Mittwoch, 2. April 2025

Comment te dire adieu


Serge Gainsbourg, der heute Geburtstag hat, war schon vor zwei Jahren am zweiten April mit einem Chanson in dem Post l'océan de l'oubli. Das schöne Lied wurde auch schon in dem Post Verzierungen zitiert. Und Gainsbourg selbst ist natürlich auch schon in dem Blog, zum Beispiele ind den Posts souvenirs et regrets und Jane Birkin ✝. Mein Chanson heute heißt Je suis venu te dire que je m'en vais, es handelt von der Liebe und vom Ende der Liebe. So etwas können die Franzosen ja ganz wunderbar:

Je suis venu te dire que je m'en vais
Et tes larmes n'y pourront rien changer 
Comme dit si bien Verlaine au vent mauvais
Je suis venu te dire que je m'en vais
Tu t'souviens des jours anciens et tu pleures
Tu suffoques, tu blêmis à présent qu'a sonné l'heure
Des adieux à jamais
Je suis au regret
De te dire que je m'en vais
Oui, je t'aimais, oui, mais

Je suis venu te dire que je m'en vais
Tes sanglots longs n'y pourront rien changer
Comme dit si bien Verlaine au vent mauvais
Je suis venu te dire que je m'en vais
Tu t'souviens des jours heureux et tu pleures
Tu sanglotes, tu gémis à présent qu'a sonné l'heure
Des adieux à jamais
Oui, je suis au regret
De te dire que je m'en vais
Car tu m'en as trop fait
Je suis venu te dire que je m'en vais

Je suis venu te dir'que je m'en vais
et tes larmes n'y pourront rien changer
comm'dit si bien Verlaine "au vent mauvais"
je suis venu te dir'que je m'en vais

Tu t'souviens des jours anciens et tu pleures
tu suffoques, tu blémis à présent qu'a sonné l'heure
des adieux à jamais
oui je suis au regret
de te dir'que je m'en vais
oui je t'aimais, oui, mais
je suis venu te dir'que je m'en vais
tes sanglots longs n'y pourront rien changer
comm'dit si bien Verlaine "au vent mauvais"
je suis venu d'te dir'que je m'en vais

Tu t'souviens des jours heureux et tu pleures
tu sanglotes, tu gémis à présent qu'a sonné l'heure
des adieux à jamais
oui je suis au regret
de te dir'que je m'en vais
car tu m'en as trop fait

Je suis venu te dir'que je m'en vais
et tes larmes n'y pourront rien changer
comm'dit si bien Verlaine "au vent mauvais"
je suis venu d'te dir'que je m'en vais

Tu t'souviens des jours anciens et tu pleures
tu suffoques, tu blémis à présent qu'a sonné l'heure
des adieux à jamais
oui je suis au regret
de te dir'que je m'en vais
oui je t'aimais, oui, mais

Je suis venu te dir'que je m'en vais
tes sanglots longs n'y pourront rien changer
comm'dit si bien Verlaine "au vent mauvais"
je suis venu d'te dir'que je m'en vais

Tu t'souviens des jours heureux et tu pleures
tu sanglotes, tu gémis à présent qu'a sonné l'heure
des adieux à jamais
oui je suis au regret
de te dir'que je m'en vais
car tu m'en as trop fait...


Gainsbourg zitiert Paul Verlaine in seinem Chanson. Der vent mauvais findet sich in Verlaines Chanson d’automne. Einem Gedicht, bei dem sich auch Jacques Prévert bedient hat, denn manches von Verlaine findet sich in Les feuilles mortes wieder. Gainsbourg, der mit Jane Birkin zusammenlebte, als er diesen Text schrieb, hat ihn wahrscheinlich für seine zweite Frau Françoise-Antoinette Pancrazzi geschrieben, mit der er zwei Kinder hatte. Die schöne Frau hat erstaunlicherweise keinen Eintrag bei Wikipedia. Aber sie wird immer in diesem Lied sein, auch wenn da steht: tu m'en as trop fait... Immer tun die Frauen den Männern etwas an. Bei Charles Aznavour steht in seinem Chanson Sur ma vie als letzte Zeile auch so etwas: tout le mal que tu m'as faitSerge Gainsbourg hat das Chanson, das 1973 als 45er Single erschien, immer wieder gesungen (und das Comment te dire adieu des heutigen Post-Titels, das Françoise Hardy singt, das hat er auch geschrieben).✺Jane Birkin hat Je suis venu te dire que je m'en vais ein Jahr nach Gainsbourgs Tod sehr schön mit ihrem Sprechgesang vorgetragen. Das Internet ist voll von Cover Versionen. ✺Marianne Faithfull sollte man nicht anklicken, diese ✺Fernsehshow auch nicht.

