Dienstag, 25. Juni 2024

Äquivalenzparfüm


Wissen Sie, was das ist? Ein Äquivalenzparfüm? Bevor die Werbung diesen schönen Namen fand, hieß das ganz einfach Duftzwilling. So wie in Tim Mälzers Sendung Kitchen Impossible Köche ein Gericht nachkochen, das sie nicht kennen, so finden Parfümeure die Formel von einem teuren Parfüm heraus und bauen das nach. Natürlich preiswert. Hinter allen Markennamen steht ein ParfümeurCoco Chanel hat ihr gleichnamiges Parfüm nicht erfunden. In dem Buch Obsession: The Lives and Times of Calvin Klein findet sich die schöne Geschichte, dass Calvin Klein ein richtig gutes Parfüm haben will. Nicht diese billigen synthetischen Wässerchen, die niemals aus der Stadt Grasse kommen (dort beginnt ja auch der Held von Patrick Süskinds Das Parfum seine Karriere). Eine Duftprobe, die bei Calvin Klein gleich als zu billig riechend rausfliegt, verkauft die Firma, die für Calvin Klein den Duft kreiert, später an seinen Konkurrenten Ralph Lauren.

Es gibt ja alte Parfüms, die sehr teuer sind. Der englische König soll jetzt angeblich Creeds Green Irish Tweed benutzen, da kostet das Fläschchen 245 £. Für die Königin Victoria war Creed in Paris schon eine wichtige Adresse. Henry Creed hatte als Schneider begonnen, die Kaiserin Kaiserin Eugénie trug seine Kleider (und Mata Hari wurde in einem Creed Kostüm erschossen). 1845 schuf er für Victoria das Parfüm Fleurs de Bulgarie, das immer noch hergestellt wird. Green Irish Tweed kam 1986 auf den Markt, geschaffen von dem Parfümeur Pierre Bourdon; der wenig später das Cool Water für Davidoff kreierte. Das soll angeblich so ähnlich riechen wie Green Irish Tweed, kostet aber nur einen Bruchteil davon. Exklusiv ist das Zeuch nicht unbedingt, man kann es schon bei Amazon kaufen.

Das Internet ist voll mit angeblichen Duftzwilligen von Green Irish Tweed, da liest man dann Sätze wie: Ein klassischer, holzig-blumiger Duft, der Sie unvergesslich machen wird. Seine außergewöhnlich frischen Aromen erinnern an üppiges irisches Grün und frisch gemähtes Gras, verwoben mit der kühlen Meeresbrise. Das Beste an Parfüms sind die Beschreibungen. Die sprachlich wunderbar sind und auf jeden Fall das Wort Nuttendiesel, das in den siebziger Jahren aufkam, vermeiden. Das erste Parfüm, das man mit Charles assoziierte, war Penhaligons Blenheim Bouquet. Das hatte ihm Diana zur Verlobung geschenkt. Hat aber den beiden kein Glück gebracht.

Ich hatte das auch mal, ist mir aber viel zu teuer geworden. Das 100 ml Fläschchen kostet 150 Euro. War vor Jahrzehnten die Hälfte. Wenn man unbedingt diesen Duft haben will, dann sollte man das Wellington von Geo. F. Trumper nehmen, riecht genauso, ist aber viel preiswerter. Charles hat inzwischen einen eigenen Duft, den er zusammen mit Penhaligon entwickelt hat. Der heißt nach seinem Landsitz Highgrove Bouquet; ist teurer als das Blenheim Bouquet, das vor über hundert Jahren von Penhaligon geschaffen wurde, um den Duke of Marlborough zu ehren. So furchtbar exklusiv ist das Highgrove Bouquet nicht, man kann es auch schon bei Amazon kaufen.

Ich war letztens auf der Suche nach einem neuen Rasierwasser. Es sollte mal was Neues sein, etwas, was nicht jeder hat. Das wiederbelebte DDR Rasierwasser Tüff  kam allerdings nicht in die engere Wahl. Ich habe zwar noch einige Flaschen Aftershave, aber das sind Flaschen von Düften, die es nicht mehr gibt. Fällt schon unter Vintage. All die englischen Wässerchen, die ich früher verwendet habe, sind vom Markt verschwunden oder sind so teuer geworden, dass man sich nach einer preiswerten Alternative umsieht. Viele Firmen haben auch ihre Ingredienzien verändert. Das Malmaison, das einst das Lieblingsparfüm von Oscar Wilde war, gibt es bei Floris immer noch, aber mit veränderten Zutaten. Ein Freund von mir, der jahrzehntelang Givenchys Gentleman benutzte, hat einen langen Briefkrieg mit der Firma geführt, bis sie zugab, ihre Formel geändert zu haben. 

