Was auf den ersten Augenblick wie eine ideale Landschaft aussieht, ist bei genauerem Hinschauen ein Schreckensszenario. Im fahlen unwirklichen Licht, unter zuckenden Blitzen, fliehen Menschen. Ein Löwe fällt einen Reiter an, eine Frau stürzt auf einen männlichen Leichnam zu. Und unheimlich ruhig liegt ein See mit einer spiegelglatten Oberfläche da. Ein rätselhaftes Bild, das Nicolas Poussin 1651 gemalt hat. Es heißt Gewitterlandschaft mit Pyramus und Thisbe, das Bild hängt heute im Städel in Frankfurt.
Ursprünglich war es nur eine Landschaft mit Gewittersturm, bevor der Künstler noch (sozusagen in letzter Minute) die tragische Geschichte von Pyramus und Thisbe auf die Leinwand brachte. Schließlich war das Bild für den Gelehrten Cassiano dal Pozzo (einen seiner Mäzene) gemalt, da mussten schon Bildungsanspielungen mit in die Landschaft. Wenn man ein "klassischer" Maler ist, wird die Natur nicht gemalt wie sie ist, sondern wie sie sein soll.
Eigentlich kommt in der Geschichte von Pyramus und Thisbe bei Ovid kein Gewitter vor. Das Gewitter als Motiv ist eine Zutat des französischen Dramatikers Théophile de Viau. Sein Theaterstück Les Amours tragiques de Pyrame et Thisbé war eins der erfolgreichsten Stücke des 17. Jahrhunderts, sehr wahrscheinlich hat Poussin es gekannt.
Dieux ! mon âme en est effarouchée.
J'ai vu tout au travers d'un bandeau du sommeil,
Au milieu d'un désert l'éclipse du soleil ;
C'est le premier objet de la funeste image
Qui marque à mon destin un assuré dommage.
En cette nuit épaisse où par tout l'univers
Les objets demeuraient également couverts,
J'ai senti sous mes pieds ouvrir un peu la terre
Et de là sourdement bruire aussi le tonnerre ;
Un grand vol de corbeaux sur moi s'est assemblé,
La lune est dévalée, et le ciel a tremblé ;
L'air s'est couvert d'orages, et, dans cette tempête,
Quelques gouttes de sang m'ont tombé sur la tête ;
Un lion, l'oeil ardent et le crin hérissé,
Dessus son large col hideusement pressé,
Rugissant sans me voir auprès de la caverne,
A fait autour de moi deux ou trois fois un cerne ;
Certains cris souterrains rompus par des sanglots,
Comme un mugissement de rivae et de flots,
Au travers le silence et l'horreur des ténèbres
M'ont transpercé le coeur de leurs accents funèbres.
Alle Figuren, die man sieht, spielen ihre Rolle gemäß dem Wetter, schrieb Poussin an einen Malerfreund, dem er das Bild beschrieb. In dem Bild hatte er versucht, einen Gewittersturm auf der Erde darzustellen, indem ich nach besten Gewissen und Können die Wirkung des ungestümen Windes nachahmte, ferner die von Finsternis erfüllte Atmosphäre. Das Bild ist auch eine Herausforderung an die Malerei. Erst Apelles, hat Plinius gesagt, malte, was nicht zu malen möglich war: Donnerschläge, Wetterleuchten und Blitze. Nun ist von Apelles kein einziges Werk erhalten, man muss Plinius glauben, dass der griechische Maler das alles konnte.
Aber Poussin, der kann es, er macht in diesem vieldeutigen Werk vielleicht auch einen Kommentar zu den Zeitläuften. Häufig finden sich in dieser Zeit Tragödien in seinen Ideallandschaften. So idyllisch zum Beispiel diese Szene mit Orpheus und Eurydike auf den ersten Blick ist, im Hintergrund brennt völlig unerklärlich eine Burg (die der Engelsburg ähnelt). Weit und breit sind keine Blitze zu sehen, die die Ursache sein könnten. Und vorne, an der Grenze von Hell und Dunkel (wobei das Dunkel vielleicht schon den zukünftigen Aufenthaltsort von Eurydike andeutet) hat sich gerade noch eine Tragödie abgespielt, die noch niemand von den Beteiligten bemerkt hat. Orpheus singt fröhlich weiter, während Eurydike den tödlichen Biss von der Schlange erhalten hat. Aber in diesem Bild ist die Tragödie nicht durch die entfesselten Naturgewalten orchestriert. Es ist sicherlich kein Zufall, dass Poussin ein Bild mit dem Titel Et in Arcadia ego gemalt hat.Eigentlich kommt in der Geschichte von Pyramus und Thisbe bei Ovid kein Gewitter vor. Das Gewitter als Motiv ist eine Zutat des französischen Dramatikers Théophile de Viau. Sein Theaterstück Les Amours tragiques de Pyrame et Thisbé war eins der erfolgreichsten Stücke des 17. Jahrhunderts, sehr wahrscheinlich hat Poussin es gekannt.
Dieux ! mon âme en est effarouchée.
J'ai vu tout au travers d'un bandeau du sommeil,
Au milieu d'un désert l'éclipse du soleil ;
C'est le premier objet de la funeste image
Qui marque à mon destin un assuré dommage.
