Donnerstag, 3. Mai 2018

Madrid, 3. Mai 1808


Dunkle Nacht, die Silhouette der Stadt Madrid im Hintergrund. Eine Gruppe von Männern, die vor die Stadt getrieben wurden, gesichtslose Soldaten, die sie vor einem ansteigenden Hügel auf kurze Distanz erschießen. Eine große rechteckige Laterne auf dem Boden beleuchtet die Szene, wie ein Scheinwerfer der Geschichte. Der Mann im weißen Hemd in der Mitte, kniend, aber aufrecht, reißt die Arme hoch. Er erinnert an einen christlichen Märtyrer.

Francisco Goya ist in der Nacht vom 3. Mai 1808 nicht dabeigewesen, hat keine Skizzen von der Erschießung der Aufständischen gemacht, wie man manchmal lesen kann. Solche Geschichten halten sich hartnäckig. Das Bild ist auch erst sechs Jahre nach dem blutigen Maitag gemalt worden. Le peuple de Madrid abusé s'est laissé entraîner à la révolte et au meurtre. Du sang français a coulé. Il demande à être vengé, hatte der Marschall Joachim Murat (der hier einen Post hat) gesagt. Er will Blut sehen. Als spektakuläre Aktion. Zur Abschreckung. Der Schwager Napoleons hofft, dass er König von Spanien wird.

Man kann über Goyas berühmtes Gemälde 'Die Erschießung der Aufständischen (3. Mai 1808)' nicht handeln, ohne nicht auch auf dessen Pendant einzugehen, den Kampf mit den Mamelucken an der Puerta del Sol, sagt Werner Busch in seinem Aufsatz Das Pathos der Sinnlosigkeit. Das ist die Vorgeschichte zu den Erschießungen vom 3. Mai. Der spanische Guerillakrieg hat begonnen. Das hat sich Murat, der nicht König von Spanien wird, anders vorgestellt. Als Goya diese beiden Bilder malt (um den Auftrag hatte er sich bemüht), ist der spanische König Ferdinand VII gerade nach Spanien zurückgekehrt. Goya wird ihn 1815 im Krönungsornat malen. Ferdinand sieht da aus wie eine Karikatur.

Goya war 1786 unter dem spanischen König Carlos III. Hofmaler geworden und blieb das auch unter Carlos IV. Dessen Sohn Ferdinand hat nichts mit Kunst im Sinn, aber Goya behält seinen Titel primer pintor de Cámara. Selbst wenn ihm der König erlaubt, ins französische Exil zu gehen. Goya ist nicht der Maler der spanischen Revolution, auch wenn er die Erschießung der Aufständischen, La Carga de los Mamelucos und die Désastres de la guerre malt. Wenn Wellington kommt und die Franzosen vertreibt, wird Goya ihn malen. Er ist ein vielbeschäftigter Mann. Zuvor hatte er die neuen Machthaber gemalt, dafür wird man ihn vor Gericht stellen. Aber man kann ihm keine Kollaboration nachweisen. Den neuen König Joseph Bonaparte habe er nur nach einem Stich, nicht als lebendes Modell gemalt. Das sind feine Unterschiede.

Auf dem Höhepunkt der blutigen Unruhen in Belfast 1969 ist der irische Dichter Seamus Heaney in seinem autobiographischen Gedicht Singing School auf das großformatige Gemälde Die Erschießung der Aufständischen von Goya eingegangen:

I retreated to the cool of the Prado.
Goya’s ‘Shootings of the Third of May’
Covered a wall—the thrown-up arms
And spasm of the rebel, the helmeted
And knapsacked military, the efficient
Rake of the fusillade. In the next room,
His nightmares, grafted to the palace wall—
Dark cyclones, hosting, breaking; Saturn
Jewelled in the blood of his own children,
Gigantic Chaos turning his brute hips
Over the world. Also, that holmgang
Where two berserks club each other to death
For honour’s sake, greaved in a bog, and sinking.
He painted with his fists and elbows, flourished
The stained cape of his heart as history charged

Goyas Darstellung von der Füsillade der Freiheitskämpfer (mit der kurzen Distanz zwischen Peloton und Delinquenten) ist von Malern immer wieder aufgegriffen worden (z.B. PicassoOtto DixHeinrich Ehmsen) Die berühmteste Version stammt natürlich von Eduard Manet, dazu gibt es hier einen sehr ausführlichen Post. Manet kannte Goyas Bild, er hatte es im Prado gesehen. Seine Erschießung des Kaisers Maximilian ist ganz anders als Goyas Bild: nüchtern und kalt, hier lodert kein Feuer, hier ist keine dramatische Bewegung wie bei Goya. Seamus Heaney hat das sehr schön gesagt: He painted with his fists and elbows, flourished The stained cape of his heart as history charged.

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