Samstag, 1. April 2023

der schnellste Weg zur Hölle

John Wilmot, der zweite Earl of Rochester, ist kein Unbekannter in diesem Blog. Er wurde vor kurzem in dem Post the finest Woman of her Age erwähnt, und er ist auch in den Posts Stuarts, Erdogan und Observatorium zu finden. Er war ein adliger Wüstling, der sich selbst als The wildest and most fantastical odd man alive bezeichnet hat. Goethe hat über ihn gesagt: Ganze Bände könnte man zusammendrucken, welche als ein Kommentar zu jenem schrecklichen Texte gelten könnten. Der schreckliche Text ist Rochesters A Satyr against Reason and Mankind, der im Untertitel Written by a Person of HONOUR heißt. Allerdings ist honour kein Begriff, den man Rochester zuordnen würde. Er hat ungefähr hundert Gedichte geschrieben, die immer wieder Schriftsteller interessiert haben. Wie Goethe, der sogar einiges von Rochester auf englisch zitieren konnte. Graham Greene hat 1974 die Biographie Lord Rochester’s Monkey: Being the Life of John Wilmot, Second Earl of Rochester geschrieben. Die erschien umgehend in deutscher Übersetzung: Lord Rochesters Affe: Das ausschweifende Leben des genialen Trunkenbolds und Hurenhaus-Poeten zuerst bei Zsolnay (mit einigen Gedichten von Rochester) und dann bei Rowohlt als Taschenbuch. 

Wenn wir Rochester kennenlernen wollen, geht das am besten durch ein Gedicht wie diesem:

I‘ve outswilled Bacchus, sworn of my own make
Oath would fright Furies and make Pluto quake
I‘ve swived more whores more ways than Sodom‘ s walls
E ‘er knew, or the College of Rome‘s Cardinals,
Witness heroic scars – look here, ne‘er go! –
Cerecloths and ulcers from the top to toe ...

Pox on't, why do I speak of these poor things?
I have blasphemed my God and libeled Kings!
The readiest way to hell! Come quick!
Ne‘er stir:
The readiest way, my Lord, ‘s by Rochester.

In der Übersetzung von Christine Wunnicke liest sich das so:

Wie Bacchus soff ich, schrie Injurien
schlimmer als Pluto samt den Furien,
was ich mit Huren tat, wenn ichs erzähle,
erschreck ich Sodom und Roms Kardinäle,
die Narben sieh, die kühn mich übersäen,
Pflaster, Geschwür vom Kopf bis zu den Zehen...

Die Pocken über die Banalität!
Könige und Gott hab ich geschmäht!
Der schnellste Weg zur Hölle! Rasch!
Mein Herr,
der schnellste Weg führt über Rochester.


So findet sich das Gedicht in dem zweisprachigen Band Der beschädigte Wüstling: Satiren, Lieder und Briefe, den die Schriftstellerin und Übersetzerin Christine Wunnicke gemacht hat und mit einem Vorwort versehen hat. Das Buch erschien 2005 in einem etwas obskuren Verlag, der Männerschwarm heißt, 2008 übernahm dtv das Buch.

Wir sind im April, dem Poetry Month, ich hätte mir einen besseren Anfang denken können, Rochester ist nicht mein Lieblingsdichter. Er ist auch kein großer Dichter. Vor einem Vierteljahrhundert fand ich das Theaterstück The Libertine im Grabbelkasten eines Antiquariats. Ich hatte noch nie etwas von Stephen Jeffreys gehört, aber ich wusste: dieser Mann kann schreiben. Die Sunday Times hatte ihn schon 1977 ausgezeichnet, da studierte Stephen Jeffreys noch. Danach gab es Erfolge beim Edinburgh Fringe, aber der große Erfolg war dann 1994 das Theaterstück The Libertine, aufgeführt im Royal Court Theatre. Dies Theaterstück war auch die Basis für den gleichnamigen Film mit Johnny Depp und John Malkovich, deshalb hat es der Verlag auch in der Originalfassung von 1994 wieder aufgelegt. Kaufen Sie nicht den Film, kaufen Sie das Stück! Es ist wunderbar. Es spielt (in zwei Akten) in den Jahren 1675 und 1676 und hat John Wilmot, den zweiten Earl of Rochester als Hauptfigur. Freund von Charles II (der auch im Stück auftritt), Wüstling und Schriftsteller. Stephen Jeffreys lässt ihn jetzt auf der Bühne wieder lebendig werden. Am Ende seines ersten Monologs sagt er: I reiterate only for those who have arrived late or were buying oranges or were simply not listening: I am John Wilmot, Second Earl of Rochester and I do not want you to like me. Und am Ende fragt er uns Do you like me now? Do you like me now? Do you like me now? Wenn wir ihn nicht mögen, dieses hervorragende kleine Theaterstück müssen wir mögen.

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