En cette nuit épaisse où par tout l'univers
Les objets demeuraient également couverts,
J'ai senti sous mes pieds ouvrir un peu la terre
Et de là sourdement bruire aussi le tonnerre ;
Un grand vol de corbeaux sur moi s'est assemblé,
La lune est dévalée, et le ciel a tremblé ;
L'air s'est couvert d'orages, et, dans cette tempête,
Quelques gouttes de sang m'ont tombé sur la tête ;
Un lion, l'oeil ardent et le crin hérissé,
Dessus son large col hideusement pressé,
Rugissant sans me voir auprès de la caverne,
A fait autour de moi deux ou trois fois un cerne ;
Certains cris souterrains rompus par des sanglots,
Comme un mugissement de rivae et de flots,
Au travers le silence et l'horreur des ténèbres
M'ont transpercé le coeur de leurs accents funèbres.
Alle Figuren, die man sieht, spielen ihre Rolle gemäß dem Wetter, schrieb Poussin an einen Malerfreund, dem er das Bild beschrieb. In dem Bild hatte er versucht, einen Gewittersturm auf der Erde darzustellen, indem ich nach besten Gewissen und Können die Wirkung des ungestümen Windes nachahmte, ferner die von Finsternis erfüllte Atmosphäre. Das Bild ist auch eine Herausforderung an die Malerei. Erst Apelles, hat Plinius gesagt, malte, was nicht zu malen möglich war: Donnerschläge, Wetterleuchten und Blitze. Nun ist von Apelles kein einziges Werk erhalten, man muss Plinius glauben, dass der griechische Maler das alles konnte.
Dieses Bild eines Sturmes ist ziemlich gleichzeitig mit der Gewitterlandschaft mit Pyramus und Thisbe gemalt, in diesen Jahren um 1650 ist viel Sturm und viel Unglück auf den Bildern von Poussin. Das Bild, das im Besitz des Musée des Beaux-Arts von Rouen ist, wirkt beinahe - ähnlich wie die Gewitterlandschaft mit Pyramus und Thisbe als wolle Poussin die Malerei der Romantik vorwegnehmen. Auch sein Schwager Gaspar Dughet (der sich später Gaspar Poussin nennen wird) fängt jetzt an, Gewitterstürme zu malen, vielleicht hat er sogar Poussin beeinflusst.
Gewitter erschrecken heute niemanden mehr, außer kleine Kinder und große Bobtails. Die Geheimnisse von Donner und Blitz sind längst erklärt, aber im 17. Jahrhundert haben die Naturkräfte noch ihren Schrecken. Weil sie als Strafe Gottes verstanden werden. Dagegen helfen nur Gebete oder das Geistliche Donner- und Wetter-Büchlein von Bonifacius Stöltzlin.
Ein Jahr nach dem Ende des dreißigjährigen Krieges hatte Poussin geschrieben: Wir erhalten hier sehr befremdliche Nachrichten aus England. Neuigkeiten aus Neapel gibt es auch. In Polen geht alles drunter und drüber. Wolle Gott durch seine Gnade unser Frankreich bewahren vor dem, was ihm droht. Wie unser Befinden hier ist, weiß nur Gott. Aber dann fährt er optimistisch fort: Dennoch ist es ein großes Vergnügen, in einem Jahrhundert zu leben, in dem große Dinge geschehen, vorausgesetzt daß man sich in einen kleinen geschützten Winkel setzen und die Komödie bequem verfolgen kann. So lange man nicht vom Blitz erschlagen wird. Oder von Schlangen gebissen (unten) und von Löwen angefallen wird. Sein kleiner geschützter Winkel ist Rom, doch das, was seiner Heimat Frankreich droht, sind bürgerkriegsähnliche Zustände, für die die Geschichte den Sammelbegriff Fronde gefunden hat. Poussins eigener Kommentar zur Politik sind jetzt seine Gewitterbilder.
Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch (ob sie in Griechenland Hölderlin kennen?). Das Bild mit dem Titel L'Orage in Rouen ist nicht als Einzelbild geplant, es gibt ein pastorales Pendant dazu, das Paysage par temps calme (Abbildung einen Absatz weiter oben) heißt und heute dem Getty Museum in Kalifornien gehört. Es hängt da noch nicht so lange in Los Angeles, man hat es erst 1997 (für wahrscheinlich 26 Millionen Dollar) gekauft. Zuvor hing es in Sudeley Castle. Da hatte man aber erst in den siebziger Jahren (als man begann, das Schloss zur Touristenattraktion umzubauen) begriffen, dass man hier einen echten Poussin an der Wand hatte. Die Familie braucht anscheinend ständig Geld. Henry Dent-Brocklehurst (Patenkind von Camilla Parker Bowles) wird in der englischen Presse als millionaire und socialite bezeichnet, und in der Welt der Schönen und Reichen läuft keine Party ohne ihn. Seine Freundin Liz Hurley hat in seinem Schloss geheiratet. Ich glaube, die Millionen, die er jetzt verjuxt, sind das Geld aus dem Poussin Verkauf. Aber so glücklich wird man in Sudeley Castle nicht, die Familie will (oder muss) da sogar ausziehen. Wahrscheinlich können sie es nicht ertragen, dass die letzte Gattin von Henry VIII Catherine Parr da als Geist spukt. Das ist die Strafe dafür, wenn man einen Poussin verkauft, der Paysage par temps calme heißt.
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