Donnerstag, 1. Dezember 2011

Playboy


Heute vor 58 Jahren erschien in Amerika der erste Playboy. Das war jetzt nicht mehr das Automobil für die Dame aus den zwanziger Jahren, der Jordan Playboy, mit dem der Produzent Ed Jordan so großen Erfolg hatte. Das war ein Magazin für Männer, Entertainment for Men hieß der Untertitel. In der Mitte gab es, mit Heftklammern gehalten, ein Playmate of the Month, das irgendwie wie ein rosa Marzipanschweinchen aussah. Im Dezemberheft 1953 gab es das aber noch nicht, die Playmates kamen erst ab dem Januar 1954. Dafür bekam man aber im Dezember 1953 für 50 cent Marilyn Monroe auf dem Titelblatt.

Der Herausgeber Hugh Hefner gab seinem Magazin keine großen Chancen, deshalb wurde gar nicht erst eine Heftnummer aufgedruckt. Die erste Nummer hätte schon die letzte sein können. Ähnliches hatte sich auch schon Arnold Gingrich gedacht, als er mitten in der Great Depression die Zeitschrift Esquire gründete. Da waren natürlich keine nackten rosigen Marzipanschweinchen drin sondern elegante Mode und richtig gute Literatur von Gingrichs Freunden Hemingway und Fitzgerald. Aber ein klein wenig Pin-Up sollte bei Esquire auch sein, und so tauchte etwa in der Zeit des Kriegsanfangs das Petty Girl auf. Benannt nach dem Zeichner George Petty wurde es ungeheuer populär, es wanderte als Pin-Up in die Spinde der Soldaten und als nose art auf die Kampfflugzeuge. Das Petty Girl bekam 1940 Konkurrenz durch das von Alberto Vargas entworfene Varga Girl. Heute gilt das alles schon als richtige Kunst.

Als Alberto Vargas 1946 den Esquire verließ, erfand man in der Tradition von Petty und Vargas das Esquire Girl. Und auch die Pin-Up Photographie drang in das Magazin ein. Zuerst von unbekannten Photographen, später von dem Glamour Photographen Hollywoods George Hurrell (wie dieses Bild von Jane Russell). Aber als der Playboy das Feld der Pin-Up Photographie belegte, gab man diese Photographien bei Esquire auf. Die Photostrecke von Hollywood Schönheiten von Bert Stern (der ja auch Marilyn Monroe für Vogue photographiert hatte) im Oktoberheft 1958 blieb eine Ausnahme.

So etwas Ähnliches wie der Esquire schwebte Hugh Hefner auch vor. Das Magazin kannte er gut, weil er bis 1952 für Esquire gearbeitet hatte. Nach seinem Konzept sollte sein Magazin welcome by that select group of urbane fellows who were less concerned with hunting, fishing and climbing mountains than with good food, drink, proper dress, and the pleasure of female company sein. Da konnte sich ja beinahe jeder männliche amerikanische Leser wiederfinden. Auch wenn vom ersten Heft nur einige tausend Exemplare (die heute natürlich Sammlerstücke sind) verkauft wurden, Hugh Hefner hatte seine Nische im American Way of Life gefunden. Den wirklichen Stil besaß Hefners Magazin noch nicht, denn verglichen mit einem Dandy wie Arnold Gingrich war Hefner ein Proll. Aber er wusste sich zu helfen und machte 1965 Auguste Comte Spectorsky zu seinem Stellvertreter. Der aus einer russischen Adelsfamilie stammende Spectorsky (der auch für den New Yorker schrieb) brachte dank seiner Beziehungen zur Ostküsten Society eine neue Klasse in den Playboy. Und er schenkte seinem Chef ein Türschild für die neue Villa, auf dem Si Non Oscillas, Noli Tintinnare stand. Was so viel heißen sollte wie: Kannst Du nicht swingen, sollst Du nicht klingeln.

