Donnerstag, 5. April 2012

Lord Lister


Listerine steht auf der Plastikflasche im Badezimmer. In dieser antibakteriellen Mundspülung ist der Name Lister immer noch lebendig. Wir verdanken diesem Joseph Lister, der heute vor 185 Jahren geboren wurde, eine ganze Menge. Nicht nur diese grüne Freshmint Mundspülung. Er ist der Pionier der antiseptischen Medizin, und sein Name steht zusammen mit Louis Pasteur und Ignaz Semmelweiß sicherlich ganz weit oben auf der Liste der wichtigsten Mediziner des 19. Jahrhunderts.

Joseph Lister war Chirurg. Wir alle wissen, dass Chirurgen eine spezielle Sorte Mensch sind, nicht erst seit Julius Hackethal. Halbgötter in weiß sind sie, und sie gehören natürlich in jeden Ärztefilm (wenn sie da auch meistens ein klein wenig anders aussehen als in Altmanns Film MASH) und jede Krankenhausserie. Auch der Chefarzt der Schwarzwaldklinik war Chirurg. Englische Chirurgen sind ein wenig anders als die Chirurgen vom Rest der Welt. Man kann sie in einer englischen Arztserie (wie zum Beispiel der unübertroffenen Serie ➱The Singing Detective von Dennis Potter) daran erkennen, dass sie ohne Kittel durch das Krankenhaus laufen. Tragen teure Savile Row Anzüge zur Arbeit, wahrscheinlich damit der Patient in der Privatklinik sehen kann, wo sein Geld bleibt. Und sie werden nicht mit Doctor angeredet, sondern (wenn sie dem ➱Royal College of Surgeons angehören) mit Mister.

Joseph Lister, zuerst zum Baronet, dann zum Baron ernannt, war ein berühmter Mann. Auch die Königin Victoria verzichtete nicht auf seine Dienste. Und ich habe sogar ein Gedicht über ihn gefunden, geschrieben von einem dankbaren Patienten. Ein junger Mann namens William Ernest Henley war zwei Jahre lang bei Professor Lister in seinem Sanatorium in Edinburgh in Behandlung. Im Krankenhaus hat er angefangen zu schreiben. Ein Gedicht aus dieser Zeit ist bis heute berühmt, es heißt ➱Invictus. Es ist ein Gedicht, das vielen Menschen die Kraft zum Durchhalten gegeben hat, die beiden letzten Zeilen I am the master of my fate: I am the captain of my soul sind schon beinahe sprichwörtlich geworden.

In Edinburgh hat ➱Henley (links) Robert Louis Stevenson kennengelernt, mit dem er sein Leben lang befreundet war. Im Krankenhaus ist er zum Dichter geworden. Hat eine eindrucksvolle Sammlung von Krankenhausgedichten geschrieben, die man ➱hier lesen kann. Henley war nach Edinburgh gereist, weil ihm die Ärzte wegen der Knochentuberkulose ein Bein abnehmen wollten. Ein Bein hatte er schon verloren, das andere wollte er gerne behalten. Lister hat es ihm gerettet. Und so kommt er in dem Zyklus In Hospital natürlich auch vor, Clinical heißt dieses Gedicht:

HIST ? . . .
Through the corridor's echoes
Louder and nearer
Comes a great shuffling of feet.
Quick, every one of you,
Staighten your quilts, and be decent!
Here's the Professor.

In he comes first
With the bright look we know,
From the broad, white brows the kind eyes
Soothing yet nerving you. Here at his elbow,
White-capped, white-aproned, the Nurse,
Towel on arm and her inkstand
Fretful with quills.
Here in the ruck, anyhow,
Surging along,
Louts, duffers, exquisites, students, and prigs —
Whiskers and foreheads, scarf-pins and spectacles —
Hustles the Class! And they ring themselves
Round the first bed, where the Chief
(His dressers and clerks at attention),
Bends in inspection already.

So shows the ring
Seen from behind round a conjurer
Doing his pitch in the street.
High shoulders, low shoulders, broad shoulders, narrow ones,
Round, square, and angular, serry and shove;
While from within a voice,
Gravely and weightily fluent,
Sounds; and then ceases; and suddenly
(Look at the stress of the shoulders!)
Out of a quiver of silence,
Over the hiss of the spray,
Comes a low cry, and the sound
Of breath quick intaken through teeth
Clenched in resolve. And the Master
Breaks from the crowd, and goes,
Wiping his hands.
To the next bed, with his pupils
Flocking and whispering behind him.

Now one can see.
Case Number One
Sits (rather pale) with his bedclothes
Stripped up, and showing his foot
(Alas for God's Image!)
Swaddled in wet, white lint
Brilliantly hideous with red.


Die kleine Tochter von William Henley konnte kein Arzt retten, sie ist nur fünf Jahre alt geworden. Aber Henleys Freund Sir James Matthew Barrie hat sie unsterblich gemacht, und sie als ➱Wendy Darling in Peter Pan hineingeschrieben.

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