Aber interessant fand ich Alliye, die laut Spotify vier Alben auf dem Markt hat und man dort erfährt: Multilingual music artist, singer, songwriter and music producer from the state of Maranhão (northeast of Brazil), Alliye began her artistic activities in Paris, France in 2006. Currently residing in the capital of São Paulo, Alliye faces the challenges of producing her musical projects autonomously, making use of streaming services to launch her songs, and also creating French versions of Brazilian hits. Bei ihr bekommt Je suis venu te dire que je m'en vais einen südamerikanischen Touch. Ist noch nicht ganz A beleza que não é só minha, aber doch schon ein bisschen.


Dienstag, 1. April 2025

April


Da ist er, der Monat April. Sie kennen das schon, wenn Sie diesen Blog lesen, es gibt den ganzen Monat Gedichte. Das erste kommt von der amerikanischen Dichterin Edna St. Vincent Millay. Thomas Hardy hat über sie gesagt, dass Amerika zwei Attraktionen hätte. Das eine seien die Wolkenkratzer, das andere die Gedichte von Edna St. Vincent Millay. Das Gedicht Spring, das heute hier steht, ist nicht unbedingt repräsentativ für ihre Dichtkunst. Aber es ist sehr witzig, und der Monat April kommt auch drin vor.

To what purpose, April, do you return again?
Beauty is not enough.
You can no longer quiet me with redness
Of little leaves opening stickily.
I know what I know. (5)
The sun is hot on my neck as I observe
The spikes of the crocus.
The smell of the earth is good.
It is apparent that there is no death.
But what does that signify? (10)
Not only under ground are the brains of men
Eaten by maggots.
Life in itself
Is nothing,
An empty cup, a flight of uncarpeted stairs. (15)
It is not enough that yearly, down this hill,
April
Comes like an idiot babbling and strewing flowers.

Auf der Seite von Hans-Peter Kraus findet sich eine deutsche Übersetzung, aber die werden Sie nicht brauchen.

Montag, 31. März 2025

J.S. Bach

Heute vor 340 Jahren (auf jeden Fall nach dem Gregorianischen Kalender) wurde Johann Sebastian Bach geboren. Das wird in Deutschland überall gefeiert, auch schon am 21. März gab es Geburtstagsfeiern. Da hatte Bach nach dem Julianischen Kalender Geburtstag. An beiden Tagen gab es hier schon einen Post zu dem Komponisten, Bach war immer in diesem Blog. Ich könnte jetzt viele Musiker zitieren, die Bachs Werk in den Himmel gehoben haben. Ich habe hier etwas, das allerdings von keinem Musiker stammt:

Johann Sebastian Bach verkörpert das Beste und Edelste unseres Volkes. Rührung und Bewunderung erfasst uns, wenn wir bedenken, aus wie engen, kleinlichen Verhältnissen eines durch die Barbarei des Dreißigjährigen Krieges verelendeten und uneinigen Deutschland sich dieses wunderbare Genie erhoben hat. Die große nationale Bedeutung Bachs besteht darin, dass er nicht nur der größte Vollender der Kunst der Feudalzeit war, sondern zugleich der Schöpfer einer neuen Entwicklung der Musik. Mit Bach beginnt das große Zeitalter der klassisch deutschen Musik. Die umwälzende Tat Bachs bestand darin, dass er die Musik aus den Fesseln der mittelalterlichen Scholastik löste und alle Bindungen brach … Bach war in seinem ganzen Werk ein Herold des Friedens … Bachs Werk ist im schönsten und wahrsten Sinne ein Werk des Friedens und der Freundschaft zwischen den Völkern. Den letzten Satz wollen wir mal blind unterschreiben, auch wenn Wilhelm Pieck den vielleicht 1950 beim Bach-Fest in Leipzig anders gemeint hat. Pieck hob auch die Pflege Bachs in der Sowjetunion hervor, davon kann heute wohl keine Rede mehr sein.


