Samstag, 20. Juli 2013
Moabiter Sonette
Albrecht Haushofer hatte in seiner Manteltasche ein Heft mit achtzig Gedichten, als ihn sein Bruder fand. Erschossen von der SS, kurz vor Kriegsende. Heinz Haushofer hat nach dem Krieg dafür gesorgt, dass diese Gedichte als Moabiter Sonette gedruckt wurden. Die letzten Gedichte Albrecht Haushofers, der sein Leben opferte, weil er ein Mensch war und die Freiheit über sein Leben stellte. Aus der Hand des Toten empfangen legen sie Zeugnis ab für den Geist der ihn bewegte, steht auf dem Vorsatzblatt des 1946 bei Lothar Blanvalet in Berlin gedruckten Buches. Heute ist der 20. Juli. Wir tun uns schwer mit diesem Gedenktag. Es gibt wieder die übliche Kranzniederlegung durch ein Mitglied der Bundesregierung, das noch nicht im Urlaub ist. Und das öffentliche Gelöbnis muss offenbar auch wieder sein, immerhin nicht mehr im Bendlerblock. Von Tom Cruise ist glücklicherweise nicht mehr die Rede. Dafür spricht am Nachmittag Karl Heinz Bohrer, und die Ansprache beim Gelöbnis hält Joachim Gauck, wir scheinen an Seriosität und Niveau zu gewinnen.
In diesem Blog gibt es heute Albrecht Haushofers Gedicht Rundmarsch der Gefangenen und den Hinweis, dass sich der Post ➱Gedenken aus dem letzten Jahr auch lohnen könnte.
In Moskau hab ich einst ein Bild gesehn.
Van Gogh, der Meister. Dunkler Quadern Bau.
Ein Innenhof. Gefangne grau in grau,
die hoffnungslos in engen Kreisen gehn.
Nun schau ich selber durch die Gitterstäbe
in einen Hof, darin man Menschen treibt
wie Herdenvieh, das noch zu hüten bleibt,
bevor man ihm das Beil zu spüren gebe.
Als Herrscher aller dieser grauen Bahnen
steht einer draußen, den die Lust erfüllt,
wenn andre leiden. Einer, der noch brüllt,
wenn andre schweigend schon die Wandlung ahnen,
die aus den Gräbern sprossend längst beginnt,
bevor sie rot in rote Ströme rinnt.
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Abgehärtet wie man ist, abgestumpft gegenüber Wiederholungen, braucht man, also ich, gelegentlich solch Aufrütteln. Kurz und eindringlich. Find ich gut.
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