Freitag, 18. Februar 2011

Plagiat


Also, in diesem Blog ist alles echt. Das Alles nur geklaut, das die Prinzen singen, gilt hier nicht. Dies ist alles original Jay©, und wenn ich einmal etwas zitiere, dann mache ich das deutlich. Aber der Doktor von und zu Guttenberg, der ist jetzt in Schwierigkeiten. In der Diss. klauen, wow! Wo er doch die Bestnote summa cum laude in Bayreuth bekommen hat, was inzwischen Fachleuten als mehr als schmeichelhaft erscheint. Vielleicht hätte die Juristische Fakultät Herrn von und zu Guttenberg doch lieber eine gefälschte Rolex statt eines echten Doktortitels überreichen sollen.

Die Dissertation muss eine selbständige wissenschaftliche Leistung darstellen und zur Lösung wissenschaftlicher Fragen beitragen. Sie soll zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen führen steht im Paragraphen 7 (1) der Promotionsordnung der Universität Bayreuth. Sollte der cand.jur. Guttenberg das damals überlesen haben, als er mit dem copy & paste Verfahren sein Machwerk mit den 1.200 Fußnoten zusammengeschustert hat? Hätte er nur Sun Tsu über die Kriegskunst gelesen: Ein Meister der Kriegsführung ist immer durchtrieben und geheimnisvoll, er hinterlässt keine Spur. Und die haben da in Bayreuth auch noch den Paragraphen 16 (2): Wird die Täuschung erst nach Aushändigung der Urkunde bekannt, so kann nachträglich die Doktorprüfung für nicht bestanden erklärt werden. Die Entscheidung trifft die Promotionskommission. Den wird der inzwischen gelesen haben. Inzwischen hat er eingeräumt, dass er bei einer zweiten Auflage (ja, das Werk wird noch ein Bestseller) die 1.200 Fußnoten (das sind ja die schlimmsten Elaborate, die durch die Zahl der Fußnoten Wissenschaftlichkeit vortäuschen wollen) überarbeiten will. Die Überarbeitung wird ihm leichtfallen, inzwischen sammelt schon die ganze Republik auf einer Internetseite mit dem schönen Namen GuttenPlagWiki die inkriminierenden Stellen. Dies ist schon die zweite Website, die erste war nach dem Ansturm der Besucher zusammengebrochen. Mich würde jetzt die juristische Frage interessieren, ob Guttenberg, wenn man ihm den Doktortitel aberkennt, diejenigen, die ihm das Ganze geschrieben haben, auf Schadenersatz verklagen kann.

Das mit dem Abschreiben machen ja viele so, vor allem Juristen, die haben ein anderes Rechtsbewusstsein. Wenige werden erwischt. Viele Juristen und Mediziner schreiben das auch nicht selbst, es gibt inzwischen Fabriken für so etwas. Da schickt man das Thema und einen Scheck hin und kriegt dann Monate später die Arbeit auf dem USB Stick geliefert. Sollte man selbst noch ein wenig stilistisch überarbeiten. Da muss man dann nur beim feierlichen Schwur Ich verpflichte mich, den akademischen Grad, den mir die Fakultät verleihen wird, in Ehren zu halten und nach besten Wissen und Gewissen die Wahrheit zu suchen und zu bekennen die Finger hinter dem Rücken gekreuzt halten.

Wissenschaft das ist und bleibt, was einer ab vom andern schreibt. Ja. Aber wenn man Gedanken, Formulierungen und Zitate einem anderen verdankt, dann muss man das kenntlich machen. Das ist ein Grundprinzip der Wissenschaft. In der schönen Literatur ist das ein wenig anders. Die ganze europäische Literatur ist eigentlich nichts als ein beständiger Diebstahl wie der holländische Germanist Herman Meyer in seinem Buch Das Zitat in der Erzählkunst gezeigt hat. Und der Nobelpreisträger T.S. Eliot hat es ganz trocken formuliert: immature poets imitate, mature poets steal. Das schönste Beispiel in der Literatur ist jener indische Schreiberling, der einen Roman von Graham Greene ins Indische übersetzt hatte und danach Graham Greene verklagte, dass er ihm seinen Roman gestohlen hätte.

Whose bright idea was it anyway? betitelte der Observer vor Jahrzehnten eine Geschichte, in der eine Examenskandidatin erzählte, wie ihr ihr Dozent ihre Arbeit gestohlen hat. Mir hat einmal an einem Montagmorgen die wissenschaftliche Hilfskraft aus unserer Bibliothek erzählt, dass sie am Sonntag das Freilichtmuseum Molfsee bei Kiel ein Buch gekauft hätte. Um dann zu Hause bei der Lektüre festzustellen, dass das dritte Kapitel des Buches eine Hauptseminararbeit war, die sie bei dem Autor (ihrem Geschichtsprofessor) geschrieben hatte. Natürlich wurde ihr Name in dem ganzen Buch kein einziges Mal erwähnt. Was solle sie nun tun? Rechtsanwalt nehmen und die Tantiemen einklagen, war meine Antwort. Aber das wollte sie nicht, sie wollte bei dem Professor noch Examen machen. Da fangen die Probleme an, und die Betrüger, die man eigentlich teeren und federn sollte, kommen immer davon. Ich habe die Geschichte damals mit voller Namensnennung jedem erzählt, der sie hören wollte und so zum Ruf des Herrn ein wenig beigetragen. Diese Geschichten verbreiten sich in der academia ja erstaunlich schnell.