Ich fand beim Aufräumen eine kleine Packung mit Duftproben, die mir Lothar Ruff von The English Scent mal geschickt hatte. Machte probeweise ein kleines Gläschen auf und Wow, was war das ein Duft. Hieß Russian Water und kam von der Anglia Perfumery. Dazu kann man bei The English Scent lesen: Russian Water ist eine Hommage an die traditionelle Parfümerie aus der viktorianischen Zeit. Der Duft eröffnet mit einer frischen und belebenden Kombination aus Zitrusfrüchten und Lavendel, die von würzigem Zimt und süßer Vanille begleitet wird. Im Herzen des Duftes vereinen sich florale Noten mit einem Hauch von exotischen Gewürzen, die dem Duft Tiefe und Sinnlichkeit verleihen. Abgerundet wird der Duft von einer warmen und sinnlichen Basis aus edlen Hölzern und orientalischen Noten, die eine geheimnisvolle Aura um den Träger des Duftes schaffen. Ein Eau de Toilette für den modernen Gentleman, der seine Wurzeln in der Vergangenheit ehrt und zugleich eine zeitlose Eleganz ausstrahlt. Das sind Sätze, die man zweimal lesen sollte, weil sie so schön sind und nichts bedeuten. Die in den 1980er Jahren entstandene Anglia Perfumery stellt, wenn man so will, Duftzwillinge der 1872 gegründeten Crown Perfumery her. Allerdings scheint es die Firma nicht mehr zu geben. Und der Name Russian Water hat in unseren Tagen auch keinen guten Klang mehr.

Ein Äquivalenzparfüm habe ich mir einmal gekauft. Es heißt Meet Me Extrême und kommt von einer Firma namens Omerta. Da holt man sich die Mafia ins Badezimmer. Es soll ein Duftzwilling von Diors 
Sauvage Elexir sein, kostet aber nur ein Zehntel von Dior. Hinter dem Namen Omerta steht eine holländische Firma namens Coscentra B.V., die seit zwanzig Jahren im Markt für Duftzwillinge tätig ist. Ihre Wässerchen sollen in Frankreich hergestellt und in Shanghai abgefüllt werden. Warum, fragt man sich. Angeblich werden sie in 45 Ländern vertrieben. Aber wenn sie in Shanghai abgefüllt werden, dann sind sie wahrscheinlich für den asiatischen Markt gedacht. Doch das Meet Me Extrême war für 12 Euro ein guter Kauf. 

Es gibt auch preiswerte gute Aftershaves, die nichts mit der Imitation anderer Düfte zu tun haben. Ich denke da an das Windsor des tschechischen Unternehmens Alpa. Die sind seit über hundert Jahren im Geschäft und waren einst berühmt für ihren Franzbranntwein. Ein Rezensent äußert sich zu dem Aftershave so: Ein überraschend großartiges, nostalgisches und günstiges Rasierwasser aus Tschechien. Es erfrischt, pflegt und lässt einen duften, als käme man in den 1930ern eben frisch rasiert vom Herrenbarbier in Prag, Wien oder Budapest: nach Cognac, Menthol, Wacholder und Lorbeer. Mit 71% Alkohol, belebendem Menthol und hautberuhigendem Allantoin. Das kann man so stehen lassen. Es ist im ersten Augenblick ein wenig gewöhungsbedürftig, aber spätesten am dritten Tag mag man es. Ich habe es vor Jahren von einem Freund geschenkt bekommen, dacht zuerst Igitt, aber dann mochte ich es doch. Ich habe es mehrfach wieder gekauft, das Experiment ist nicht teuer. Die 100 ml Flasche kostet zehn Euro. 

Alpa hat noch ein anderes Rasierwasser im Angebot, das 378 heißt. Das gibt es nur im 50 ml Fläschchen. Die Zahl bezieht sich auf die Hausnummer in der Hornoměstská Straße des mährischen Velké Meziříčí (Groß Meseritsch). Da imitiert man offenbar die Kölner Firma, die auch eine Hausnummer verwendet: 4711. Auf der Seite vom Pomade Shop kann man dazu lesen: Das Alpa 378 duftet nach den 1930ern oder 1970ern. Der Duft ist maskulin, aber unaufdringlich, holzig-aromatisch, frisch-würzig, leicht vanillig-süß. Er erinnert klar an das deutsche Rasierwasser Irisch Moos. Doch während das deutsche After Shave herb-trocken im Stil der 1970er bleibt, duftet das 378 in eine holzig-pudrige Chypre-Richtung der 1930er und wirkt dadurch eleganter ohne seine männlich-animalische Ausstrahlung zu verlieren. Das mit der männlich-animalischen Ausstrahlung ist natürlich der übliche Werbequatsch. Dass das Rasierwasser gut riecht, kann man nicht bestreiten, es ist allerdings doppelt so teuer wie das Windsor. Das Charmante an der Firma Alpa ist, dass alle ihr Produkte auch gut zu der Haut sind. Und dass sie keine Werbung betreiben. Auf der Flasche steht Voda Po Holen (Wasser zum Rasieren), das scheint noch nicht für den ausländischen Marktgedacht gedacht zu sein.

