren Platz und soll dort bestehen bleiben, sagte Eissenhauer.
   1998 war die große Gemäldesammlung von Dahlem und aus dem Bodemuseum in den 146 Millionen Euro teuren Neubau am Kulturforum gezogen. Schon darum sei es "niemandem verständlich zu machen, für 50 Millionen Euro eine neue Gemäldegalerie bauen zu wollen", betonte Eissenhauer. Zu rechtfertigen sei ebenso nicht, 20 Millionen Euro für eine Umgestaltung des Hauses am Kulturforum auszugeben. Das Prestigeprojekt seines Vorgängers Peter-Klaus Schuster, dessen Idee es war, die Bilder nach Mitte zu verfrachten, verfolge die Stiftung nicht mehr. Was aus dem jüngst frei geräumten Gelände hinter der Kaserne wird, ist offen
.

Kann sich noch jemand daran erinnern? Stand in der taz. Nicht letzte Woche. Sondern am 18. August des Jahres 2009. Und wenn wir noch etwas weiter zurückgehen wollen in der Geschichte der Kunst in Berlin, finden wir immer wieder Zitate, die von erstaunlicher Aktualität sind: Es ist freilich nur ein Sturm im Glase Wasser ... Aber so wichtig eine Kleinkramfrage sein kann, so wichtig ist sie. Die Frage wird auch nicht wieder einschlafen, denn sie birgt etwas von Revolutionskraft in sich und wird nicht eher ruhen, als bis die seit zwanzig Jahren immer maßloser gewordenen Prätensionen der Farbenklexerwelt auf ein richtiges und verständiges Maß zurückgeführt sein werden. Schreibt Theodor Fontane am 6. Dezember 1883. Hat man das auch schon vergessen, dass hier jemand mit dem Pseudonym ➱Quidam die ganze Welt der aufgeblasenen Kunstkritiker lächerlich gemacht hat? Und damals bildete sich Berlin noch ein, der Mittelpunkt Deutschlands zu sein, wovon heute nicht mehr die Rede sein kann. Aber dass sie in Berlin ganz wichtig sind, das bilden sie sich immer noch ein. Hier kann kein Vorschlag irre und undurchdacht genug sein, um nicht sofort umgesetzt zu werden.

Die Besucherzahlen der Berliner Museen sind rückläufig, besonders bei der Neuen Nationalgalerie, im Neuen Museum und in der Alten Nationalgalerie. Was tun? Nur noch Blockbuster Ausstellungen machen? Mit Jeff Koons und diesem italienischen Pornostar auf Großleinwand? Den Managern von Disneyland die Leitung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz übertragen? Das ist ein pervers schöner Gedanke. Irgendwie fängt die neue Ära ja nicht so gut an, ist wohl doch nur, wie die FAZ schrieb, eine typisch Berliner Mischung aus Verantwortungslosigkeit und Großkotzigkeit. Wir warten mal ab, wer sich in den nächsten Tagen noch alles öffentlich blamiert.

Wenn Sie die Petition von Professor Jeffrey Hamburger von der Harvard Universität unterschreiben möchten (ich habe das natürlich schon getan), ➱HIER ist die Möglichkeit dazu. Die haben in drei Wochen erst etwas mehr als zehntausend Unterschriften bekommen, das finde ich ein bisschen mager. Das muss mehr werden. Ah! Ça ira.

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