Wenn Hefner auch mit Esquire im Bezug auf das intellektuelle Niveau zuerst nicht konkurrieren konnte, ist die Liste der Autoren, die er für den Playboy gewann (von Ian Fleming bis P.G. Wodehouse) doch erstaunlich. Vor allem, als er in den sechziger Jahren Robie Macauley zum Literaturredakteur machte. Damals schrieb beinahe jeder für den Playboy: Saul Bellow, John Cheever, Michael Crichton, James Dickey, J. P. Donleavy, Nadine Gordimer, John Irving, Arthur Koestler, John Le Carré, Doris Lessing, Bernard Malamud, Vladimir Nabokov. Joyce Carol Oates, Sean O'Faolain, Anne Sexton, Irwin Shaw, Jean Shepherd, Isaac Bashevis Singer, John Updike, Kurt Vonnegut. Das lag natürlich auch daran, weil der Playboy höhere Honorare zahlte als andere Magazine.

Einer der besten Einfälle der Redaktion war das Playboy Interview, bei dem es dem Magazin gelang, wirklich interessante Gespräche mit Prominenten aus Politik, Kultur und Pop Culture zu führen. Nehru war da, Jimmy Carter auch. Marshall McLuhan durfte natürlich nicht fehlen, und selbst den pressescheuen Bob Dylan lockte man vor die Mikrophone. Manche der Interviews wurden von Prominenten geführt, so interviewte zum Beispiel Alex Haley Malcolm X und Martin Luther King. Das war die große Zeit des Magazins, interessante Interviews, ein hervorragender Literaturteil (dank Robie Macauley), gute Cartoons (von Leuten wie Jules Feiffer, Shel Silverstein und anderen) - die ausklappbaren nackten Mädels spielten nur noch eine Nebenrolle. Wenn man eine Kulturgeschichte der sechziger Jahre in Amerika schreiben wollte, dürfte der Playboy darin nicht fehlen. Das ist heute wohl unstrittig. Als vor 35 Jahren ein junger Professor (nicht ich) das gleiche sagte und der Universitätsbibliothek ein Playboy Abonnement vorschlug, wurde er ausgelacht.

Was einst eine Zeitschrift war, die in der puritanischen Prüderie der fifties entstand und die in den wilden sixties aufblühte, ist ein ganzes Emporium geworden, das aber auch schon seit den seventies wieder im Untergang befindlich ist. Die Konkurrenz ist größer geworden, da braucht man sich nur diese Liste anzuschauen. Doch Hugh Hefner läuft noch immer in Schlafanzug und seidenem Morgenmantel herum, die blonden Bunnies an seiner Seite werden immer jünger. Wir beenden diesen kleinen Abgesang auf den Playboy mal mit einem wirklich hübschen Gedicht der kanadischen Dichterin Lynn Crosbie. Es heißt Carrie Leigh’s Hugh Hefner Haikus. Carrie Leigh war fünf Jahre Hefners Freundin gewesen, mit vierundzwanzig war sie ihm zu alt geworden. Sie verklagte ihn erst auf fünf Millionen Dollar, dann auf 35 Millionen. Ist damit aber nicht erfolgreich gewesen.

Hef brings me flowers
tiger lilies, ochre veined
downcast, sleek black cups


small shadows, are the
puckers in his pyjamas
where his skin caves in


tired profligate, I
sigh and pour the oil along
your circular sheets


thinking of all the
times, or women on this bed
glossy old bunnies


I imagine their
breasts, plate of fried eggs, a row
of tonsured monks’ heads

his tongue slithers, gaunt
voluptuary, ugly
old man, my eyes close

when I roll his name
Ner. along my tongue, like the
line of cold test tubes

thin bottled semen,
he wants to plant it, deeply
in my flat belly

Hugh junior, and, or
Carietta, a child is
packed in dry blue ice

in silk pyjamas
they have an emperor’s crest
it is dark in there

but it’s cold as
the green jacuzzi, bubbles
are clouds on its face

I will crush the glass
with the fingers in his back
and pile on my rings

and all the fur coats
and move down the circular
stairs, bloated with gold

the flowers are a
venus-flytrap, with red curls
flames and noxious breath

his betrayal gives
me granite fists, girls scatter
movie stars crumple

as I run away,
from the gaudy prison cell,
of tinsel and skin

I’ll sue him and write
and build a home, in the
desert, on the sun

a sequined empress,
a mirage—in loungewear and
harlequin glasses



Lynn Crosbie, “Carrie Leigh’s Hugh Hefner Haikus” in: Miss Pamela’s Mercy (Toronto: Coach House Press, 1992): 71-73. © Lynn Crosbie

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