Ich möchte für den heutigen Tag ein kleines Gedicht einstellen. Das erste Bach Gedicht, das ich im Internet fand, war von dem Bremer Maler und Dichter Arthur Fitger aus dem Jahre 1890. Über Fitger werden in den Posts Marschendichter und che gelida mani schon böse Dinge gesagt, und deshalb erspare ich Ihnen sein Gedicht. Ich hätte natürlich das schöne Gedicht The Stillness of the World before Bach von Lars Gustafsson nehmen können, aber das steht in der deutschen Übersetzung schon in dem Post Variationen. Das Gedicht heute ist von Johannes Bobrowski und heißt schlicht J.S. Bach:

Unbequemer Mann,
Stadtpfeifergemüt, mit Degen
wie mit Neigung zum Sentiment
(praktikabel, versteht sich),
einer Kinderfreude
an plätschernden Wassern, stetig
wirkendem Gang der Flüsse;
so sind der kahle Jordan
und der von Himmeln trächtige
Euphrat ihm
freundlich.

Daß er die Meerbucht sah –
einen dort, der herging
hinter Feuern unsichtbar
der die Planeten rief
mit einer alten Qual –,
manchmal
im blitzenden Köthener Spiel
im Bürgerprunk
der Leipziger Jahre
taucht das herauf. Zum Ende
hat er des Pfingstgeists Sausen
nicht mehr gehört mit Trompete
oder Posaune (auf 16 Fuß).

Flöten gehn ihm voraus,
als er müdegeschrieben
tritt vor sein altertümliches Haus,
den fliegenden Wind
spürt, die Erde
nicht mehr erkennt.

Ich habe für Sie hier eine Interpretation von Eckart Kleßmann, mit der wird vieles klarer, was im ersten Augenblick seltsam erscheint. Dass ich ein Gedicht zur Feier des Tages gewählt habe, hat natürlich damit zu tun, dass morgen in Amerika und bei mir der Poetry Month beginnt. Trotz Donald Trump. Und ein wenig Musik habe ich auch für Sie, klicken Sie doch einmal Tatiana Nikolayeva an. Sie können natürlich auch bei Facebook RhythmOne anklicken, aber Tatiana Nikolayeva ist besser.

Freitag, 28. März 2025

Ustinovs Autos

Der Schauspieler, Regisseur und Schriftsteller Sir Peter Ustinov starb heute vor einundzwanzig Jahren. Kurz vor seinem Tod hatte er von meiner Heimatstadt Bremen den Hansepreis für Völkerverständigung für sein künstlerisches Lebenswerk im Geist von Völkerfreundschaft und Völkerverständigung erhalten. Im Jahre 2002 war der Unicef Botschafter auch in Bremen gewesen und hatte sich in das Goldene Buch der Stadt eingetragen. Ein Jahr später war er wieder in der Hansestadt, als Gast der Talkshow 3 nach 9. Ich glaube, das war sein letzter Fernsehauftritt vor seinem Tod. Da lieferte Ustinov zusammen mit der Mezzosopranistin Cecilia Bartoli ein kleines ✺Kabinettsstückchen. Bartoli sang das neapolitanische Lied Tic e Tic e Toc mio bel moretto und Ustinov imitierte die Motorengeräusche eines Fiat Cinquecento. Wie der sich der anhört, wusste Ustinov genau, denn als er der Offiziersbursche von David Niven im Royal Sussex Regiment war, hatte er sich für 200 Pfund einen Fiat Topolino gekauft.
 
Er war ein wenig autoverrückt, das steht schon in dem Post Traumwagen. Hier ist er mit seinem →Hispano-Suiza, der ihm 1988 gestohlen wurde. Er hat alle →Autos besessen, von denen man träumen kann, fuhr aber im Alter einen DAF Variomatic. Weil der nie im Schweizer Schnee steckenblieb. Doch wenn er auch einen DAF besaß, seinen ✺Maserati hat er nie aufgegeben. Playboys fahren Ferrari, aber Gentlemen sitzen im Maserati, hat er einmal gesagt.

Ich habe hier für Sie noch eine kleine Delikatesse des Autonarren Ustinov. Eine einstündige Tonaufnahme aus dem Jahre 1958, die →The Grand Prix of Gibraltar heißt. Ustinov spielt da einen Sportreporter, der die Rennfahrer Jose Julio Fandango, Girling Foss, Wolfram v. Grips, Karl Fling und Bill Dill interviewt. Die natürlich alle von ihm selbst gespielt werden. Die Motorgeräusche sind auch von ihm. Das ist das Formel 1 Rennen, zu dem Herr Doktor Altbauer, der Rennleiter des Schnorcedes Teams sagt: man must be zee slave of zee machine. Man kann diese wunderbare Tonaufnahme als CD kaufen, Sie können aber ✺The Grand Prix of Gibraltar auch hier hören.

