Montag, 7. Mai 2018
Heinrich Ehmsen
Der Maler Heinrich Ehmsen, der in Kiel geboren wurde, ist am 6. Mai 1964 in Berlin (Ost) gestorben. In seiner Geburtsstadt hat man in der Heinrich Ehmsen Stiftung (↝Stadtgalerie Kiel) noch viele Bilder von ihm, und ich bin auch einmal in einer Ehmsen Ausstellung gewesen, weiß aber nicht, wo ich den Katalog hingepackt habe. Es ist keine Ruhe in seinen Bildern, viele Bilder - wie diese Soldaten, die an einer Gasvergiftung gestorben sind - handeln vom Krieg oder von den Münchener ↝Straßenkämpfen (das Thema hat er in zwanzig Gemälden und etwa hundert Zeichnungen oder Grafiken behandelt). Dies Bild hängt in Moskau, in der UdSSR ist Ehmsen Anfang der 30er Jahre gewesen, dort hatte er eine große Ausstellung, wo er auch zahlreiche Bilder verkaufte.
Sein gestisch expressiver, zerrissener Stil ändert sich über die Jahre wenig, dieses Bild, das ↝Störungsrechnung heißt, stammt aus den fünfziger Jahren. Da war Ehmsen Gründungsmitglied der Akademie der Künste in Ost-Berlin geworden. Aus der Hochschule für Bildende Künste im Westen (wo er Stellvertreter des Direktors war) war er 1949 herausgeflogen, weil er auf dem von Picasso und Louis Aragon organisierten Friedenskongress in Paris das Friedensmanifest unterschrieben hatte. Der Krieg ist gerade mal vier Jahre vorbei, aber die Deutschen haben zum Thema Frieden noch nichts dazugelernt.
Ehmsen war Leutnant im Ersten Weltkrieg, und obgleich er 1934 für wehrunwürdig erklärt wird, wird er im Zweiten Weltkrieg zum Hauptmann befördert. Da ist er Mitglied einer Propagandastaffel in Paris, wo er zahlreichen französischen ↝Künstlerkollegen helfen kann: Man muß wissen, daß Ehmsen während des Krieges als Mitglied der Propagandastaffel Paris, als deutscher Hauptmann und als mein Kamerad, das Referat ‘Kunst’ verwaltete und in dieser Eigenschaft dafür sorgte, daß alle führenden französischen Künstler mit ausreichendem Mal- und Heizmaterial versorgt wurden. Mehr noch, er hat dafür gesorgt, daß diese Leute unbeschränkt arbeiten konnten, während in Berlin so viele unserer angeblich ‘entarteten Künstler’ Malverbot hatten, schreibt ein Freund über ihn.
Diese Frankophilie kommt bei seinen Vorgesetzten nicht an, er wird an die Ostfront versetzt. Er war in der KPD, nie in der NSDAP. Was er in den dreißiger Jahren malt, gefällt den neuen Machthabern überhaupt nicht. Seine Bilder werden aus den Museen entfernt und sind 1937 in der Ausstellung Entartete Kunst zu sehen. Aber erstaunlicherweise wird sein Antrag auf Aufnahme in die Reichskulturkammer angenommen. Nur so erhält er wieder Malmaterial, das ist eine erstaunliche Sache.
Hier ist eins der oben erwähnten Bilder vom Straßenkampf. Ein anderes können Sie sehen, wenn Sie in dem Post ↝Madrid, 3. Mai 1808 den Namen Heinrich Ehmsen anklicken. Ich habe das Bild aus dem Blog ↝Weimar, einem sehr interessanten Blog, dem ich viele Leser verdanke, als ich zu bloggen begann. Die Bilder von den Straßenkämpfen, die er in München erlebt, gehen ihm nicht aus dem Kopf: Fanatischer Arbeit in München entriß mich 1914 der Krieg und brachte mich in den Morast von Flandern, in die blutgetränkten Schützengräben an der Somme und nach Verdun. Damals begann ich ein Kämpfer gegen den Krieg und für den Frieden zu werden.
Heimgekehrt ins Atelier in München, nach dem Irrsinn des Massenmordens nun umtobt vom Geknatter und Getöse des Bürgerkrieges, schien mir alle Arbeit im Atelier aus früheren Zeiten belanglos, nichtig. Verdrängte Eindrücke der Jugend, die Jahre von Kasernenhof und Schlachtfeld, das Erlebnis der Erschießung von Revolutionären bedrängten mich, zwangen mich, sie zu gestalten. L’art pour l’art ist nicht meine Sache. Ich muß durch Form und Farbe hinausschreien, was in mir tobt. Mitleid mit der geschundenen Kreatur, Zorn gegen die Peiniger.
Dank des Kieler Malers Peter Drömmer, der der Leiter der Werbeabteilung der Junkers Werke in Dessau war, findet Ehmsen (wie einige andere expressionistische Maler) eine Anstellung bei Hugo Junkers. Nicht, dass er jetzt Flugzeuge anmalt wie ↝Paul Klee im Ersten Weltkrieg oder nur noch Flugzeuge malt wie ↝Franz Radziwill, es ist eine Art Sinekure. Da kann er Bilder malen wie dieses hier. Als die Nazis Hugo Junkers aus seiner Fabrik gedrängt haben, verliert Ehmsen die Stellung. Aber Flugzeuge bleiben ihm erhalten. Dank seines Galeristen Flechtheim erhält er Aufträge zur Dekoration von Flugstützpunkten und Kasernen. Sogar vom Reichsluftfahrtministerium.
Am Ende eines Krieges heißt diese Bild aus dem Jahre 1954, das zeitgleich mit der Störungsrechnung entstand. Ehmsen bleibt seinem Stil und seinen Überzeugungen treu. Wenn Seamus Heaney über Goya sagt: He painted with his fists and elbows, flourished
The stained cape of his heart as history charged, dann könnte man diesen Satz auch auf Ehmsen anwenden, der über sich sagte: Meine revolutionären Gemälde, ich denke an die „Erschießung des Matrosen Egglhofer", an „Frauen in Not", an den „Roten Wedding" und viele andere, die seit Dezennien in Moskauer und Leningrader Museen hängen, sind niemals der Beschaulichkeit des Ateliers entsprungen, sondern aus der Identifikation mit den Gegenständen, die ich der Leinwand anvertraute, geboren worden.
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