Sie sind auch schon Teil der Literatur. In David Lodges Roman Small World hat der kleine irische Lektor Persse McGarrigle eine Arbeit bei einer Redaktion eingereicht, die aber nie im Druck erscheint. Aber eines Tages muss Persse auf einer Konferenz hören, dass der deutsche Professor Siegfried von Turpitz sein Paper vorträgt. Da haben wir's wieder, ist sogar schon in der Welt des Romans bekannt: deutsch, adlig, Betrüger. Das Fälschen und Betrügen ist heute mit dem Internet leicht geworden, wo man alles herunterladen kann. Die meisten Arbeiten sind auch danach, die Forschung fängt heute mit Google an und hört mit Wikipedia auf. Schon der Amerikaner Wilson Mizner wußte Copy from one, it's plagiarism; copy from two, it's research. Neben der etwas einfallslosen copy&paste Totalkopie gibt es die schon etwas gehobenere copy&paste-Teilkopie (Cuvée) Variante, im Augenblick ist die shake&paste Methode sehr gefragt.

Irgendwann stellten die ersten amerikanischen Universitäten ihren Dozenten Computerprogramme zur Verfügung, die erkennen konnten, welche Teile aus dem Internet stammten. Die natürlich auch schnell in Studentenhände gerieten. Woraus das Ganze geradezu zu einem Sport für Studis wurde. Ich empfehle folgende Schritte: Kopieren Sie sich einen Text aus dem Internet und testen Sie, ob das Plagiatserkennungsprogramm ihn erkennt. Wenn ja, übersetzen Sie ihn mit einem Übersetzungsprogramm zuerst ins Serbokroatische, dann ins Dänische und dann zurück ins Deutsche. Kennt es jetzt den Text immer noch? Wenn nein, muss man nur noch den Text, der durch die Übersetzungen entstellt wurde, syntaktisch etwas glätten. Und einzelne Passagen umstellen, damit sie nicht die gleiche Gesamtstruktur haben wie das Original.

Falls Sie alles über das wissenschaftliche Plagiat wissen wollen und drei Stunden Zeit haben sollten, dann arbeiten Sie sich doch einmal durch diese 69 Seiten hindurch. In mehreren Jahrzehnten an einer deutschen Uni ist mir eigentlich nichts Menschliches fremd geblieben. Sätze wie Sie können es nicht wissen, aber ich aber ein eidetisches Gedächtnis. Es könnte sein, dass ich einmal kurz zu meinem Nebenmann geschaut habe, in dem Augenblick muss sich seine ganze Klausur in meinem Gedächtnis eingebrannt haben, haben mich immer wieder gerührt. Aber eine Geschichte muss ich doch noch zum Besten geben: Ich hatte eine Proseminarbeit auf dem Tisch, an der mir irgendetwas suspekt erschien. Das Ganze war flott geschrieben, ein wenig zu flott, aber sachlich war alles richtig. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass ich das schon einmal gelesen hatte. Ich legte die Arbeit erst einmal zur Seite. Nahm sie eine Woche später wieder in die Hand, dieses unbestimmte Gefühl blieb. Und dann hatte ich eines Tages eine Eingebung. Ich nahm ein Buch aus dem Regal, das ich vor Jahrzehnten selbst geschrieben hatte. Und da stand es. Das war mein eigener Text! Manchmal ein wenig syntaktisch verändert, manchmal ein Wort ausgetauscht. Aber welche Chuzpe! Oder war es nur Dummheit? Die gleichen Fragen muss sich der Baron von und zu Guttenberg jetzt auch stellen lassen.

Aber vielleicht gehen ja auch Adel und Jurisprudenz einfach nicht zusammen. Ich hätte da noch eine kleine Geschichte aus Berlin, sie ist schon einige Jahrzehnte alt. Sie ist aber, so komisch sie klingt, völlig wahr. Zu Beginn des Semesters gibt der Juraprofessor, ein renommierter Mann, in seiner Vorlesung völlig ungewohnt eine persönliche Erklärung ab. Die ungefähr so klang: Meine Damen und Herren, Sie wissen, ich korrigiere die Klausuren nicht selbst. Das tun meine Assistenten. Aber meine Assistenten legen mir immer einen Querschnitt der Klausuren vor, den ich mir dann sehr genau anschaue. Und dieses Mal musste ich bei den schlechten Klausuren eine lesen, die so schlecht war, dass ich so etwas noch nie in meiner Karriere gelesen hatte. Und der dann hat der Verfasser noch nicht mal den Mut, seinen Namen darunter zu schreiben sondern signiert das Machwerk mit von Preußen. Es herrschte eine peinliche Stille im Auditorium. Peinlich auch deshalb, weil der Professor eins nicht begriffen hatte: das von Preußen war kein Ulk, sondern der Name des Studenten. Aber, das müssen wir zu dessen Ehrenrettung sagen: ein so schlechter Student dieser Preußenprinz war, er hat im Gegensatz zu dem bayrischen Baron nicht geschummelt und nicht betrogen.

Das Buch von Karl-Theodor Frhr. zu Guttenberg, Verfassung und Verfassungsvertrag: Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU ist vor zwei Jahren bei Duncker & Humblot in Berlin erschienen und kostet 88€. Die Essays von Michel de Montaigne kosten nur 77€, und für die 88€ bekommt man auch schon antiquarisch eine Gesamtausgabe von Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Für den Schnäppchenpreis von 19,95€ ist dagegen Anna von Bayerns Buch Karl-Theodor zu Guttenberg. Aristokrat, Politstar, Minister erhältlich. Frau von Bayern ist eine Freundin des Ministers und arbeitet sonst für die Bild Zeitung. Die FAZ zeigte sich von diesem Machwerk aus aristokratischer Feder leicht angeekelt.

1 Kommentar:

  1. Oh, ich hätte mich beim Lesen der FAZ gern auch ein wenig angeekelt gezeigt, jedoch will der Link wohl nicht mehr.

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