Lesen Sie auch: Aftershave

Samstag, 22. Juni 2024

Anouk Aimée ✝


Françoise Dreyfus war vierzehn, als sie in dem Film La Maison sous la mer die Rolle eines Mädchens namens Anouk spielte. Sie behielt diesen Vornamen. Die nächste Namensänderung verdankte sie Jacques Prévert, der das Drehbuch von Les amants de Vérone extra für sie geschrieben hatte. Er schlug ihr den Namen Aimée, die Geliebte, vor: Aimée parce que tout le monde l'aime. Der Filmstar Anouk Aimée (hier mit Serge Reggiani) war geboren. 

Im Jahr davor hätte sie schon an der Seite von Arletty berühmt werden können, aber Marcel Carné, der den Klassiker Les Enfants du Paradis gedreht hatte, drehte La Fleur de l'âge nicht zu Ende. Bevor sie Anouk Aimée wurde und so aussah wie hier in La Dolce Vita, wählte sie im Krieg den Namen Françoise Durand. Der Name ihrer katholischen Mutter bewahrte sie vor dem Tragen des gelben Judensterns. Dass man mit dem Namen Dreyfus im französischen Filmgeschäft nichts werden kann, das wusste die Familie. Sie wussten auch, dass sie mit dem mittlerweile rehabilitierten Hauptmann Dreyfus nicht verwandt waren. Der lebte übrigens noch, als Anouk Aimée geboren wurde.

Anouk Aimée ist gerade im Alter von zweiundneunzig Jahren gestorben; in dem Alter starb auch Jean-Louis Trintignant, mit dem sie in Un homme et une femme zu sehen war. Den Film kennen wir alle, und wir lieben sie in diesem Film. Sie war als beste Schauspielerin für den Oscar nominiert, aber es blieb leider bei der Nominierung. Immerhin bekam sie für ihre Rolle 1967 den Golden Globe und 1968 den British Academy Film Award. Mit diesem Bild ist sie 1961 in dem Film Lola, das Mädchen aus dem Hafen von Jacques Demy zu sehen, wo sie in Spitzencorsage so wunderbar ✺C'est moi, c'est Lola singt. Der Film ist ein wenig untergegangen, erst später haben Kritiker erkannt, dass dieser Film auch zur Nouvelle Vague gehörte. Aber die Nouvelle Vague war an der schönen Anouk nicht interessiert. Dabei hätte sie hervorragend in die Filme von François Truffaut gepasst.


Vieles an Filmen vor Un homme et une femme haben wir vielleicht nicht gesehen, also Les Amants de Montparnasse, wo sie die Rolle der Jeanne Hébuterne spielt. Damals ist sie vierundzwanzig, aber zwei Jahre später ist sie ein wirklicher Star. Weltweit weg von einem Film wie Ich suche Dich, wo sie an der Seite von O.W. Fischer 1956 in einem deutsche Melodram mitspielte. Es gab Rezensionen, die grottenolmschlecht waren, aber O.W. Fischer hatte es etwas Nettes über sie zu sagen: Mademoiselle Aimée ist ein Wunder - strahlend schön und eine begnadete Künstlerin. 

Die Filmhistorikerin Ginette Vincendeau hat über Aimées Filme gesagt: they established her as an ethereal, sensitive and fragile beauty with a tendency to tragic destinies or restrained suffering. Wir brauchen uns nur das Photo im oberen Absatz anzuschauen und wissen, dass der Satz stimmt. Aber reicht eine sensitive and fragile beauty with a tendency to tragic destinies or restrained suffering aus, um einen schrottigen Film wie Der goldene Salamander zu retten? Das Filmplakat spricht doch Bände. Es ist ihr erster englischer Film, sie war achtzehn, sie wollte ins Filmgeschäft. Sie wird in ihrem Leben in siebzig Filmen zu sehen sein, viele dieser Filme sind leider wie Ich suche Dich und Der goldene Salamander.

Der schlechteste Film, in dem sie mitspielte, war wahrscheinlich Justine, der in Deutschland Alexandria - Treibhaus der Sünde hieß. Eine Literaturverfilmung nach Lawrence Durrells Justine aus seinem Alexandria Quartett, das sicher kaum verfilmbar war. Trotz Starbesetzung, zwei Regisseuren und der Anwesenheit des Autors bei den Dreharbeiten, ist an diesem Machwerk nichts zu retten, Anouk Aimée war todunglücklich bei den Dreharbeiten. 

