Samstag, 26. April 2025

regina della bellezza

Simonetta Cattaneo Vespucci war die schönste Frau von Florenz, Botticelli hat sie immer wieder gemalt. Vielleicht war auch sie seine Geliebte. Vielleicht war sie auch die Geliebte von Giuliano de’ Medici, der sie zu einem pompösen Turnier auf der  Piazza Santa Croce am 29. Januar 1475 begleitete, das sein älterer Bruder Lorenzo de' Medici für ihn ausgerichtet hatte. 

Dem Sieger des Turniers, an dem zweiundzwanzig italienische und ausländische Adlige teilnahmen, winkte eine von Botticelli gemalte Standarte, die Pallas Athene als Kriegerin zeigte, die Amor an einen Baum gefesselt hat. Das Bild ist leider nicht erhalten, wir nehmen mal diese von Botticelli gemalte Pallas Athene dafür. Ein Jahr später war die dreiundzwanzigjährige lungenkranke Schönheit Simonetta tot, sie starb in der Nacht vom 26. auf den 27. April 1476. Der Dichter Angelo Poliziano schrieb eine Elegie für sie:

Dunkles Trauergeleit enttrug Simonetta, die schöne,
Süß noch hauchte der Reiz ihr vom erblichenen Mund
Amor lauerte nah und warf, da keiner sich wahrte,
Von dem geschlossenen Aug' tausend Geschosse ins Volk.
Tausend Herzen bestrickt' er mit Schein des lächelnden Lebens,
Trotzend sprach er zum Tod: mein ist die Schöne noch jetzt.
Mein ist die Schöne noch jetzt, nicht hast du sie ganz mir entrissen,
Sieh, noch auf traurigem Schrein kämpft Simonetta für mich.
Sprach's und schluchzte, denn nun erkannte der Knabe, die Stunde
Sei für Triumphe nicht mehr, sei nur für Thränen bestimmt.

Ihre Beerdigung kam einem Staatsbegräbnis gleich: wer die Schöne lebend kannte, der wurde nicht nur zur Trauer, sondern mehr noch zur Bewunderung bewegt, daß sie den Liebreiz, der im Leben unvergleichlich schien, im Tode noch überbot, wer sie aber nie zuvor gesehen hatte, den faßte ein schmerzliches Bedauern, daß er eine solche Schönheit nicht früher gekannt hatte, ehe sie der Welt auf immer entrissen war, und daß er sie nur sehen durfte, um sie auf ewig zu beweinen, schrieb Lorenzo de' Medici.

Ihr platonischer oder wirklicher Geliebter Giuliano wurde auf den Tag genau zwei Jahre später bei der Pazzi Verschwörung ermordet. Die Geschichte von Simonetta und Giuliano, der sie eine regina della bellezza genannt hatte, hat der Dichter Angelo Poliziano in der L’apparizione di Simonetta festgehalten, einem Teil des Gedichts Stanze per la giostra. Ich habe davon eine deutsche Übersetzung:

Weiß ist sie selbst und weiß ihr lichtes Kleid,
Doch reich bemalt mit Blumen, Blättern, Blüten,
Ihr Lockenhaar liegt wie ein Goldgeschmeid
Um eine Stirn, die Stolz und Demut hüten,
In Mienen fürstliche Gelassenheit,
Und doch gebeut ihr Blick der Stürme Wüten,
Der rauhe Forst umsteht sie sanft und lächelt,
Der sie, so zart er kann, bedient und fächelt.

In ihren Augen lacht ein heitres Blau,
Aus dem Cupido seine Pfeile sendet.
Die Lüfte werden lind um sie und lau
Wohin sie ihre Liebeslichter wendet,
Im Antlitz strahlt der Freude Himmelstau,
Lilien und Rosen sind darauf verschwendet,
Es schweigt der Windhauch, um ihr Wort zu hören,
Ihr Laut klingt wieder in der Vögel Chören.

