Dienstag, 30. Januar 2024

Ian Fleming und kein Ende


From the moment of their birth at the beginning of the twentieth century, Ann and Laura Charteris were raised to be wives. Their only goal would be to marry well- Which they both did. Repeatedly. Bücher, die so anfangen, gefallen mir natürlich. Die beiden Charteris Schwestern heiraten sich durch die englische Aristokratie, am Ende des Heiratsmarathons hat die eine einen Journalisten, die andere einen Herzog. Der Journalist hat ein Strandhaus auf Jamaika, der Herzog ein Schloss namens Blenheim. Auf diesem Photo sehen wir Ann Charteris mit ihrem Journalisten auf Jamaika, den Mann kennen wir alle. Der Telegraph rezensierte das Buch Never Shaken, Never Stirred, das ich zu Weihnachten geschenkt bekam, mit der Überschrift The sisters who married half the aristocracy – and slept with the other half. Da weiß man doch alles über das Buch.

Der Ehemann von Ann heißt natürlich Ian Fleming, er wird die Winter immer auf Jamaika verbringen, wird dort dreizehn Romane schreiben, die ihn zum Millionär machen. Ann hatte den Redakteur der Sunday Times dazu gebracht, einen Roman oder irgendein Buch zu schreiben. Er schreibt Casino Royale in zwei Monaten to take my mind off other matters. Diese other matters sind: Ann ist schwanger. Ihr Ehemann Viscount Rothermere überlässt ihr nach der Scheidung immerhin £ 100,000, davon kann das Paar zehn Jahre leben. Das hier sind nicht James Bond und Honeychile Rider am Strand, das ist Ian Fleming mit Blanche Blackwell, der reichsten Frau von Jamaika. Während seine Ehefrau in London große Gesellschaften gibt und eine Affäre mit Hugh Gaitskell hat, ist Blanche an seiner Seite. Seine Geliebte, seine Muse. Die Vorlage für Pussy Galore und all die anderen Bond Girls. Ann Fleming hasste die Romane, die ihr Mann schrieb, sie hielt sie für pornography for the masses and the ill-educated. 

Nicolas Freeling, den das Times Literary Supplement als the educated man's Ian Fleming bezeichnete, hatte für seinen Kollegen nur das Bonmot übrig, die James Bond Romane seien a bit of elegant masturbation. Nach anfänglich guten Kritiken ging der Ruhm des Romanautors Ian Fleming schnell zu Ende. Neue Autoren wie Len Deighton und John le Carré zeigten, dass man dem Spionageroman qualitativ ganz andere Dimensionen abgewinnen konnte. Ich habe zu den Rezensionen hier einen langen Forschungsbericht eines Krimiautors namens Jeremy Duns, für den allerdings Fleming über alles geht. Er hat das, was er The Literary Assassination of Ian Fleming nennt, auch bei YouTube eingestellt. 

Die Vorwürfe von Kritikern, die Romane seien voller Sado-Maso Szenen, haben in den letzten Jahren eine erstaunliche Bestätigung gefunden, als Flemings Liebesbriefe an Ann 2009 in bei Sotheby's verkauft wurden. High society and sadism betitelte die Times ihren Bericht. Die Briefe sind voll von BDSM Anspielungen: I love whipping you & squeezing you & pulling your black hair, and then we are happy together & stick pins into each other & like each other & don’t behave too grownup, schreibt Ian Fleming. I loved cooking for you and sleeping beside you and being whipped by you and I don’t think I have ever loved like this before [. . .] I love being hurt by you and kissed afterwards, schreibt Ann. Christopher Hitchens hat Fleming quite a heavy sadist and narcissist and all-around repressed pervert genannt, soweit war Nicolas Freeling nicht gegangen.