Dirk Bogarde, der sie schon als Siebzehnjährige kannte (weil sie beide bei Rank unter Vertrag waren), beschreibt sie bei den Dreharbeiten von Justine als wan and sad for most of the time, since she had suddenly realised, too late, that her decision to accept Justine had most probably been, for one reason or another, a serious error of judgement on her part and was now feeling abandoned. Für ihn bleibt von den Dreharbeiten ein Bild haften: a tiny figure sobbing in the back of a Rolls. Die katastrophalen Dreharbeiten haben auch ein Gutes für Anouk, sie lernt Albert Finney, den sie 1970 heiratet. Es war ihre vierte Ehe. Sie blieb mit ihm fünf Jahre in London, in denen sie keinen Film drehte, sie drängelte sich nicht mehr nach Rollen. Dann lernte sie bei einer Party den elf Jahre jüngeren Ryan O'Neill kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick, sie hatte zwischen ihren Ehen immer wieder Affären. Und zwischen Ehe und Affären lagen auch lange Zeiten der Depression. Dirk Bogarde sagt noch etwas Interessantes über die Frau, die bei ihm häufig Gast in seinem Landsitz Bendrose war und topless in seinem Swimming Pool schwamm: She is never so happy as when she is miserable between love affairs. Finney zog ins Dorchester Hotel, Anuk Aimée in die Schickeria Gegend Knightsbridge. Die Ehe wurde 1978 geschieden. Wir kennen Albert Finney aus Tom Jones oder an der Seite von Audrey Hepburn in Two for the Road. Und an der Seite von Julia Roberts in Erin Brockovich.

Für Federico Fellini war Anouk die beste Schauspielerin der Welt, als er ihr eine Rolle neben Marcello Mastroianni in La Dolce Vita anbot. Bei den Dreharbeiten war Federico Fellini längst klar, dass er die beiden auch in dem nächsten Film Achteinhalb wieder haben wollte. Mehr oder weniger in den Film gerutscht war Christa Päffgen aus Köln, allerdings nicht unter diesem Namen. Sie nannte sich jetzt Nico (sie hat hier natürlich schon einen Post). War blond, kalt wie Eis. Sie sah aus, als wäre sie am Bug eines Wikingerschiffs über den Atlantik gekommen, hat Andy Warhol, in dessen Band Velvet Underground sie sang, über sie gesagt. 

Nico war jetzt eine Ikone der Popkultur (hier ist sie mit Marcello Mastroianni zu sehen). Während der Dreharbeiten zu La Dolce Vita sagt Anouk Aimée zu Nico: Es ist eigenartig, daß Sie den Namen Nico tragen. Mein Ehemann hieß so. Wir sind jetzt geschieden. Er war Grieche und unterhielt in Paris einen Nachtclub. Das ist der Augenblick, in dem Nico mucksmäuschenstill ist. Denn sie kennt diesen Nico. Der war der Lover von dem Photographen, der sie entdeckte und ihr den Namen seines Ex-Lovers gab. Und eine Affäre hatte sie auch mit dem griechischen Nico. Das klingt jetzt wie eine Szene aus einer schlimmen Schmonzette à la Rosamunde Pilcher, aber solche Drehbücher schreibt das Leben manchmal.  

Claude Lelouch, ein Spätling der Nouvelle Vague, macht das wieder gut, was seine Kollegen verpasst haben. Er holt sie aus dem internationalen Filmgeschäft wieder in den französischen Film zurück und gibt ihr nach Un homme et une femme (1966) auch im Alter noch schöne Rollen. In Filmen wie Si c'était à refaire (1976), Un homme et une femme: Vingt ans déjà (1986), Hommes, femmes: mode d'emploi (1996), Ces amours-là. (2010) und ✺ Les Plus Belles Années d'une vie (2019). Der letzte Film war auch ihr letzter Auftritt vor der Kamera.

Hommes, femmes: mode d'emploi mochte ich sehr, ich habe den Film schon in den Posts Michel Piccoli und Maja Maranow erwähnt. Es ist, wenn man so will, wieder die gleiche Geschichte, die Lelouch in seinem Kino der Gefühle und Emotionen erzählt. Das hat er selbst gesagt, dass er in seinen Filmen nur eine einzige Geschichte erzählt, die aber fünfunddreißigmal. Anouk Aimée a changé ma vie, hat Lelouch nach ihrem Tod gesagt. Und er sagte auch: Elle a été ma compagne de route, mon amie de toujours. Wir werden Anouk Aimée, die Vielgeliebte, nicht vergessen, es gibt ja DVDs. Und ich habe für Sie heute in voller Länge: Lola, das Mädchen aus dem HafenUn homme et une femme und hommes, femmes: mode d'emploi 