Den Hispano-Suiza aus dem Jahre 1934 hatte ihm seine Ehefrau geschenkt. All seine ersten Autos waren Gebrauchtwagen gewesen. Der erste Neuwagen, den er sich 1953 kaufte (da war er gerade durch Quo Vadis berühmt geworden), war ein Lagonda, das war nun wirklich etwas Exklusives. Autos haben sein Leben bestimmt, schon als kleiner Junge bildete er sich ein, ein Auto zu sein. Das können wir in seiner Autobiographie Dear Me lesen: In fact, in my younger years, I was a motor-car, to the dismay of my parents. Psychiatry was in its infancy then, both expensive and centered in Vienna. There was no one yet qualified to exorcise an internal combustion engine from a small boy. I know to this day precisely what make of car I was, an Amilcar.

Als Sir Peter Ustinov 2004 starb, schrieb der Motorsportjournalist Don Capps: Anyone who thought he was an Amilcar as a boy was destined to be someone very special whenever he grew up. Fortunately, he never really grew up and we were given a most delightful and talented man to enrich our lives ... someone who was perhaps still that Amilcar... Ich finde, das ist ein wunderbarer Nachruf.

Mittwoch, 26. März 2025

6.400.000

Dass hier am frühen Morgen die Zahl von 6.400.000 Lesern auftauchen würde, das war war mir gestern Abend klar. Ich feierte das Ereignis, indem ich mir bei kleinanzeigen um Mitternacht eine gerade reduzierte King Quartz Seiko kaufte. Die hatte ich noch nicht, beinahe alle anderen 70er Jahre Quarzuhren von Seiko besitze ich schon. Das war die große Zeit von Seiko, als sie beinahe jedes Jahr ein neues Quarzwerk zu Preisen zwischen 2.500 und 25.000 Dollar herausbrachten. Dass ich eine Seiko QT (Bild), eine der ersten Quarzuhren von Seiko, aus dem Jahre 1973 besitze, wissen Sie noch nicht. Sie ist groß, schwer und scharfkantig. Ich weiß nicht, ob das noch das Tanaka Design oder schon das Space Age Design ist. Meine Freunde bei Tokei Japan hatten mir da zum Geburtstag ein besonderes Angebot gemacht, jetzt weicht das Monster nicht mehr vom Arm. Wenn man das QT englisch ausspricht, erhält man das Wort cutie, ein kleines Schätzchen. Und das ist diese Uhr auch. Die neue King Quartz wird hier irgendwann im Blog auftauchen; und ich gönne mir heute am Abend einen kleinen Whisky, oder einen kleinen Whiskey wie am Saint Patrick's Day. Und ich bedanke mich bei den vielen Lesern und bei dem Daniel, der mir einen schönen Preis für die luxuriöse King Quartz gemacht hat.


Montag, 24. März 2025

Telephondesinfizierer


Science Fiction ist nicht so mein Ding. Das wissen Sie, wenn Sie den Post Fantasy gelesen haben. Aber Per Anhalter durch die Galaxis (The Hitch-Hiker’s Guide to the Galaxy) von Douglas Adams habe ich 1981 gelesen, und eine kleine Geschichte daraus ist mir mit Kopf geblieben. Sie betrifft den übervölkerten Planeten Golgafrincham, der sich von einem Drittel seiner Bevölkerung trennen will. Den Leuten, die man nicht braucht, Filmproduzenten, Frisöre, Unternehmensberater, Versicherungsvertreter und Telephondesinfizierer (telephone sanitisers). Wir sind im Jahre 1979, da gibt es noch öffentliche Telephone. Die müssen mal saubergemacht werden. Man packt die überflüssigen Leute in das Raumschiff B und schießt sie ins Weltall. Die landen dann auf einem kleinen Planeten namens Erde. Soweit, so gut, aber die Geschichte hat noch einen kleinen Twist. Die Bewohner von Golgafrincham infizieren sich beim Telephonieren mit ungereinigten Geräten mit einer tödlichen Seuche, und in kürzester Zeit ist die ganze Bevölkerung des Planeten ausgestorben.

In Amerika trennt man sich in diesen Tagen dank Elon Musk von vielem, und Musk &Co wissen offenbar nicht so ganz, was sie damit anrichten. Dass es ein Fehler war, die Ebola Prävention zu streichen, hat Musk eingesehen und hat die Maßnahme rückgängig gemacht. Aber da sind tausend andere kleine Dinge, die schwerwiegende Folgen haben. Max Stier, der Präsident der Partnership for Public Service, hat gesagt: They’re like a kid in a nuclear power plant running around hitting buttons. They have no sense of the cascade of consequences they’re causing. Der Professor Patrick Malone sagte zu den Aktivitäten der Musk Truppe: It's an absolute clown show. Da können wir nur hoffen, dass die Clowns die telephone sanitisers nicht wegrationalieren.

