Freitag, 26. November 2010

William Cowper


Ich nehme einmal seinen Geburtstag zum Anlass, um einige Zeilen über William Cowper zu schreiben. Der Dichter ist seit 210 Jahren tot. Man kennt ihn heute kaum noch, zu seinen Lebzeiten war er einer der beliebtesten Dichter Englands. Man kann ihn mit drei Wörtern charakterisieren: Religiosität, Naturlyrik und Melancholie. Oder religiöse Melancholie und Naturlyrik. Und man spricht seinen Namen /ˈkuːpər/ aus. Muss man mehr wissen?

Ein wenig interessanter ist er schon. Er war einer der Lieblingsdichter von Jane Austen. Eine Namensvetterin von Jane Austen, Lady Ann Austen, hatte ihn dazu bewegt, The Task zu schreiben: .. a lady, fond of blank verse, demanded a poem of that kind from the author, and gave him the SOFA for a subject. He obeyed; and, having much leisure, connected another subject with it; and, pursuing the train of thought to which his situation and turn of mind led him, brought forth at length, instead of the trifle which he at first intended, a serious affair--a Volume! Das Sofa war ja bisher nicht so häufig ein Gegenstand der Dichtung. Und so beginnt unser Dichter dann, in einem Ton, den man als mock heroic bezeichnet:

I sing the Sofa. I who lately sang
Truth, Hope, and Charity, and touched with awe
The solemn chords, and with a trembling hand,
Escaped with pain from that adventurous flight,
Now seek repose upon an humbler theme;
The theme though humble, yet august and proud
The occasion, - for the fair commands the song.


Und das hört jetzt nicht mehr auf, ist beinahe fünftausend Zeilen lang. Es wird nicht nur um Sofas gehen (nur das erste Buch von The Task heißt The Sofa), bald wird der Dichter sich in die Natur begeben. Naturdichtung ist im England des 18. Jahrhunderts etwas, das immer wichtiger wird und peu à peu zur englischen Romantik führt. Beginnend mit John Dyers Grongar Hill und James Thomsons Seasons, dann Mark Akenside, William Collins (Ode to Evening) und Thomas Grays Elegy Written in a Country Churchyard. The Task ist häufig mit Collins' Ode to Evening verglichen worden, aber die hat Cowper wohl nicht gekannt. Den Einfluss von Thomson wird man nicht leugnen können. Aber sonst entdeckt er seine Natur selbst.








For I have loved the rural walk through lanes
Of grassy swarth, close cropped by nibbling sheep
And skirted thick with intertexture firm
Of thorny boughs; have loved the rural walk
O’er hills, through valleys, and by rivers’ brink,
E’er since a truant boy I passed my bounds
To enjoy a ramble on the banks of Thames;
And still remember, nor without regret
Of hours that sorrow since has much endeared,
How oft, my slice of pocket store consumed,
Still hungering, penniless and far from home,
I fed on scarlet hips and stony haws,
Or blushing crabs, or berries that emboss
The bramble, black as jet, or sloes austere.


Und diese Natur, die im Gegensatz zu Grays Elegy keinerlei Spuren von Sentimentalität trägt, können Stadtleute natürlich nicht verstehen, die kommen vielleicht mal gerade für einen Rokoko Spaziergang vorbei wie auf dem Bild von Gainsborough. Der Junge, der die Schule schwänzt (E’er since a truant boy I passed my bounds To enjoy a ramble on the banks of Thames), penniless and far from home, hat ein anderes Verhältnis zur Natur als die feinen Pinkel aus der Stadt, die gerade Rousseaus Aufforderung revenons à la nature als Anlass für den Sonntagsspaziergang nehmen.

God made the country, and man made the town.
What wonder then that health and virtue, gifts
That can alone make sweet the bitter draught
That life holds out to all, should most abound
And least be threaten'd in the fields and groves?
Possess ye therefore, ye who, borne about
In chariots and sedans, know no fatigue
But that of idleness, and taste no scenes
But such as art contrives, - possess ye still
Your element; there only ye can shine,
There only minds like yours can do no harm.
Our groves were planted to console at noon
The pensive wand'rer in their shades. At eve
The moonbeam, sliding softly in between
The sleeping leaves, is all the light they wish,
Birds warbling all the music. We can spare
The splendour of your lamps, they but eclipse
Our softer satellite. Your songs confound
Our more harmonious notes: the thrush departs
Scared, and th' offended nightingale is mute.
There is a public mischief in your mirth;
It plagues your country. Folly such as yours,
Grac'd with a sword, and worthier of a fan,
Has made, which enemies could ne'er have done,
Our arch of empire, steadfast but for you,
A mutilated structure, soon to fall.

Das ist der berühmte letzte Absatz des ersten Buches, und wir sehen, unsere Autor spart auch nicht mit Zivilisationskritik. Er ist auch streckenweise furchtbar moralisch - in all dem, nicht nur im Blankvers, ist er ein Nachfolger von James Thomson. Dichten ist für ihn Therapie, John Gilpin und The Task zu schreiben, bewahrt ihn vor weiteren Selbstmordversuchen. Denn eigentlich sieht sein Leben jenseits der Natur in seinem Garten eher so aus wie die Mad Kate aus The Task, wie sie Johann Heinrich Füssli gemalt hat.

