Donnerstag, 19. April 2018

Nachdichtung


Am 19. April 1824 ist Lord Byron gestorben. Der Dichter ist in diesem Blog ein häufiger Gast gewesen, ich liste die Posts einmal unten auf. Ich habe in meinem Studium eine viersemestrige Romantik Vorlesung gehört, über Keats, Shelley, Byron, the rest of the guys in the band? wie Sergeant Hathaway in der ↝Lewis Folge ↝And the Moonbeams Kiss the Sea so schön sagt. Lord Byron kam in der Vorlesung so gut wie nicht vor. Wahrscheinlich hatte der ↝Professor Angst vor ihm. Oder der Assistent, der ihm die Vorlesung schrieb (und den er an Kollegen zum Rasenmähen auslieh), hatte Byron schlicht vergessen. Ich vergesse unseren Lord natürlich nicht und habe heute ein Gedicht, das den Titel Abschied von England vor seiner Reise nach Lissabon hat:

Leb wohl! leb wohl! im blauen Meer
Verbleicht die Heimat dort.
Der Nachtwind seufzt, wir rudern schwer,
Scheu fliegt die Möwe fort.

Wir segeln jener Sonne zu,
Die untertaucht mit Pracht.
Leb wohl, du schöne Sonn, und du,
Mein Vaterland - gut Nacht!

Mit dir, mein Schiff, durchsegl ich frei
Das wilde Meergebraus.
Frag nicht, nach welchem Land es sei,
Nur trag mich nicht nach Haus!

Seid mir willkommen, Meer und Luft!
Und ist die Fahrt vollbracht,
Seid mir willkommen, Wald und Kluft!
Mein Vaterland - gut Nacht!

Der Übersetzer ist kein Geringerr als ↝Heinrich Heine, ein Dichter, der Byron verehrt hat: Während ich dieses schreibe erfahre ich daß mein Vetter, Lord Byron, zu Missolungi gestorben ist. So hat dieses große Herz aufgehört zu schlagen! Es war groß und ein Herz, kein kleines Eyerstöckchen von Gefühlen. Ja dieser Mann war groß, er hat im Schmerze neue Welten entdeckt, er hat den miserabelen Menschen und ihren noch miserableren Göttern prometheisch getrozt, der Ruhm seines Namens drang bis zu den Eisbergen Thules und bis in die brennenden Sandwüsten des Morgenlandes. take him all in all, he was a man. Wir werden sobald nicht mehr seines Gleichen sehen. Sie können mehr dazu in dem Post ↝Byron lesen. Allerdings findet sich bei Byron kein vierstrophisches Gedicht, das vom Abschied von England handelt. Woher hat Heine das?

Man muss da schon ein wenig suchen, und ein Puzzle zusammensetzen. Die Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung vom Jahre 1818 veröffentlichte ein Gedicht von Byron, das zehn Strophen hatte und mit folgenden Sätzen eingeleitet wurde: Unser Reisender – also nicht Held – an idle traveller würde ihn Yorik nennen – geht zu Schiffe. Die Sonne steigt nieder und er singt dem Vaterlande sein Abschiedslied, ein liebliches im ächt romantischen Tone gehaltenes Lied. Diese zehn Strophen waren nichts anderes als der Anfang von Byrons Childe ↝Harold's Pilgrimage. Heinrich Heine macht jetzt - frech oder genial - nichts anderes, als sich zwei Strophen herauszupicken und den Rest wegzulassen, ich habe diese beiden Strophen blau eingefärbt:

Adieu, adieu! my native shore
Fades o’er the waters blue;
The night-winds sigh, the breakers roar,
And shrieks the wild sea-mew.
Yon sun that sets upon the sea
We follow in his flight;
Farewell awhile to him and thee,
My Native Land—Good Night!

A few short hours, and he will rise
To give the morrow birth;
And I shall hail the main and skies,
But not my mother earth.
Deserted is my own good hall,
Its hearth is desolate;
Wild weeds are gathering on the wall,
My dog howls at the gate.

‘Come hither, hither, my little page:
Why dost thou weep and wail?
Or dost thou dread the billow’s rage,
Or tremble at the gale?
But dash the tear-drop from thine eye,
Our ship is swift and strong;
Our fleetest falcon scarce can fly
More merrily along.’

‘Let winds be shrill, let waves roll high,
I fear not wave nor wind;
Yet marvel not, Sir Childe, that I
Am sorrowful in mind;
For I have from my father gone,
A mother whom I love,
And have no friend, save these alone,
But thee—and One above.

‘My father blessed me fervently,
Yet did not much complain;
But sorely will my mother sigh
Till I come back again.’—
‘Enough, enough, my little lad!
Such tears become thine eye;
If I thy guileless bosom had,
Mine own would not be dry.

‘Come hither, hither, my staunch yeoman,
Why dost thou look so pale?
Or dost thou dread a French foeman,
Or shiver at the gale?’—
‘Deem’st thou I tremble for my life?
Sir Childe, I’m not so weak;
But thinking on an absent wife
Will blanch a faithful cheek.

‘My spouse and boys dwell near thy hall,
Along the bordering lake;
And when they on their father call,
What answer shall she make?’—
‘Enough, enough, my yeoman good,
Thy grief let none gainsay;
But I, who am of lighter mood,
Will laugh to flee away.’

For who would trust the seeming sighs
Of wife or paramour?
Fresh feeres will dry the bright blue eyes
We late saw streaming o’er.
For pleasures past I do not grieve,
Nor perils gathering near;
My greatest grief is that I leave
No thing that claims a tear.

And now I’m in the world alone,
Upon the wide, wide sea;
But why should I for others groan,
When none will sigh for me?
Perchance my dog will whine in vain
Till fed by stranger hands;
But long ere I come back again
He’d tear me where he stands.

With thee, my bark, I’ll swiftly go
Athwart the foaming brine;
Nor care what land thou bear’st me to,
So not again to mine.
Welcome, welcome, ye dark blue waves!
And when you fail my sight,
Welcome, ye deserts, and ye caves!
My Native Land—Good Night!

Aus alt mach neu, wir lassen den größten Teil weg, aber auch diese beiden Strophen, die Heine übersetzt, sind ein Stück Literatur.

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Ich bekam gerade als eine Art Kommentar dieses ↝BBC Video geschickt, in dem Philomena Cunk von einem romantischen Dichter namens Ron redet. Man muss das Gedicht des Professors, den sie interviewt, gesehen haben. Die Szene ist gleich am Angang.

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