Donnerstag, 20. März 2025

Knyphausen


Der Freiherr Philipp Wilhelm von Innhausen und Knyphausen wurde am 20. März 1591 auf Schloss Lütetsburg geboren. Er ist 1652 im Exil in Bremen gestorben, weil er im Streit mit dem Grafen Anton Günther von Oldenburg seine Herrschaften Innhausen und Knyphausen gegen ein erbliches Surrogat-Capital von jährlich 3.000 Reichsthalern hatte aufgeben müssen. Die Familie von Innhausen und Knyphausen bezog aus diesem Vertrag 340 Jahre lang Zahlungen, bis sie sich 1964 mit dem Land Niedersachsen auf ein Ablöseabkommen einigte. Der Graf Anton Günther war schon mehrfach in diesem Blog, zum Beispiel in den Posts Wolfgang Heimbach und Kohl und Pinkel (weil der Grünkohl im Hotel Graf Anton Günther besonders gut ist). Das Schloss Lütetsburg kenne ich, weil ich mich mal in einem Sommerurlaub durch alle Schlösser Ostfrieslands photographiert habe. Nicht mit dem Handy, sondern mit der Canon A1. Die Familie von Innhausen und Knyphausen lebt heute immer noch in dem Schloss Lütetsburg, das bei Theodor Fontane in Fünf Schlösser Lützburg heißt. Fontane war 1880 nach Lütetsburg gereist, um dort alles aus dem Familienarchiv auszugraben, was er für sein Buch gebrauchen konnte (lesen Sie hier mehr dazu). Zum Dank dafür, das ihm die Familie das alles erlaubte, hat er noch das kleine Gedicht Lützburg geschrieben:

Ein uraltes Schloß am Meeresstrand;
Ein herrlicher Park im baumlosen Land;
Durch Dämme geschützt vor der stürmenden Flut,
Manch geräumiger Hof, manch reiches Gut.
Viel wogendes Korn und Vieh auf der Weide
Und mahlende Mühlen und schweigende Heide,
Viel Gottessegen! Wie seltenste Arten
Der Bäume gedeihn trotz des Nordwinds im Garten,
Wie die Rosen ums Schloß blühn wunderbar,
So blüht im Haus die Töchterschar,
Wie im Hofe entspringt ein klarer Quell,
In den Herzen sprudelt der Frohsinn hell,
Die Jüngsten umjubeln die alte Veste,
Die Großen empfangen im Saale die Gäste,
Neun Schwestern, von eigener Art eine jede,
Und doch so ähnlich in Antlitz und Rede;
Die Stirnen klar und hell die Blicke,
Und alle haben den Schalk im Genicke,
Selbständig jede und selbstlos zugleich,
Streng gegen sich, für die andern weich.
Wer jemals hier Gastfreundschaft genoß,
Des Geist spukt um das alte Schloß
.

Philipp Wilhelm von Innhausen und Knyphausen hat auch ein wenig gedichtet, das tun Adlige im Barock gern. Er wurde 1634 von Ludwig I. von Anhalt-Köthen in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen, wozu er dieses Gedicht verfasste:

Wie der Liebesäpffel frucht ist schön vnd Zugenießen
Gar wenig, Alß auch Zur liebe man gefließen
Zwart alle Zeit sol sein, doch weiter gehen nit
Als seine pflicht der eh in allem bringet mit
Verliebt der nahme mir derhalben ist gegeben
Dardurch Zu deuten ahn, wie eines Mannes leben
Jm er fruchtbringend sey in seinem hauß allein.