Donnerstag, 20. Juni 2024

ein letztes Mal: Seiko


Als ich zum ersten Mal über Seiko Uhren schrieb, war ich überrascht, wie viel tausend Leser das lasen. Das war beim zweiten Post nicht anders. Ich habe sowieso mittlerweile gemerkt, dass alles über Uhren meine Leser mehr interessiert als andere Themen. Auch wenn es jetzt schon ein wenig langweilig wird, schreibe ich noch einmal über die japanische Firma Seiko, weil ich meiner Sammlung in den letzten Monaten zwei neue Seikos hinzugefügt habe. Sie sind natürlich nicht neu, sie sind sechzig oder fünfzig Jahre alt, und das macht ihren Reiz aus. Weil Seiko sich in den sechziger und siebziger Jahren von einem drittklassigen Hersteller, der seine Handaufzugs- und Automatikwerke aus der Schweiz importieren musste, plötzlich zu einer Firma gewandelt hatte, die Chronometer herstellte, die den Vergleich mit Schweizer Uhren nicht zu scheuen brauchten. Das war die große Zeit von Seiko. Alles, was sie heute herstellen, hat seine Wurzeln in dieser Zeit. Eine gar nicht so kleine Anzahl der Uhrwerke der sechziger und siebziger Jahre ist bei Seiko mit leichten Veränderungen und geänderten Namen wieder aufgetaucht.

Ich hätte diese Uhr nicht gebraucht, aber ich gucke jede Woche bei kleinanzeigen (die früher ebay kleinanzeigen hießen) rein. Vor allem bei dem Händler, bei dem ich schon zwei Seikos mit großer Zufriedenheit gekauft habe. Der Händler ist sehr nett, er versteht auch sehr viel von Uhren. Und wir verstehen uns gut. Sie sehen im Hintergrund den Firmennamen Tokei Japan. Und da sah ich diese Seiko Skyliner aus dem Jahr 1965, beinahe 38 mm groß. Handaufzug mit Kalender. Auf den Kalender war man damals stolz, das Wort calendar musste aufs Zifferblatt. 

War in Deutschland bei der Dugena nicht anders, da kam auch das englische Wort aufs Zifferblatt. Aber die Dugena sieht nicht so gut aus wie meine Skyliner. Ich persönlich kann auf die Kalenderfunktion von Uhren gerne verzichten. Aber manchmal kriegt man das, was man haben will, eben nur mit einem Kalender. Wie die Seiko Skyliner da oben. Ist vom Design eher die kleine Schwester der King und Grand Seikos der Endsechziger. Ich sah die Uhr, klickte ein halbes Dutzend Abbildungen an und dachte mir, ich muss sie haben. Weil sie so cool ist. Und weil sie meiner schönen Seiko Champion 850 Seahorse so ähnlich ist. Das Seepferdchen hat sie auch auf dem Boden. Wahrscheinlich sollte das bedeuten, dass sie ein wenig wasserdicht ist. Auf dem Zifferblatt steht waterproof. Dreißig und fünfzig Meter waren damals für Seiko die Norm. Die Schweiz setzte auf einhundertzwanzig Meter, erst dann schraubte die IWC die Fischli Krone auf die Uhr, und Tissot schrieb T12 aufs Zifferblatt.

Das Uhrwerk vom Kaliber 6222 hat einundzwanzig Steine und schwingt langsam mit 18.000 Halbschwingungen. Das Handaufzugswerk der Kaliberfamilie 62 wurde von 1963 bis 1973 hergestellt, danach gab es bei Seiko erst einmal keine Handaufzugswerke mehr. Das Werk sieht ein bisschen so aus wie das Handaufzugswerk der ersten Grand Seiko. Es hat allerdings nicht dessen Feinregulierung, hat nicht einmal einen Rückerzeiger. Aber es hat schon ein bewegliches Spiralklötzchen und eine Diashock Stoßsicherung, die japanische Antwort auf Incabloc und Kif Parechock. Die Uhr hat eine große Unruhe, die es schon 1959 bei dem Kaliber 560 gab. Die Uhr wurde von Suwa Seikosha hergestellt, die auch die Grand Seiko bauten (und die 5600er Werke für die King Seiko des Konkurrenten Daini Seikosha lieferten). Vielleicht sieht sie deshalb wie eine kleine Schwester der Grand Seiko aus. Es ist die schönste Seiko, die ich je gesehen habe. Sieht aus wie eine alte IWC.

Es ist meine letzte Seiko, mehr brauche ich nicht. Ich habe jetzt ein halbes Dutzend, die Champion 850 und die Bell-Matic (das alte Modell, das noch keinen Handaufzug hat) sind die ältesten. Meine neueste Seiko ist neben der Skyliner eine Uhr, die dieses Werk hat. Das ist ein Automatikwerk mit dem Kaliber 5645-7000. Es hat 25 Steine, eine Feinregulierung für die Unruhe und eine zweite Feinregulierung für die Unruhspirale. Was man unter dem Rotor nicht sieht, ist die Aufschrift 5 POS TEMP. 