Alles, was Christopher Reindorp über die Charteris Schwestern zu sagen hat, ist nicht wirklich ganz neu. Die Rezensionen des Buches waren gemischt. Reindorp has done a stellar job of balancing their privilege and pathos, konnte man in The Lady lesen. Lynnn Barber hatte dagegen im Telegraph eine entschieden andere Meinung: I’m not easily shocked but this book brought me out in a frenzy of disapproval. The drinking, the drugs, the neglect of children, the constant adultery! Laura and Ann always seemed to have at least one lover on the go, or several. Neither of them comes over as particularly likable, and although Ann was reputed to be a great wit, there is little evidence of it here. But then Reindorp as a biographer is not much given to wit: his style is often reminiscent of Wikipedia and he fails to convey what attracted him to Ann and Laura in the first place. So what I expected to be a jolly romp left a sour taste in the mouth. Wie heruntergekommen die englische Aristokratie und die englische feine Gesellschaft sind, wussten wir eigentlich schon. Wir brauchen uns da nur an die Profumo Affäre zu erinnern. Dazu könnten Sie jetzt noch einmal den schönen langen Post Christine Keeler lesen.

Ian Fleming und kein Ende. Dieser Blog ist voll von Posts über Fleming und seine Phantasiefigur James Bond. Was natürlich daran liegt, dass ich dem Thema in meiner Doktorarbeit zum englischen Spionageroman vor fünfzig Jahren ein Kapitel über Fleming gegönnt habe. Auch wenn seine literarischen Verdienste in dem Genre nicht so großartig sind, eine Variation der Basisformel, mehr nicht. Nicholas Shakespeare hat Ende des letzten Jahres eine neue Biographie über Fleming herausgebracht, über die die berühmte Antonia Fraser sagte: This is a marvellous book about Ian Fleming, but it’s also one of the most engaging portraits of a particular period of British history that I have read in a long time. Gegenüber dem 2014 erschienenen Buch Never Shaken, Never Stirred von Reindorp hat Ian Fleming: The Complete Man den Vorteil, dass der Autor wirklich schreiben kann. Wenn Sie ein Fan für Hörbücher sind, können Sie hier den ersten Teil hören. Aber muss das alles, was über Fleming gesagt wird, wirklich gesagt werden? Kann man ihn sechzig Jahre nach seinem Tod noch zu einem wirklich guten Schriftsteller aufwerten? Probably the fault about my books is that I don't take them seriously enough... you after all write 'novels of suspense' - if not sociological studies - whereas my books are straight pillow fantasies of the bang-bang, kiss-kiss variety, schrieb Fleming an Raymond Chandler. Das könnte uns doch genügen. Aber ein klein wenig Größenwahn ist schon in dem Mann.

In einem Artikel mit dem Titel How to Write a Thriller sprach Fleming ein Jahr vor seinem Tod nicht mehr von pillow fantasies of the bang-bang, kiss-kiss variety. Da konnte man lesen: I also feel that, while thrillers may not be Literature with a capital L, it is possible to write what I can best describe as 'Thrillers designed to be read as literature,' the practitioners of which have included such as Edgar Allan Poe, Dashiell Hammett, Raymond Chandler, Eric Ambler and Graham Greene. I see nothing shameful in aiming as high as these. Und in einem Interview für den Playboy (Dezember 1964) sagte er: But it’s true that I write below my ultimate capacity—or at least I think I probably do. If I really settled down and decided to write a 'War and Peace' among thrillers, if I shut myself up and decided to do this and nothing else, I dare say if I tried to do it in the modern vein I might conceivably succeed. Wirklich? Die Fragen bleiben. Als das Interview gedruckt wurde, war Fleming drei Monate tot.

Für Fleming Freunde habe ich hier zum Schluss noch etwas, nämlich eine zehn Jahre alte vierteilige BBC Serie Fleming: Der Mann, der Bond wurde (Originaltitel Fleming: The Man Who Would Be Bond). Die Serie spielt in den Jahren 1938 bis 1952, Flemings Tätigkeit für den Geheimdienst und auch seine Liebesabenteuer, alles ist da mit drin. Sie können den ersten Teil hier sehen. Da hat man alles aus den Fleming Biographien von John Pearson (1966) und Andrew Lycett (2013) herausgeholt, was man kriegen konnte. Bei Pearson, Flemings erstem Biographen (der sein Assistent bei der Sunday Times gewesen war), findet sich der schöne Satz: I remember an old girlfriend of Ian’s saying: ‘The trouble is, Ian was like one of Ibsen’s characters – he was always waiting for something wunderbar to happen. I think the Bond books are his dream autobiography.' Vielleicht war das wirklich so.

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