Das ist nun nicht der Höhepunkt der Barocklyrik, aber immerhin, unser in Bremen lebender Freiherr dichtet. Ich möchte dem Gedicht ein anderes Werk gegenüberstellen, das auch von einem Knyphausen geschrieben wurde. Es hat den Titel: Es ist still auf dem Rastplatz Krachgarten

Alle sind stumm bis auf das Radio
und auf der Gegenfahrbahn
Lichter die aus dem Dunkeln sich verirren
Es geht mir gut, es geht mir sehr, sehr gut
wohin auch immer wir fahren
jeder Meter bringt uns weiter weg
und führt uns näher ran
an all die Dinge die wir nie begreifen werden... oh
solange dir Räder rollen stehen meine kleinen Teufel still
halte bitte nicht an, bitte noch nicht

aus unseren schäbigen, alten Boxen strömen die Lieder
aus vielen, vielen, vielen Jahren direkt in unsere Herzen
ihre Sänger haben die immer gleichen Losung auf den Lippen
die Welt ist gräßlich und wunderschön... mhm

Gegen Fernweh
hilft nur das Heimweh
das rufe ich und renne los
immer wenn der Regen gegen mein Fenster schlägt
und dabei, ist es doch das Heimweh
das mich suchen lässt
an Orten fern von hier
in Leben die fern von meinem sind
dieser alte Trugschluß
ist das, was mich antreibt
ist das, was mich aufschreckt in der Nacht
das, was ich nicht los lassen kann 
also lass mich los
lass mich los

aus unseren schäbigen, alten Boxen strömen die Lieder
aus vielen, vielen, vielen Jahren direkt in unsere Herzen
ich hab die immer gleiche Losung auf den Lippen
die Welt ist gräßlich und wunderschön... mhm

Gisbert zu Knyphausen schreibt nicht nur solche Texte, er singt auch noch. Er ist irgendwo zwischen Hannes Wader, Klaus Hoffmann und Reinhard Mey, ist aber nicht schlecht. Er singt auch Schubert, aber das kann Hannes Wader besser. Gisbert ist zur Zeit der berühmteste Namensträger der Familie Knyphausen. Oder ist das die Künstlerin Cosima zu Knyphausen? Oder der Schauspieler Felix zu Knyphausen? Diese Knyphausens scheinen überall zu sein, bei Eltville haben sie noch ein Weingut und verkaufen Weine, die Baron Knyphausen heißen.

Berühmt war auch einmal Wilhelm Knyphausen, der als General in hessischen Diensten mit den Truppen, die der Soldatenhändler Friedrich II von Hessen den Engländern verkauft hatte, in Amerika kämpft. Er ist den ganzen Unabhängigkeitskrieg dabei und hat einen großen Moment, wenn er Fort Washington erobert. Das der englische General Sir William Howe umgehend in Fort Knyphausen umbenennt. Es heißt heute aber wieder Fort Washington.

Der bedeutendste aus der Familie scheint mir Edzard Moritz zu Innhausen und Kyphausen zu sein, den der hannoversche König 1816 zum Grafen ernannt hat. Sein Sohn Carl Wilhelm Georg Graf zu Inn- und Knyphausen wird ein hoher Beamter im Königreich Hannover werden; leider ist das Porträt von Franz Krüger 1893 verbrannt und ist nur noch als Lithographie zu sehen. Edzard Moritz hatte nach dem Tode seines Bruders die Herrlichkeit (welch schönes Wort) Lütetsburg geerbt und sofort damit begonnen, den von seinem Großvater angelegten Barockpark umzugestalten. Er will so etwas haben, was Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau in Wörlitz geschaffen hat. Das wollen die kleinen Fürsten in dem Flickenteppich Deutschland jetzt alle, ob sie Pückler oder Malte von Putbus heißen. Sie wollen einen englischen Landschaftsgarten (zu dem es hier einen ausführlichen kulturhistorischen Post gibt).

Der Park, den ihm die Landschaftsgärtner Carl Ferdinand Bosse und  Julius Friedrich Wilhelm Bosse acht Kilometer von der Nordsee entfernt bauen wird, ist der größte private englische Landschaftsgarten Norddeutschlands. Er wäre vielleicht noch größer geworden, wenn nicht der Großherzog von Oldenburg Peter Friedrich Ludwig den jungen Bosse abgeworben hätte. Wofür er eine erhebliche Entschädigungssumme zahlen muss. Heute werden Fußballspieler verkauft, damals kaufen sich Fürsten Landschaftsgärtner. Philipp Wilhelm hatte die kleinen Flecken Innhausen und Knyphausen bei Wilhelmshaven nur bekommen, weil sein älterer Bruder katholisch geworden war. In der Fruchtbringenden Gesellschaft hatte er den Namen der Verliebte. Er wird dafür sorgen, dass eines Mannes leben Jm er fruchtbringend sey in seinem hauß allein. Sein Name wird nicht aussterben. Er wird dreimal heiraten und fünf Söhne haben, von denen der schwedische Feldherr Dodo Moritz Reichsgraf zu Innhausen der berühmteste sein wird.