Montag, 29. Juli 2013

Peter Schreier


Peter Schreier wird heute achtundsiebzig, und da möchte ich doch ganz herzlich gratulieren. Einer der wenigen lyrischen Tenöre, die wir in Deutschland hatten. Im letzten Monat hat er in Leipzig die Bach Medaille erhalten. Das war im Frühjahr noch gar nicht so sicher. Nicht, dass er die Bach Medaille nicht verdient hätte, sondern ob er sie überhaupt hätte in Empfang nehmen können. Erst eine Lungenentzündung zu Anfang des Jahres, dann zwei Schlaganfälle. Er ist aber dem Tod noch mal von der Schippe gehüpft, wie man auf diesem Photo von der Verleihung der Bach Medaille sehen kann.

Das Weihnachtsoratorium von Bach in Prag im Jahre 2005 war sein letzter öffentlicher Auftritt, da war er über siebzig Jahre auf der Bühne - wenn man seinen ersten Auftritt im Dresdner Kreuzchor mitzählt. Der Kantor des Kreuzchors Rudolf Mauersberger hatte schon schnell sein Talent erkannt und ihm erste Soloparts als ➱Knabenalt gegeben. Von da an bestimmen Bach Kantaten und Oratorien sein Leben. An dieser Stelle muss ich ein Geständnis machen: es ist nicht meine Welt. Zwar habe ich CDs von Bachs wichtigsten Passionen, Oratorien und Messen - und die werden auch zu Weihnachten und Ostern aufgelegt - aber die Musik interessiert mich nicht wirklich. Natürlich bin ich früher für Bach in den Bremer Dom gegangen, aber nur weil meine Freundin im Chor mitsang. Manchmal spiele ich auf dem Klavier ➱Jesu bleibet meine Freude in der Klavierbearbeitung von Myra Hess (aus der Kantate BWV 147), das ist sehr schön. Bachs Choralwerke sind sicherlich auch zu schön, aber irgendwie zu viel für mich. Kurt Masur hat über Peter Schreier gesagt: Er singt immer so, wie es gesungen werden muss, und wenn man es anders singt, ist es falsch. Wenn er die Matthäus-Passion singt, dann glaubt man ihm.

Neben dem Bachsänger Peter Schreier gibt es aber noch den Opernsänger und den Liedsänger Peter Schreier. Der gefällt mir sehr viel besser. Ich habe ihn schon in dem Post ➱Winterreise erwähnt. Musste da aber einschränkend sagen, dass mir seine Aufnahme der ➱Winterreise mit Swjatoslaw Richter nicht so gefällt (liegt aber am russischen Liedbegleiter). Seine beiden Aufnahmen der Schönen Müllerin - einmal mit Walter Olbertz und die Gitarrenversion mit Konrad Ragossnig - finde ich sehr schön (Walter Olbertz kam hier schon einmal in dem Post ➱Haydn: Klaviersonaten vor). Und es gibt auch noch eine interessante Aufnahme, wo er von Steven Zehr (Hammerklavier) begleitet wird. Ich merke gerade, dass ich noch niemals einen langen Post über Schuberts Schöne Müllerin geschrieben habe. Es gibt hier zwar schon den Post ➱Lindenbäume, aber noch nicht so etwas wie eine Sammelbesprechung der vielen Aufnahmen. Kommt noch, wenn ich mal Zeit habe. Und die Leser wieder da sind, die scheinen im Augenblick alle im Urlaub zu sein. Aber bis dahin habe ich für Sie Die Schöne Müllerin mit Peter Schreier in ganzer Länge. Klicken Sie ➱hier.

Auf der Opernbühne stand Peter Schreier 1959, gleich als er mit seinem Studium von Gesang (und Dirigieren) fertig war. Sang einen der Gefangenen in Beethovens Fidelio. Aber wenig später kam der Tamino aus der Zauberflöte, eine Rolle, die er hunderte von Malen gesungen hatte. Zuletzt im Jahre 2000, aber er wusste schon vorher, dass das nicht ewig geht: Irgendwann bin ich kein junger Prinz mehr. Und so war das damals auch sein Abschied von der Opernbühne. Er hat die Bühnen der Welt gesehen, er war in Bayreuth (wo er 1966 den jungen Seemann in Tristan und Isolde unter Karl Böhms Dirigat sang),  und seit den sechziger Jahren war er ständiger Gast der Wiener Staatsoper. Er war das, was in der DDR so schön Reisekader hieß, er konnte nach Mailand, Buenos Aires und New York reisen. Davon träumten viele. Er hat nie rübergemacht, obgleich die Gelegenheit dazu immer da war. Aber er genoss als Exportschlager der DDR auch in der Republik eine Sonderstellung. Ich wurde fast wie ein rohes Ei behandelt, hat er einmal gesagt. Seit 1945 wohnt er in Dresden, irgendwie ist er sehr bodenständig. Er ist ein Weltstar gewesen, aber einer von der bescheidenen, sympathischen Art.

