Donnerstag, 8. Juli 2010

Heinrich Heine


Oder soll ich nach Amerika, nach diesem ungeheuren Freiheitsgefängnis, wo die unsichtbaren Ketten mich noch schmerzlicher drücken würden als zu Hause die sichtbaren und wo der widerwärtigste aller Tyrannen, der Pöbel, seine rohe Herrschaft ausübt! Du weißt, wie ich über dieses gottverfluchte Land denke, das ich einst liebte, als ich es nicht kannte... Und doch muß ich es öffentlich loben und preisen, aus Metierpflicht... Ihr lieben deutschen Bauern! geht nach Amerika! dort gibt es weder Fürsten noch Adel, alle Menschen sind dort gleich, gleiche Flegel... mit Ausnahme freilich einiger Millionen, die eine schwarze oder braune Haut haben und wie die Hunde behandelt werden! Die eigentliche Sklaverei, die in den meisten nordamerikanischen Provinzen abgeschafft, empört mich nicht so sehr wie die Brutalität, womit dort die freien Schwarzen und die Mulatten behandelt werden. Wer auch nur im entferntesten Grade von einem Neger stammt und wenn auch nicht mehr in der Farbe, sondern nur in der Gesichtsbildung eine solche Abstammung verrät, muß die größten Kränkungen erdulden, Kränkungen, die uns in Europa fabelhaft dünken. Dabei machen diese Amerikaner großes Wesen von ihrem Christentum und sind die eifrigsten Kirchengänger. Solche Heuchelei haben sie von den Engländern gelernt, die ihnen übrigens ihre schlechtesten Eigenschaften zurückließen. Der weltliche Nutzen ist ihre eigentliche Religion, und das Geld ist ihr Gott, ihr einziger, allmächtiger Gott. Freilich, manches edle Herz mag dort im stillen die allgemeine Selbstsucht und Ungerechtigkeit bejammern. Will es aber gar dagegen ankämpfen, so harret seiner ein Märtyrtum, das alle europäische Begriffe übersteigt. Ich glaube, es war in New York, wo ein protestantischer Prediger über die Mißhandlung der farbigen Menschen so empört war, daß er, dem grausamen Vorurteil trotzend, seine eigene Tochter mit einem Neger verheuratete. Sobald diese wahrhaft christliche Tat bekannt wurde, stürmte das Volk nach dem Hause des Predigers, der nur durch die Flucht dem Tode entrann; aber das Haus ward demoliert, und die Tochter des Predigers, das arme Opfer, ward vom Pöbel ergriffen und mußte seine Wut entgelten. She was flinshed, d.h., sie ward splitternackt ausgekleidet, mit Teer bestrichen, in den aufgeschnittenen Federbetten herumgewälzt, in solcher anklebenden Federhülle durch die ganze Stadt geschleift und verhöhnt...
O Freiheit! du bist ein böser Traum!

Das schreibt Heinrich Heine auf Helgoland am 1. Juli 1830. Am Ende des Monats wird die Julirevolution in Paris sein Leben verändern. Wir können dem Text entnehmen, dass er Amerika nicht gemocht hat (die Engländer kommen in seinen Briefen aus Helgoland auch nicht gut weg). Ein Jahr später ist er in Paris, aber nach Deutschland wird er sich immer zurücksehnen, so wie in den beiden letzten Strophen von In der Fremde:

Ich hatte einst ein schönes Vaterland.
Der Eichenbaum
Wuchs dort so hoch, die Veilchen nickten sanft.
Es war ein Traum.

Das küßte mich auf deutsch, und sprach auf deutsch
(Man glaubt es kaum
Wie gut es klang) das Wort: „ich liebe dich!“
Es war ein Traum
.

An Amerika wird er nicht mehr denken. Aber in Amerika denkt man an ihn.

Das ist die Loreley beim Haarekämmen, die Statue eines Berliner Bildhauers, sie sollte zum hundertsten Geburtstag des Dichters in Düsseldorf aufgestellt werden. Da steht sie aber nicht. Wenn Sie genau hinschauen, können Sie an dem Gebäude im Hintergrund diese charakteristischen Feuertreppen sehen, die es in Amerika gibt. Dieses Heinrich Heine Denkmal wurde am 8. Juli 1899 in der Bronx (of all places) enthüllt. Zu Hause in dem schönen Vaterland, das zum Dichter im Traum ich liebe dich sagt, da herrschten damals antisemitische und deutschnationale Meinungen vor. Es gibt, und heute muss ich Wikipedia mal loben, dazu bei Wikipedia einen vorzüglichen Beitrag.

Die Kaiserin Elisabeth, die wir in der Version von Romy Schneider kennen, war eine Verehrerin von Heine. Sie stand als eine treibende Kraft hinter dem Heine Denkmal. Sie hat den dänischen Bildhauer Ludvig Hasselriis (der auch die Heine Büste geschaffen hat, die in Paris auf dem Friedhof Montmartre steht) mit der Schaffung einer Marmorskulptur beauftragt. Die fand ihren Platz im Garten ihres Schlosses in Korfu. Als Wilhelm II Sissis Schloss eines Tages übernommen hat, hat er als erstes die Marmorstatue des Schmutzfink im deutschen Dichterwald entfernen lassen. Der Sohn von Heines Verleger Julius Campe, Heinrich Julius Campe (der Heines Patensohn war), hat dem Kaiser die Statue für zehntausend Reichsmark abgekauft. Er wollte sie in Hamburg aufstellen lassen, aber das hat auch wie wie in Düsseldorf nur Ärger gegeben. Vielleicht hätte er sie in Helgoland aufstellen sollen. Max Brauer hat sie dann einmal in Donners Park in Altona aufgestellt, aber als die Nazis kamen, musste sie da wieder weg. Heinrich Julius Campes Tochter Olivia (die 1925 einen Franzosen namens Edmond Bouchard geheiratet hatte) hat den sitzenden Heine dann mit nach Frankreich genommen. Aber da konnte er auch nicht aufgestellt werden, weil die Nazis inzwischen auch in Frankreich waren. So blieb er erst einmal in der Kiste. Aber 1956, zum hundertsten Todestag, da hat man ihn wieder aufgestellt. Seit 1962 hat sich Christian Quadflieg bemüht, das Heine Denkmal wieder nach Hamburg zu bekommen, aber daraus ist bisher nichts geworden. Und so bleibt vielleicht für dieses Denkmal nur das kleine Heine Gedicht:

Wo wird einst des Wandermüden
Letzte Ruhestätte sein ?
Unter Palmen in dem Süden?
Unter Linden an dem Rhein ?

Werd ich wo in einer Wüste
Eingescharrt von fremder Hand ?
Oder ruh ich an der Küste
eines Meeres in dem Sand ?

Immerhin mich wird umgeben
Gottes Himmel, dort wie hier,
Und als Totenlampen schweben
Nachts die Sterne über mir.















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