Donnerstag, 19. Juli 2012
Yohji Yamamoto
Vor Jahren sah ich auf der Straße einen jüngeren Mann, der etwas seltsam aussah. Er kam mir entgegen, war noch dreißig Meter von mir entfernt. Es war eine seltsame Erscheinung. Die Hosen waren erheblich zu kurz, kürzer als diese Hochwasserhosen, die lange in Amerika beliebt waren. Und erheblich kürzer als die von Prince Charles, der sich seine ➱Hosen auch gerne sehr kurz machen lässt. Ist vielleicht besser als zu lang, wie diese Ziehharmonikahosen an allen deutschen Männerbeinen. Das Jackett des Herrn war passend zu den Hosen auch zu kurz, dafür waren die Ärmel zu lang. Und ich sagte mir: entweder ist das der Dorfidiot oder er trägt Yohji Yamamoto. Leider konnte ich die endgültige Antwort auf diese Frage nicht finden, weil wir plötzlich durch eine kleinere Menschenmenge getrennt wurden. Aber wie wahrscheinlich ist es schon, dass in dieser Stadt jemand Yamamoto trägt? Man sieht ja selten genug einen gut gekleideten Herrn auf der Straße.
Der Japaner Yamamoto hat es ja geschafft - ebenso wie seine ehemalige Lebensgefährtin Rei Kawakubo - ganz nach oben in den Olymp der ➱Designer zu kommen. Wobei ihm dieser Aufstieg dadurch erleichtert wurde, dass die Gläubigen der Yamamoto Religion ihren Meister in journalistischen Glaubensbekenntnissen abfeierten. Und Wim Wenders sogar einen ➱Film über ihn drehte. Ich habe den Aufstieg von Yohji Yamamoto und Rei Kawakubo über die Jahre verfolgt, da ich immer Abos von Magazinen wie L'Uomo Vogue, GQ (die hervorragende amerikanische Ausgabe) und ➱Arena hatte. Aber ich war niemals in Versuchung, mir solches Zeug zu kaufen.
Wer trägt das? Der erste, der mir dazu einfällt ist der holländische Pianist Hans Liberg, die postmoderne Variante von ➱Victor Borge. Der soll angeblich die größte Yamamoto Sammlung der Niederlande haben. Aber für den allein können die Sachen, Made in Japan, ja auch nicht alle hergestellt werden. Tragen Japaner das? Angeblich wollen die alle Paul Smith kaufen. Werden all diese bizarren Sachen nur für den Laufsteg und die Photos in den Modezeitschriften entworfen? Den Rest des Geschäfts machen dann die billigeren Zweitlinien, die T-Shirts und die Parfüms aus. Die Lektion der Vermarktung des Namens haben ja alle von ➱Pierre Cardin gelernt, der schon vor einem halben Jahrhundert auf den japanischen Markt drängte. Die Hohepriesterin der Mode Rei Kawakubo, die vor dreißig Jahren mit ihrem Hiroshima Chic in Paris reüssierte, gab es 2008 schon bei H&M, Yohji Yamamoto war da schon längst bei Adidas. Andererseits ehrte ihn letztes Jahr das ➱Victoria & Albert Museum mit einer Ausstellung, so etwas bekommt auch nicht jeder. Harald Glööckler bestimmt nicht.
Es ist sicherlich ein kleiner Karriereknick, dass Yamamotos Firma im Jahre 2009 in die Insolvenz rutschte, etwas, das er in Interviews als the accident bezeichnet. Zehn Jahre zuvor sah das noch anders aus, da gab es gerade den Wim Wenders Film und Tristan und Isolde trugen in Bayreuth Yamamoto. Inzwischen hat es eine Restrukturierung der Firma gegeben. Der Meister, der gesagt haben soll I think perfection is ugly. Somewhere in the things humans make, I want to see scars, failure, disorder, distortion, hat jetzt gesehen wie failure und disorder aussieht. Er ist von einer kapitalkräftigen Firma gerettet worden, die Firma, die seinen Namen trägt, gehört ihm nicht mehr.
Ob er sich damals über den Brief von Kim Basinger geärgert hat, die aufgefordert hatte, keine Tierpelze mehr zu verwenden? By making the kind choice to shun fur (and fur trim, which helps to keep the cruel fur trade alive), you can be a leader in fashion and compassion, setting a wonderful example for the rest of the industry to follow...as Japan’s leading fashion designer, you in particular are able to set an example for others and establish a more compassionate trend away from fur. Zwei Jahrzehnte früher konnte man Kim Basinger in Yamamoto sehen, wenn ihr Mickey Rourke in 9½ Weeks in einer Yamamoto Boutique ein Yamamoto Teil kauft. Aber wenn es nach uns ginge, hätte sie das nicht tragen müssen, sie sah auch ohne Yamamoto gut aus.
Warum schreibe ich über Yohji Yamamoto? Ist ganz einfach, ich muss gestehen, dass ich am letzten Wochenende ein Yamamoto Jackett gekauft habe, bei ➱Weltgewand, second hand, aber neu. So gut wie nix gekostet. Sehr dunkelblau, mit einem leichten, vornehmen Glanz. Als ich das Jackett vor dem Spiegel angezogen habe, habe ich erst einmal gelacht. Die Jacke mit ihren kleinen Stummelschlitzen war viel zu kurz, bumfreezer nannten das die englischen Soldaten, als ihnen die Armee 1945 einen Zivilanzug spendierte und dabei am Stoff sparte. Den gleichen Namen bekamen in den fünfziger Jahren die kurzen Jacketts, die aus Italien kamen (und die Eton Zöglinge nannten ihre kurzen Jacken schon immer so). Aber wenn es auch irgendwie bescheuert aussah und die drei Knöpfe auch nicht ganz an den Stellen waren, wo sie hingehörten, das Jackett hatte das gewisse je ne sais quoi. Zu Hause habe ich es einmal kritisch betrachtet, und man muss sagen, dass gegen die Qualität nichts zu sagen ist. Das Futter ist 100% Cupro. Damit fängt Qualität ja an, wenn in einem Jackett Bemberg drin steht, für Bembergseide hatte einst Marlene Dietrich Reklame gemacht. Die Knopflöcher waren mit der Hand genäht, und den hohen Handarbeitsanteil konnte man überall sehen. Das war alles schon erstklassig, aber eben sehr kurz. Das ist der Designerwille. dem man sich zu fügen hat. Yamamoto hatte ja auch einmal eine Phase, da waren die Jacketts und die Ärmel immer zu lang. Yohji Yamamoto hat einmal gesagt: My role in all of this is very simple. I make clothing like armor. My clothing protects you from unwelcome eyes. Das glaube ich nun gar nicht. Wenn ich damit rumlaufe, wird mir jeder nachstarren und sich sagen: entweder ist das der Dorfidiot oder er trägt Yohji Yamamoto
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