Nomen non est omen, hat Karl Böhm einmal in Anspielung auf seinen Namen gesagt (sehen Sie ➱hier ein Interview mit August Everding). Nein, Peter Schreier schreit nicht, der war ein lyrischer Tenor. Als er anfing, Opern zu singen, sangen ➱Rudolf Schock und ➱Fritz Wunderlich noch. Drei deutsche Tenöre von Weltklasse, das kam bei uns in Deutschland nicht wieder. Und auch solche Sänger wie auf diesem Photo wird man so schnell nicht wieder finden: (von links) Hermann Prey als Guglielmo, Dietrich Fischer-Dieskau als Don Alfonso und Peter Schreier als Ferrando in Cosi fan Tutte im Jahr 1972. ➱FiDi musste natürlich wieder in der Mitte sein, das geht nicht anders.

Aber hier habe ich Schreier mal in der Mitte (mit dem Bass Harry Peeters, Christa Ludwig, Edda Moser und Dietrich Fischer-Dieskau 1986 in Salzburg). Fischer-Dieskau muss auch wieder auffallen: er trägt eine schwarze Weste zum Frack. Peter Schreier und Fritz Wunderlich haben sich nur einmal getroffen, Hermann Prey, der mit beiden befreundet war, hatte sie miteinander bekannt gemacht. Schreier hatte den größten Respekt vor seinem Kollegen: Mir hat ja Fritz Wunderlich immer etwas im Nacken geschwebt von vielen Institutionen und von vielen Medien wurde ich ja als sein Nachfolger, manchmal gar als der legitime Nachfolger Wunderlichs hingestellt. Und das war für mich nicht einfach. Weil ich zunächst mal glaube, daß wir zwei ganz verschiedene Sänger sind, daß er zwar auch Mozart gesungen hat und ich Mozart gesungen habe und noch singe, daß er aber von seiner ganzen Veranlagung, von seinem Timbre und seiner Ausdrucksweise, auch von seinem Temperament her ein ganz anderer Mensch war als ich. Und er weiß auch mit Hochachtung zu berichten: Ich weiß, daß er mich protegiert hat, daß er mich damals für die Entführung in Salzburg sehr empfohlen hat... und gesagt hat: Jetzt nehmt's doch mal den Schreier und lasst mich in Ruhe!' Das fand ich ganz uneigennützig, ja toll von ihm; wer macht das schon unter Kollegen?

Peter Schreier hat seinen Abschied von der Bühne angeblich lange geplant, er singe nicht mal mehr im Bad, versicherte er Zeitungsreportern. Aber er dirigiert noch und gibt Meisterkurse. Und mutet sich offensichtlich zu viel zu, die Herzoperation vor drei Jahren, die Operation an der Halsschlagader im letzten Jahr und die Schlaganfälle in diesem Jahr kommen sicher nicht von ungefähr. Ich glaube, Dietrich Fischer-Dieskau hatte sein Leben nach den öffentlichen Auftritten besser organisiert. Ich kann da keine Ratschläge geben, aber ich wünsche ihm alles Gute. Und womit kann man einem Sänger gratulieren? Am besten mit Albert Stadlers ➱Kantate zum Geburtstag des Sängers Johann Michael Vogl:

Sänger, der von Herzen singet 
Und das Wort zum Herzen bringet, 
Bei den Tönen deiner Lieder 
Fällt's wie sanfter Regen nieder, 
Den der Herr vom Himmel schickt, 
Und die dürre Flur erquickt!

Und ich muss heute noch einem anderen Geburtstagskind gratulieren. Nämlich der jungen Dame da links auf der Bild (bei der Eröffnung einer Kunstausstellung, ich nehme an, dass das linke Bild von ihr ist). Liebe Gabi, habt ihr in Luxembourg keine besseren Photographen? Happy Boifday, das Geburtstagsgeschenk ist unterwegs. Falls es heute noch nicht ankommt, hör' doch mal ➱hier in Dotschy Reinhardt 'rein. Und wenn Sie nicht Gabi heißen und nicht heute Geburtstag haben, dürfen Sie sich aber auch Dotschy Reinhardt anhören. Ist nicht Bachs H-Moll Messe, ist aber auch gut.

6 Kommentare:

  1. Zu den deutschen lyrischen Tenören zählen Ptoschka und Blochwitz.Beide mit einer großartigen Müllerin!

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  2. Danke für die schöne Würdigung. Er wird als Bach-Mozart und Liedsänger unvergessen bleiben.
    Weniger als Dirigent,auch wenn seine Wiedergaben nicht schlecht sind, vor allem die weltlichen Bach-Kantaten.

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  3. Sie haben sicherlich Recht, ich wollte es nur etwas zuspitzen. Die Aufnahme der "Schönen Müllerin" von Hans Peter Blochwitz ist sicherlich großartig (allerdings mag ich Cord Garben als Begleiter nicht so gerne)

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    1. Daauf können wir uns schnell einigen.Leider war Blochwitz damals Neuling bei der DG und hatte vielleicht wenig Einfluß auf die Auswahl des Begleiters? Deutsch bei Protschka ist viel besser.

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    2. Zu Fischer Dieskau könnte auch etwas mitgeteilt werden,aber eher nicht öffentlich

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  4. Na das freut mich doch als Dresdner. Eine Oper mit Peter Schreier war immer was besonderes. Das gabs ob der vielen Verpflichtungen ja nicht andauernd. Schön, eine solche Hommage. (Gibt´s auch eine über theo Adam?)

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