Der hohen Pallas gleicht sie speergerüstet,
Thalien, wenn sie in die Saiten greift,
Wenn sie nach Köcherklang und Jagdlärm lüstet,
Scheint sie Diana, die den Forst durchstreift,
Ihr weicht der Hochmut, wie er sich auch brüstet,
Der Zorn muß nieder, wie er zankt und keift,
Ihr zum Geleit ist jede Huld und Wonne,
Die Schönheit zeigt auf sie als ihre Sonne.

Ihr sieht man Sittsamkeit zur Seite schweben,
Der kein verschlossnes Herz den Eingang wehrt,
Die Güte wandelt menschlich schön daneben,
Den holden Gang hat jene sie gelehrt.
Zu ihr kann Roheit nicht die Blicke heben,
Eh' sie in Reue ihren Fehl verkehrt,
Mit jedem Lächeln aus dem süßen Munde,
Mit jedem Wort schlägt Amor eine Wunde.

Sie hielt ein Kränzlein in den weißen Händen
Und saß so froh dort auf dem Rasengrün,
Was nur an Blüten Feld und Aue spenden,
Fügt sie dem Kranz mit lächelndem Bemüh'n,
So blumig wie ihr Kleid will sie's vollenden,
Als plötzlich nun Julian vor ihr erschien.
Sie stutzt, den Saum des Kleides faßt sie lose
Und rafft sich auf, die Blumenpracht im Schoße.

Schon wandte sich die Nymphe heimzugehen,
Langsam und zaudernd schritt sie durch das Gras
Und ließ den Jüngling dort in Qualen stehen,
Der all sein Trachten über ihr vergaß,
Doch kann der Aermste nicht sie scheiden sehen,
Weshalb er sie zu halten sich vermaß,
Indem er schüchtern an die Unbekannte
Mit Zittern sich und tief erglühend wandte:

»O wer du seist, erhabne Jungfrau, sprich,
Ob Nymphe, ob von göttlichem Geschlechte,
Am liebsten als Diana grüßt' ich dich,
Doch bist du sterblich, nenn' dich deinem Knechte.
Nicht irdisch ist dein Antlitz sicherlich,
Auch weiß ich nicht, nach welchem Gnadenrechte,
Durch welch' Verdienst, durch welcher Sterne Segnen
Ich wert war, solcher Schönheit zu begegnen.«

Die Nymphe wendet sich beim Klang der Worte,
Vom holdsten Lächeln ihr Gesicht erhellt,
Ein Berg wohl rückte, sie zu sehn, vom Orte,
Die Sonne stünde still am Himmelszelt,
Dann zwischen doppelter Rubinenpforte
Tönt eine Stimme, die den Marmor spellt,
So süß und sittig, so voll Huld und Güte,
Daß ein Sirenenherz in Lieb' erglühte:

»Ich bin nicht, was ich deinem Geist erscheine,
Mir ziemen Tempel nicht und Opferbrand,
In eurem Arnothal, im Gartenhaine
Etruriens fesselt mich das Eheband.
Die Wiege stand mir auf dem Felsgesteine,
Dem schroffen, an Liguriens rauhem Strand,
Wo mit erzürntem Prall und lautem Schäumen
Neptuns Geschwader sich vergeblich bäumen.

Hier lenk ich einsam oft den Schritt heraus,
Der Ort ist Simonettas Lieblingsstätte,
Hier ruhen die Gedanken gerne aus
Bei Blumenflor und grünem Rasenbette,
Die Luft ist rein und kurz der Weg nach Haus,
Und lieblich schlingt sich hier der Stunden Kette
Im Bäumeschatten, unter klaren Quellen,
Wo freundlich oft die Nymphen sich gesellen.

Auch komm' ich oft in müßiger Feierstunde,
Die uns dem häuslichen Geschäft entrückt,
In eurer Tempel feierliche Runde
Mit andern Fraun, nach Festesbrauch geschmückt.
Doch daß ich ganz dir geb' erbetne Kunde
Und jeden Zweifel löse, der dich drückt:
Staunst du, woher so zarte Schönheit stamme,
So wisse, Venus selbst war meine Amme.

Doch da die Sonne nun den Wagen neigt,
Und sich verlängern dieses Baumes Schatten,
Vorm Laut der Grille die Cikade schweigt,
Im Feld des rauhen Landmanns Mühn ermatten,
Und Rauch von jenen hohen Villen steigt,
Die Bäurin schon den Tisch bestellt dem Gatten,
Geziemt's, daß ich den Heimweg eilig finde,
Du kehre froh zu deinem Jagdgesinde. –«

Licht wird es rings in allen Himmelsräumen,
Denn heller glänzt ihr Aug' noch als zuvor,
Mit leichten Schritten, die noch leise säumen,
Durchwandelt sie voll Reiz den Wiesenflor.
Wie Klagelaute scholl's aus Busch und Bäumen,
Leis hob zu weinen an der Vögel Chor,
Das grüne Gras jedoch zu ihren Füßen
Wird rot und blau und gelb vom Tritt der Süßen.

Was thun, Julian? Ihn hält das scheue Bangen,
Sonst folgt' er seinem Sterne sehnsuchtheiß,
Da steht er wie ein Narr und ist gefangen,
In seinen Adern starrt das Blut zu Eis.
Er regt sich nicht und strebt doch voll Verlangen
Ihr nach, die nichts von seinen Qualen weiß,
Bewundert noch den Gang, den anmutreichen,
Das flatternde Gewand der Göttergleichen.

Ihm scheint's, das Herz im Busen wolle brechen,
Die Seele woll' ihm aus dem Leib entfliehn,
Und ungehemmt in heißen Thränenbächen,
Wie Reif am Strahl der Sonne, schmilzt er hin,
Fühlt schon im Herzen alle Liebesschwächen,
Die aus der Seele ihm das Mark entziehn,
Ihr möcht' er nach, doch beben alle Glieder,
Die Liebe spornt, die Scham umstrickt ihn wieder.

Wo sind, Julian, die Sprüche nun und Glossen,
Die oft der armen Liebenden Beschwer?
Blieb dir kein Spott für deines Grams Genossen?
Und macht die Jagd dir keine Freude mehr?
Jetzt hält ein Weib in ihrer Hand verschlossen
Dein Denken, Wollen, jegliches Begehr.
Du Aermster kannst's in deiner Seele lesen,
Was du jetzt bist, was du noch jüngst gewesen.

Vor kurzem folgtest du des Wildes Bahn,
Jetzt hat ein schönres Wild dich eingefangen.
Frei warst du und bist Amorn unterthan,
Warst ledig und du bist ins Netz gegangen.
Wo ist dein Herz? Wo deiner Freiheit Wahn?
Ein Weib und Amor sind's, die dich bezwangen,
Ach, keiner soll auf seine Stärke pochen,
Denn Kraft und Stolz kann Amor unterjochen.

Mit sechzehn Jahren wurde sie von ihren Eltern gezwungen, Marco Vespucci zu heiraten, einen Cousin des Seefahrers Amerigo Vespucci. Sie hat ihn wohl nie geliebt. Den Giuliano de' Medici wohl eher. Wirklich wissen wir nichts über die Romanze, es sei denn wir glauben der Geschichte, die uns Catherine Aurel in ihrer Schmonzette Bella Donna: Die Schöne von Florenz erzählt. Da sind wir besser beraten, das hundertzwanzig Jahre alte Buch Die Stadt des Lebens: Schilderungen aus der Florentinischen Renaissance von Isolde Kurz zu lesen, die einen großen Teil ihres Lebens in Florenz verbrachte. Aus diesem Buch habe ich auch die deutsche Übersetzung von Polizianos Gedicht genommen. Interessant ist auch KunstKrimi: Die nackte Wahrheit oder Sandro Botticellis Muse von Dr Donatella Chiancone-Schneider, das man zum Teil bei Google Books lesen kann.


Noch mehr Botticelli in den Posts: George Spencer Watson, Aby Warburg, Chloris eram, quae Flora vocor, Aktmalerei


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