Die Uhr ist in fünf Lagen und Temperaturen feingestellt (auf diesem Bild kann man es lesen), damit erhält man in der Schweiz ein Chronometerzeugnis. In Japan auch, und Seiko behauptet, dass die hauseigenen Prüfungsbedingungen viel rigider seien als die der Schweiz. Zumal Seiko die einzige Fabrik der Welt ist, die alle Einzelteile der Uhr (bis auf die Rubine der Lagerungen) im eigenen Haus herstellt. Wenn Sie in das Innere des Werkes schauen wollen: in diesem Video nimmt ein Uhrmacher eine völlig versiffte Grand Seiko auseinander und baut sie nach der Reinigung wieder zusammen. Man kann etwas dabei lernen. Der Uhrmacher sagt mehrfach, dass der kugelgelagerte Automatikteil der Uhr ein bisschen überkonstruiert ist. Seiko wird dieses Werk auch nicht weiterbauen, vielleicht weil es überkonstruiert ist. Man baut einfachere Werke wie das Nh35, das heute in allen Seiko Mods drin ist.

Seiko ist ein Großproduzent, der zwölf Millionen Uhren und hunderttausende von Werken im Jahr herstellt. Das ist zwölfmal mehr als der Großproduzent Rolex. Dessen Konkurrent Seiko mit seinen neuen Grand Seikos geworden ist. Viele Fachleute sagen, dass diese Uhren besser als Rolex Uhren sind. Seiko hat die Firma Grand Seiko 2017 als komplett eigenständige Marke aus ihrem Unternehmen ausgegliedert. Der Chef von Grand Seiko kommt aber aus der Familie Hattori, die seit 1881 die Firma Seiko besitzt. An den neuen Grand Seiko Modellen reizt mich nichts, aber auch gar nichts. Eine alte Grand Seiko aus dem Jahr 1970 wie diese hier, ist natürlich etwas ganz anderes. Sie ist vierundfünfzig Jahre alt, das Chronometerwerk, das in ihr ist, hat Seiko nach 1975 nicht weitergebaut. Da hatten sie längst ein anderes Uhrwerk erfunden, das die Schweiz beinahe in den Ruin trieb. 

Ich rede von einer Quarzuhr mit der Referenznummer 3823-7001, die VFA auf dem Zifferblatt stehen hatte: very fine adjusted. Genauer als der Grand Seiko Standard, der bei einer täglichen Abweichung von -3 / +8 Sekunden lag. Die Uhr kostete damals ein Mehrfaches einer Grand Seiko Automatik mit dem Kaliber 5645-7000. Sie können →hier alles über das Quarzwerk lesen. Nach fünfzig Jahren bekommt man diese sensationellen Quarzuhren schon ziemlich preiswert; eine guterhaltene 70er Jahre Grand Seiko preiswert zu finden, ist dagegen ziemlich schwierig. Unter vierstellig geht da nix; die Sammler haben das inzwischen entdeckt, welche sensationelle Entwicklung die Suwa Seikosha und die Daini Seikosha im ständigen Konkurrenzkampf Anfang der siebziger Jahre zustande gebracht hat.

Von hinten sieht die GS aus wie all die Grand Seikos dieser Zeit, sie hat ein Goldplättchen mit dem GS auf dem Rücken. Aber wenn man sie umdreht und an den Arm legt, dann entspricht sie nicht mehr der Formgrammatik von Tanaka. Ein Händler preist das ziemlich seltene Modell mit den Worten an: This pristine Grand Seiko 56GS Ref.5641-7000 is also nicknamed Tamago 「たまご」or Egg in Japan due to its pebble-shaped case, it is a pretty unique reference from the 56GS line-up. You might think it's chunky at first glance but it is certainly not: The brushed casing and finely polished indexes and hands with a luminous white dial creates a delicate interplay of light that can only be fully appreciated by the person wearing it. The dial is also presented without a date, thus improving its symmetry and, in communion with the perfectly polished indexes, making this reference profoundly elegant.

Ihren Spitznamen das Ei hat sich die Uhr sicherlich verdient. Die Uhr scheint wie ihr Uhrwerk ziemlich selten zu sein, wahrscheinlich war dies das letzte Grand Seiko Modell, bevor man die Linie aufgab. Die Form ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber die Uhr liegt sehr gut auf dem Arm. Sie wirkt auch durch ihre Form größer als sie ist. Man gewöhnt sich an sie. Was mich etwas stört, ist das kalkweiße Zifferblatt, das der oben zitierte Händler als luminous bezeichnet. Zifferblätter sind inzwischen die große Sache bei Seiko, vor allem den neuen Grand Seikos. Da gibt es Schneeflocken, Birkenrinden, Zifferblätter mit Urushi Lack, aus Shippo Emaille und Arita Porzellan. Und mit Brillis und Saphiren. Da merkt man, dass die Uhr doch aus einer anderen Kultur kommt.

