Montag, 9. März 2020

Johann Friedrich August Tischbein


Im Rijksmuseum Twente in Enschede ist gerade eine Ausstellung über den Portraitmaler Johann Friedrich August Tischbein (der heute vor 270 Jahren geboren wurde) zu Ende gegangen. Die Bilder waren Leihgaben aus dem Palais Het Loo in Apeldoorn (das gerade noch wegen Renovierungsarbeiten geschlossen ist) und der Gemäldegalerie Alte Meister in Kassel. Dass die in Kassel viele Tischbeins haben, das weiß ich. Wir waren da mal auf Klassenfahrt. Der Führer, der uns durch die Wilhelmshöhe geleiten sollte, war offensichtlich Tischbein Liebhaber, er redete stundenlang über die Tischbeins.

Bis ich ihn ziemlich unhöflich unterbrach und ihn fragte, was eigentlich mit den Rembrandts wäre. Mein Klassenlehrer, der den schönen friesischen Namen Tammo hatte, hat sich mal wieder fürchterlich für mich geschämt. Wir schämten uns andererseits auch ein bisschen für Tammo, denn er trug auf Klassenfahrten ein Norfolkjackett und Knickerbockerhosen. Das Ganze wurde komplettiert durch eine umgehängte Kartentasche und eine Baskenmütze, irgendwie sah er aus, als wäre er aus dem Film Feuerzangenbowle entsprungen. Mein Verlangen, endlich die Rembrandts zu sehen, war nicht ganz unberechtigt. Denn die haben da sehr viele Rembrandts in Kassel. Johann Friedrich August Tischbein orientiert sich weniger an seinen berühmten Verwandten (der Goethe Tischbein ist sein Cousin) als an den Engländern.

Wir sind im Zeitalter der Empfindsamkeit, und da kommt jetzt eine ganze ästhetische Bewegung aus England. Es ist ja kein Zufall, dass wir Buchtitel wie Sentimental Journey oder The Man of Feeling haben. Zusammen mit der Philosophie des Gefühls kommt aber auch die englische Mode des 18. Jahrhunderts (für die es hier den ausführlichen Post 18th century: Fashion gibt) nach Europa. Beinahe alle Personen auf den Portraits von Tischbein sind nach englischem Vorbild gekleidet. Kein Wunder, denn Tischbeins malerische Vorbilder heißen Gainsborough und Romney (für den es hier die Posts George Romney und Lady Emma Hamilton gibt). Dass auf einem Familienbild die Frau dem Kind die Brust gibt, ist ein Zeichen dieses neuen Gefühls der Natürlichkeit.

Das Familienbild mit dem Säugling ziert auch den holländischen Katalog Johann Friedrich August Tischbein en de ontdekking van het gevoel, den Amazon für 24,49 € anbietet. Im Jahre 1800 wurde Tischbein, der als Maler weit herumkam, der Nachfolger von Adam Friedrich Oeser (zu dem es hier einen Post gibt) an der Kunstakademie zu Leipzig, weshalb man diesen Tischbein auch den Leipziger Tischbein nennen wird. Wenn Goethe sein Theaterstück Der Triumph der Empfindsamkeit: Eine dramatische Grille schreibt, ist es mit der Zeit der Empfindsamkeit vorbei. Dann kommt die Romantik, die sich im Werk von Johann Friedrich August Tischbein schon angedeutet hat. Er ist als Maler sicher nicht so gut wie seine Vorbilder Gainsborough und Romney, aber er ist ein interessanter Maler.

Gainsborough ist irgendwann die Portraits leid: I'm sick of portraits, and wish very much to take my viol-da-gamba and walk off to some sweet village, where I can paint landskips (sic) and enjoy the fag end of life in quietness and ease, schreibt er in einem Brief, den Kunsthistoriker immer als den viola da gamba Brief zitieren. Landschaftsmalerei verkauft sich damals noch schlecht, Tischbein läßt die Finger davon, er bleibt bei seinen Portraits. Und darin ist er vielleicht besser als seine übrigen Verwandten.

Zu dem Kasseler Tischbein, dessen Schüler Johann Friedrich August Tischbein war, gibt es hier schon einen Post.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen