Am 6. April 1793 hat der Nationalkonvent in Frankreich den Wohlfahrtsausschuss eingerichtet. Den Vorsitz erhielt Georges Danton. Als ich das im Tageblatt der Wikipedia las, fiel mir zuerst Georg Büchners →Dantons Tod ein. In seiner Komödie Besucher läßt Botho Strauß seine Hauptfigur Karl Joseph sagen: In Bremen vierundsechzig oder fünfundsechzig — ich gastierte im Danton— da hatten wir einen jungen Kollegen, der ist eines Abends, also es war schon Viertel eins. Dantons Tod, eine Viecherei, kein Bus fuhr mehr, da ist er plötzlich zur Rampe gelaufen, mitten im Text, und fragt ins Publikum hinunter, ob ihn jemand nach der Vorstellung mit nach Lesum nehmen kann. Dort hat er nämlich gewohnt.
Ich nehme an, dass Botho Strauß diese Stelle extra für seinen Hauptdarsteller Will Quadflieg geschrieben hat, denn der hatte sein Landhaus im Kirchspiel Lesum. Der kleine Ort ist jetzt also in der deutschen Literatur, aber da ist er schon länger. Das wissen Sie, wenn Sie den Post Sommer in Lesmona gelesen haben. Diese kleine Geschichte fällt mir bei Dantons Tod, den ich als Jugendlicher mit begeistertem Mitempfinden las, immer wieder ein. Georg Büchner hat schon lange einen Post in diesem Blog. In dem auch steht, dass ich bei der Aufführung von →Leonce und Lena durch unsere Theatergruppe (neben meiner kleinen Rolle als Staatsrat) Regieassistent und Souffleur war. Große Teile des Textes habe ich immer noch drauf. Und da ich mal ein großer Andrzej Wajda Fan war, habe ich den Film ✺Danton hier für Sie. Der basiert aber nicht auf Büchners Theaterstück.
Ich habe mich gefragt, ob Büchner Gedichte geschrieben hat, das wusste ich nicht. Offenbar gibt es ein paar Gedichte, wie dieses aus dem Jahre 1828, das Die Nacht heißt:
Niedersinkt des Tages goldner Wagen,
Und die Stille Nacht schwebt leis’ herauf,
Stillt mit sanfter Hand des Herzens Klagen,
Bringt uns Ruh’ im schweren Lebenslauf.
Ruhe gießt sie in das Herz des Müden,
Der ermattet auf der Pilgerbahn,
Bringt ihm wieder seinen stillen Frieden,
Den des Schicksals rauhe Hand ihm nahm.
Und die Stille Nacht schwebt leis’ herauf,
Stillt mit sanfter Hand des Herzens Klagen,
Bringt uns Ruh’ im schweren Lebenslauf.
Ruhe gießt sie in das Herz des Müden,
Der ermattet auf der Pilgerbahn,
Bringt ihm wieder seinen stillen Frieden,
Den des Schicksals rauhe Hand ihm nahm.
Ruhig schlummernd liegen alle Wesen,
Feiernd schließet sich das Heiligthum,
Tiefe Stille herrscht im weiten Reiche,
Alles schweigt im öden Kreis’ herum.
Und der Mond schwebt hoch am klaren Aether,
Gießt sein sanftes Silberlicht herab;
Und die Sternlein funkeln in der Ferne,
Schau’n herab auf Leben und auf Grab.
Willkommen Mond, willkommen sanfter Bote
Der Ruhe in dem rauhen Erdenthal,
Verkündiger von Gottes Lieb’ und Gnade,
Des Schirmers in Gefahr und Mühesal.
Willkommen Sterne, seid gegrüßt ihr Zeugen
Der Allmacht Gottes, der die Welten lenkt,
Der unter allen Myriaden Wesen
Auch meiner voll von Lieb’ und Gnade denkt.
Ja heil’ger Gott, du bist der Herr der Welten,
Du hast den Sonnenball emporgethürmt,
Hast den Planeten ihre Bahn bezeichnet,
Du bist es, der das All mit Allmacht schirmt.