Seiko hatte es nicht leicht, nach Deutschland zu kommen. 1962 hatte man einen Vertrag mit Kienzle unterzeichnet, der Seiko den Weg nach Deutschland ebnen sollte. Aber es blieb bei dem Vertrag, es wurde nichts draus (obgleich man alte Kienzle Uhren finden kann, die ein Seiko Werk haben). Das erste europäische Land, wo es Seiko Uhren zu kaufen gab, war Schweden. Die Uhren wurden dort über Penn Specialten vertrieben, eine Ladenkette für Schreibwaren. Dort machten die Uhren in kurzer Zeit fünfzig Prozent des Umsatzes der Firma aus, und die änderte ihren Namen in Ur & Penn. Heute verkaufen sie Citizen Uhren, da Seiko eine eigene Niederlassung in Schweden hat. Der japanische Riese Seiko ist in Deutschland mit Boutiquen in Hamburg und Frankfurt vertreten, die Revision einer Seiko Uhr hat den Einheitspreis von 238 €. 

Seiko Uhren gibt es bei Christ, die die Marke so bewerben: Seiko Uhren verkörpern die Bedeutung von Zeit, Präzision und Innovation. Jeder Moment, den man mit einer Seiko Uhr erlebt, kann zu einem unvergesslichen Erlebnis werden. Die Uhr am Handgelenk trägt die Seele der Tradition und den Geist der Zukunft. Seiko ist bekannt für seine fortschrittliche Uhrmacherkunst, die sich in jedem Detail widerspiegelt. Wenn man das glaubt, dann fragt man sich, wie man bisher ohne eine Seiko durchs Leben gekommen ist. Es gibt Seiko auch Online und bei vielen Juwelieren Deutschlands; hier im Ort könnte ich bei Mahlberg (die in meinem Heimatort Bremen Meyer heißen) für einige tausend Euro eine Grand Seiko kaufen. Aber das lasse ich lieber, ich habe schon gesagt, dass mir diese Neuauflage der alten GS nicht gefällt. Dieses Teil hier kostet 280.000 Euro, dazu würde der Lateiner de gustibus nōn est disputandum sagen.

Dies ist eine Grand Seiko mit Birkenzifferblatt. Auch schön, wenn man Birken liebt. Aber braucht man das? Man kann hierzulande auch wohl jedes gewünschte Modell bekommen, das unterscheidet Seiko von Rolex. Die als Massenhersteller eine seltsame Verknappungspolitik betreiben und potentielle Kunden auf Wartelisten jahrelang schmoren lassen. Eine Freundin von mir hatte von ihrem Bruder, der ein gutverdienender Architekt war, mal eine Rolex geschenkt bekommen. 

Sie wusste nicht, was das war, konnte die Uhr auch nicht stellen, da sie nicht wusste, dass die Uhr eine verschraubte Krone hatte. Da sie gerade in Hamburg war, ging sie zu Wempe (und ich sage Dir, Du glaubst das nicht, der ganze Laden war voller Loddels) und erfuhr den Namen der Uhr. Man zog die Uhr auf und stellte ihr auch die Zeit ein. Sie schickte die Rolex umgehend als Wertpaket an ihren Bruder zurück. Ihr Bruder schenkte ihr dann eine Ulysse Nardin, die hat sie getragen. Wahrscheinlich wäre sie auch mit einer alten Grand Seiko glücklich geworden.

Dienstag, 18. Juni 2024

völlig vergessen

Ich habe vor zehn Jahren einen Blog mit dem Namen automobilia angelegt, ihn dann aber aufgegeben und völlig vergessen. Als ich den Post über Françoise Hardy und die Autos schrieb, fiel mir dieser Blog wieder ein. Er war auch auf der Seite, auf der ich schreibe, als Blog verzeichnet. Klickte ich an, und siehe da, da waren von 2014 bis 2016 mehr als sechzig Posts veröffentlicht. Ich fügte den über Françoise noch dazu. Was mir aber fehlte, war die Adresse dieses Blogs. Nach einer Viertelstunde Computerfummelei fand ich die heraus. 

Die Adresse ist blechkutschen.blogspot.com, die werde ich jetzt nicht mehr vergessen, weil ich mir ein Lesezeichen für den Blog gemacht habe. Hätte ich mal vor zehn Jahren tun sollen. Das da oben ist der weiße Peugeot, den ich vor fünfzig Jahren fuhr. Natürlich nicht mit dieser Pariser Nummer, sondern mit einer Nummer dieser Stadt hier. Aber mit dem Buchstaben J, was für Jay stand. Alle meine Autos hatten ein J. Mein letztes Auto, einen Golf mit der Farbe moonlightblue, habe ich einer Freundin geschenkt. Man kann auch ohne Autos leben.

