Sonntag, 7. April 2019

Rilke und ich


Als ich an der Uni aufhörte, wusste ich nicht so genau, was ich jetzt machen würde. Aber ich wusste ganz genau, was ich nicht mehr machen würde: keine Vorträge mehr, keine akademischen Publikationen, keine Zusammenarbeit mit Verlagen mehr. Ich habe mich daran gehalten. Bis zu dem Augenblick, da ein kleiner Verlag, dessen Lektor etwas von mir gelesen hatte, mir die Mitarbeit an einem Sammelband zum Thema Worpswede anbot. Ich fühlte mich geschmeichelt, wollte aber eigentlich ablehnen. Schaute dann in das geplante Inhaltsverzeichnis und entdeckte Rilke. Unterschrieb sofort den Vertrag, wann kriege ich so etwas, Rilke und ich in einem Buch? Rainer Maria Rilke gehört nicht zu meinen Lieblingsautoren, ich habe bei jeder sich bietenden Gelegenheit (zum Beispiel hier) kleine Gehässigkeiten über ihn gesagt. Aber ein Snob, ein Schnorrer und ein notgeiler Schürzenjäger, wie Klaus Modick es formulierte, das habe ich nicht gesagt.

Ich habe seine Werke, besitze von einem Titel sogar eine Erstausgabe. Ich habe Donald A. Praters Biographie gelesen, kenne auch mehrere Rilke Gedichte auswendig, aber letztlich mag ich ihn nicht. Doch viele meiner Leser mögen ihn, und für die habe ich heute ein schönes Aprilgedicht. Ganz ohne Schmäh. Es  heißt Aus einem April und stammt aus dem Buch der Bilder

Wieder duftet der Wald.
Es heben die schwebenden Lerchen
mit sich den Himmel empor, der unseren Schultern
schwer war;
zwar sah man noch durch die Äste den Tag, wie er
leer war, –
aber nach langen, regnenden Nachmittagen
kommen die goldübersonnten
neueren Stunden,
vor denen flüchtend an fernen Häuserfronten
alle die wunden
Fenster furchtsam mit Flügeln schlagen.

Dann wird es still. Sogar der Regen geht leiser
über der Steine ruhig dunkelnden Glanz.
Alle Geräusche ducken sich ganz
in die glänzenden Knospen der Reiser.

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