Samstag, 12. Mai 2018

Fritz Mackensen


Worpswede. Zuerst nur eine Ahnung am Horizont. Da hinten neben dem Weyerberg musste es sein, als Gustav und mein Vater an dem Spätsommertag die Bauern überredet hatten, für uns im ↝Moor Torf zu stechen. Dann zum ersten Mal wirklich: vorne auf dem Kindersitz von Vaddis Fahrrad. Der Schäferhund lief nebenher. Als wir den Opel hatten, immer wieder sonntags zum Kaffee Verrückt. Oma freute sich auf den Kaffee HAG in den kleinen eleganten Tassen. Opa moserte über die Roten, die hier angeblich noch überall waren. Seinen Stahlhelmkameraden Mackensen erwähnte er nie. Später im Winter, wenn Hamme und Wümme zugefroren waren, mit Schlittschuhen nach Worpswede. Als ich den Führerschein hatte, immer wieder mal schnell mit dem Auto hin, über Ritterhude, am Dammgut vorbei und dann die endlos scheinende Moorstraße entlang. Kunst war da nicht mehr, Kommerz schon.

Fritz Mackensen, der Mann, der Worpswede entdeckte, ist am 12. Mai 1953 in Bremen gestorben, arm, krank und vereinsamt. Ein Jahr zuvor hatte der Ehrenbürger Worpswedes das Bundesverdienstkreuz erhalten. Bundespräsident ↝Heuss selbst brachte es ihm nach Worpswede. Da kam für einen Augenblick ein wenig Kultur in die protzige Villa am Weyerberg, die sich Mackensen 1901 von seinem Bruder Albert hatte bauen lassen. Sie war niemals wie der Barkenhof ein Zentrum der künstlerischen Welt. Heinrich Vogeler, dem das alles nicht gefällt, schreibt an Paula Becker nach Paris: Dabei ist hier alles trostlos geworden. Worpswede wird Villencolonie. Es wird noch trostloser.

Als die Engländer 1945 Worpswede besetzten, begrüßte der 79-jährige Major a.D. Mackensen sie mit dem Hitlergruß und rief Sieg Heil. Die Limeys schossen ihm dann die Bilder von der Wand.
Worpswede hat ein schweres ↝Erbe mit seinem Entdecker. Der Leutnant a.D. des Ersten Weltkriegs spaziert mit seinem Schleppsäbel durchs Dorf. Er denunziert 1919 seinen Malerkollegen Heinrich Vogeler 1919 bei den Behörden und vertreibt↝Otto Ubbelohde aus Worpswede. Er war nicht von Anfang an überzeugter Nazi. Im Stahlhelm war er und im antisemitischen Kampfbund für deutsche Kultur, in die ↝NSDAP trat er erst 1937 ein (Martha Overbeck im gleichen Jahr auch), war aber schon 1933 in der SA gewesen.

Er hielt sich in den dreißiger Jahren ein wenig zurück, und er hatte einen Grund für seine Zurückhaltung, nämlich seine Tochter Alexandra. Hier hat er sie 1938 gemalt, da ist sie dreißig Jahre alt, eine schöne Frau. Seit vier Jahren lebt sie bei ihrem Vater, die Jahrzehnte davor hat sie in einem Heim gelebt. Geistig behindert. Vor der Zwangssterilisation hat Mackensen sie nicht  bewahren können, aber jetzt kümmert er sich um sie. Es ist ein wunderschönes Bild, zeitlos, vielleicht mit einem Touch Expressionismus. Dies Bild wird dem Original nicht gerecht, es gibt weder das wunderbare Karmesinrot der Bluse noch das Gesicht von Alexandra richtig wieder. Auch wenn die Farben falsch sind, es bleibt ein schönes Bild. Ein Bild, das in völligem Gegensatz steht zu der Tristesse der Moorbilder und den Propagandabildern, die er für die Nazis gemalt hat. Es ist vielleicht das modernste Bild, das er je gemalt hat. Im gleichen Jahr, in dem er seine Tochter portraitiert, malt Mackensen im Auftrag der Reichskulturkammer das Bild ↝Eine gesunde deutsche Familie und bekämpft als Ausstellungsleiter des Niederdeutschen Malertages alle modernen Tendenzen in Worpswede.


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2 Kommentare:

  1. Immer wenn ich mal in Bremen war, wollte ich auch nach Worpswede, hat aber noch nicht geklappt.
    Jetzt habe ich mich durch die "Mackensens" gegoogelt, ich kannte mal wieder nur einen Generalfeldmarschall und einen weiteren General. Hat mit dem Maler wohl nichts zu tun.
    Was mich nun eher interessiert, wofür bekam er das Bundesverdienstkreuz?
    Viele Grüße
    Uwe Rennicke

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  2. Ich glaube, das weiß niemand. Wir sind in den Adenauerjahren, da war so etwas möglich.

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