Ein Leben am Rande des Wahnsinns, die ewige Verdammnis fürchtend, voller Menschenscheu, zu keiner geregelten Berufstätigkeit fähig. Da bleiben ja beinahe nur - neben den Selbstmordversuchen - die Spaziergänge in der Natur, die Übersetzungen von Ilias und Odyssee in den englischen Blankvers und das Schreiben von Kirchenhymnen. Zu dem Schreiben der Olney Hymns ist er von dem Pfarrer John Newton gedrängt worden (er muss immer zum Schreiben gedrängt werden). Wenn auch sein Werk sonst kaum noch gelesen wird, sind seine Hymnen bis heute beliebt:

O for a closer walk with God,
A calm and heavenly frame,
A light to shine upon the road
That leads me to the Lamb!

Where is that blessedness I knew
When first I saw the Lord?
Where is the soul refreshing view
Of Jesus and His Word?

What peaceful hours I once enjoyed!
How sweet their memory still!
But they have left an aching void
The world can never fill.

Return, O holy Dove! return,
Sweet messenger of rest!
I hate the sins that made Thee mourn,
And drove Thee from my breast.

The dearest idol I have known,
What e'er that idol be,
Help me to tear it from Thy throne,
And worship only Thee.

So shall my walk be close with God,
Serene and calm my frame;
So purer light shall mark the road
That leads me to the Lamb.


Wenn er nicht unter seinen nerves und seiner madness leidet, dann glaubt er, dass er auf ewig verdammt ist. Eines seiner letzten Gedichte heißt The Castaway und handelt von einem Seemann, der auf Commodore Ansons staatlich genehmigter Piratenreise über Bord gegangen ist (und das sind ja viele, darüber vielleicht ein anderes Mal an dieser Stelle mehr). Es wird Sie jetzt nicht erstaunen, dass für Cowper das Schicksal des Schiffbrüchigen voll persönlicher Symbolik ist, wenn es in den letzten Strophen heißt:

I therefore purpose not, or dream,
Descanting on his fate,
To give the melancholy theme
A more enduring date:
But misery still delights to trace
Its semblance in another’s case.

No voice divine the storm allayed,
No light propitious shone,
When, snatched from all effectual aid,
We perished, each alone:
But I beneath a rougher sea,
And whelmed in deeper gulfs than he.















The stricken Deer hat David Cecil seine Biographie von Cowper genannt, die 1929 erschien. Und der Titel ist natürlich ein Zitat aus dem Werk des Dichters:

I was a stricken deer that left the herd
Long since; with many an arrow deep infixt
My panting side was charged when I withdrew
To seek a tranquil death in distant shades.
There was I found by one who had himself
Been hurt by th' archers. In his side he bore
And in his hands and feet the cruel scars.


Doch Jesus heilt sein verlorenes Schaf, alles wird gut. The Stricken Deer ist ein erstaunliches Buch. Es ist eins der ersten Bücher von Lord Cecil. Es ist nicht sehr lang, 301 Seiten in der kleinformatigen Ausgabe von Constable in London.

Aber es ist ein schönes Buch (wenn Sie hier klicken, können Sie einen enthusiasmierten Blogger lesen, der diese Biographie gerade als Leseerlebnis entdeckt hat), wie so viele Bücher von ihm. Obgleich der selbsternannte englische Literaturpapst F.R. Leavis und seine Gefolgsleute Cecils Art der Literaturwissenschaft nie gemocht haben, muss man konstatieren, dass normale Leser viel größeren Gewinn aus den Büchern von Lord David Cecil (rechts auf dem Photo, im Gespräch mit Isaiah Berlin) gezogen haben als aus den Schriften seines literaturwissenschaftlichen Kontrahenten, für den Emily Brontes Wuthering Heights nicht zu den großen englischen Romanen zählte. Cecils A Portrait of Jane Austen ist immer noch die beste Einführung in Jane Austens Romankunst. The Stricken Deer ist heute glücklicherweise immer noch lieferbar.

Mit einer preiswerten Werkausgabe von Cowper sieht es dagegen auf dem Buchmarkt etwas mau aus. Vielleicht ändert sich das ja, wo der Ire Brian Lynch einen vielbeachteten Roman, The Winner of Sorrow, über Cowper geschrieben hat. Ich habe eine scheußlich schöne Werkausgabe in grünem Leder mit dreiseitigem Goldschnitt aus der Zeit Queen Victorias. Und ähnliche Ausgaben aus dieser Zeit kann man im ZVAB leicht und nicht zu teuer finden.

Die meisten Ausgaben lassen eine kurze Autobiographie von Cowper aus, die Memoir of the Early Life of William Cowper, Esq. Written by Himself, ein Werk, das niemals zur Veröffentlichung bestimmt war. Das ist kein Verlust; wenn Sie wollen, können Sie das Werk hier lesen. Es ist ein trauriges Dokument von einem habituellen malade imaginaire, der im Pietismus die Lösung all seiner Schwierigkeiten sucht. Leider ist ja eher das Gegenteil der Fall, religiöse Wahnvorstellungen werden einem psychisch Kranken kaum helfen. Manche Kritiker haben die Memoirs als Schlüssel zu William Cowper gesehen. Was sie wohl kaum sind, sie sind eher ein weiteres peinliches Zeugnis der Bekehrungsliteratur. Denn die Bekehrung ist ja der Grundbaustein der evangelikalen Bewegung des 18. Jahrhunderts. Diese Memoirs (die mit dem Wort Amen enden) wären sicherlich für einen Psychiater interessant, weil sie zeigen, wie ein frisch religiös Konvertierter enthusiastisch überall in seiner Jugend das Werk des Teufels sieht. Und alle Fakten so lange verdreht, bis sie zu seiner neugewonnen pathologischen Frömmelei passen. Ein Höhepunkt des Cowperschen Werkes sind sie sicherlich nicht. Die Zeilen There is a pleasure in poetic pains Which only poets know schon eher.

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