Unendlicher, den keine Räume fassen,
Erhabener, den Keines Geist begreift,
Allgütiger, den alle Welten preisen,
Erbarmender, der Sündern Gnade beut!
Erlöse gnädig uns von allem Uebel,
Vergieb uns liebend jede Missethat,
Laß wandeln uns auf deines Sohnes Wegen,
Und siegen über Tod und über Grab.
Feiernd schließet sich das Heiligthum,
Tiefe Stille herrscht im weiten Reiche,
Alles schweigt im öden Kreis’ herum.
Und der Mond schwebt hoch am klaren Aether,
Gießt sein sanftes Silberlicht herab;
Und die Sternlein funkeln in der Ferne,
Schau’n herab auf Leben und auf Grab.
Willkommen Mond, willkommen sanfter Bote
Der Ruhe in dem rauhen Erdenthal,
Verkündiger von Gottes Lieb’ und Gnade,
Des Schirmers in Gefahr und Mühesal.
Willkommen Sterne, seid gegrüßt ihr Zeugen
Der Allmacht Gottes, der die Welten lenkt,
Der unter allen Myriaden Wesen
Auch meiner voll von Lieb’ und Gnade denkt.
Ja heil’ger Gott, du bist der Herr der Welten,
Du hast den Sonnenball emporgethürmt,
Hast den Planeten ihre Bahn bezeichnet,
Du bist es, der das All mit Allmacht schirmt.
Unendlicher, den keine Räume fassen,
Erhabener, den Keines Geist begreift,
Allgütiger, den alle Welten preisen,
Erbarmender, der Sündern Gnade beut!
Erlöse gnädig uns von allem Uebel,
Vergieb uns liebend jede Missethat,
Laß wandeln uns auf deines Sohnes Wegen,
Und siegen über Tod und über Grab.
Man merkt, Gedichte sind nicht sein Ding. Und dennoch ist viel Dichtkunst in Büchner. Er schreibt sie eine seine Theaterstücke hinein. Wie in diesen Monolog des Leonce, das ist doch reine Poesie: Ein sonderbares Ding um die Liebe. Man liegt ein Jahr lang schlafwachend zu Bette, und an einem schönen Morgen wacht man auf, trinkt ein Glas Wasser, zieht seine Kleider an und fährt sich mit der Hand über die Stirn und besinnt sich und besinnt sich. – Mein Gott, wieviel Weiber hat man nöthig, um die Scala der Liebe auf und ab zu singen? Kaum daß Eine einen Ton ausfüllt. Warum ist der Dunst über unsrer Erde ein Prisma, das den weißen Gluthstrahl der Liebe in einen Regenbogen bricht? In welcher Bouteille steckt denn der Wein, an dem ich mich heute betrinken soll? Bringe ich es nicht einmal mehr so weit? Ich sitze wie unter einer Luftpumpe. Die Luft so scharf und dünn, daß mich friert, als sollte ich in Nankinghosen Schlittschuh laufen. – Meine Herren, meine Herren, wißt ihr auch, was Caligula und Nero waren? Ich weiß es. Komm Leonce, halte mir einen Monolog, ich will zuhören. Mein Leben gähnt mich an, wie ein großer weißer Bogen Papier, den ich vollschreiben soll, aber ich bringe keinen Buchstaben heraus. Mein Kopf ist ein leerer Tanzsaal, einige verwelkte Rosen und zerknitterte Bänder auf dem Boden, geborstene Violinen in der Ecke, die letzten Tänzer haben die Masken abgenommen und sehen mit todmüden Augen einander an. Ich stülpe mich jeden Tag vier und zwanzigmal herum, wie einen Handschuh. O ich kenne mich, ich weiß was ich in einer Viertelstunde, was ich in acht Tagen, was ich in einem Jahre denken und träumen werde. Gott, was habe ich denn verbrochen, daß du mich, wie einen Schulbuben, meine Lection so oft hersagen läßt?
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