Alles was in dem Blog automobilia steht, war natürlich vorher in dem Blog Silvae. Ich werde den Autoblog noch einmal überarbeiten, da sind viele Links und Bilder verlorengegangen. Und vielleicht kann ich da auch noch mal ein bisschen was hineintun. Ein klein wenig verstehe ich etwas von der automobilen Welt, nicht soviel wie Burkhard Hackländer, der bei jedem Film weiß, welche Autos über die Straßen huschen. Und auch nicht soviel wie mein Freund Keith, der alle diese Autos vom Ferrari bis zum Rolls Royce selbst besitzt. Er ist ja schon mehrfach in diesem Blog vorgekommen. Ich verstehe deshalb ein wenig von dem Thema, weil ich mal ein dickes Buch darüber geschrieben habe, wie das Automobil die amerikanische Kultur beeinflusst und verändert hat. Und das tut es ja. Ich gebe mal ein neueres Beispiel:

Heute definieren sich die USA nicht mehr wie im 19. Jahrhundert über die Natur. Für deren Erhaltung der Schriftsteller James Fenimore Cooper und der Maler Thomas Cole gekämpft haben. Die USA sind eher die Umweltschweine der Welt. Das Kyoto Abkommen haben sie immer noch nicht unterschrieben. Vor Jahren druckte die Süddeutsche einen Artikel, der Dreckige Provokation hieß. Es ging darin nicht um die VW Diesel Fahrzeuge, sondern um die in den USA beliebten Coal Rollers. Da schrauben die Obama Hasser die Partikelfilter aus ihrem Diesel und blasen voller Lust den ganzen Dreck in die Luft. Gilt als politisches StatementCoale statt Cole, das ist doch mal was.

Wenn Obama für Umwelt ist, dann sind wir dagegen. Einen dicken Auspuff auf meinen Truck zu bauen – das ist mein Weg, ihm den Mittelfinger zu zeigen. Du willst frische Luft und eine tolle CO2-Bilanz? Dann verpiss dich, sagt ein Auspuffverkäufer aus Wisconsin. Das sind klare Aussagen. Werden diese Typen etwa von Loretta Lynch verfolgt? Da hätte VW doch mal den Spieß umdrehen können und die Werbebotschaft ausgeben können: Wir bauen die besseren Coal Rollers. Das ist doch etwas anderes als diese Botschaften für Weicheier, die Mercedes ausgab und von emissionsfreier Mobilität und Blue Efficiency redete (lesen Sie weiter in Blue Skies).

Ich gehe jetzt daran, den vergessenen Blog automobilia ein wenig aufzurüschen. Vier Posts habe ich schon durchkorrigiert, das wird wieder Arbeit. Wenn Sie hier nichts von mir hören, bin ich in dem anderen Blog.



Sonntag, 16. Juni 2024

Françoise Hardy und die Autos


Also, ich hätte es nicht gewusst, aber wozu hat man Freunde, die alles über Autos wissen. Oder alle Autos selbst haben, wie Keith hier mit seinem Jaguar E Type. Ich fand dieses Bild auf einer Seite des Guardian, die Hombre mir geschickt hatte. Lauter Photos von Françoise Hardy. Oben drüber war dieses Photo, wie sie 1960 in London am Piccadilly Circus aus einem Auto steigt. Im Miniskirt, das ist damals große Mode (der Link führt Sie natürlich zu Mary Quant). Schöne Frau, schönes Auto. Aber was war das für ein Auto? Kaum hatte ich die Mails losgeschickt, hatte ich schon die Antwort. Es ist ein Lancia Flaminia Coupé (benannt nach der Via Flaminia) von der Carrozzeria Touring.

Marcello Mastroianni hatte auch einen Lancia Flaminia. Nicht nur das, er machte auch noch für das Auto Reklame. Flaminia, l'altro amore di Marcello, war das betitelt. Wenn das Auto seine zweite Liebe war, wer war dann die erste? War es Catherine Deneuve, mit der er vier Jahre zusammenlebte und mit der er eine Tochter hatte? Wenn Sie Catherine Deneuve im Auto sehen wollen, dazu gibt es hier schon einen Post. 

Françoise Hardy hatte mal einen Ferrari 275 GTS. Und auch mal einen Rolls Royce Silver Cloud, zweifarbig, hellblau mit dunkelblauer Motorhaube und dunkelblauem Dach. Irgendwie scheußlich. Viel zu groß für sie. Da fragt man sich, was macht die lütte Deern mit dem großen Auto? Sie ist mal in London mit einem Mini photographiert worden, das sah besser aus. Aber im Showgeschäft muss es irgendwann ein Rolls sein. Michael Caine kaufte sich einen, als er noch nicht mal einen Führerschein hatte. Lesen Sie mehr dazu in dem Post Luxuskutschen

Das einzige Bild, das mich mit einem Bentley (British Racing Green) zeigt, ist leider auf dem Übertragungswege vom I-Phone zum Computer verloren gegangen. Sonst würde ich das hier einstellen. Wem der einzige Bentley in Bremen vor sechzig Jahren gehörte, das weiß ich, weil ich die Familie kannte. Aber wem der weiße Facel Vega vor einer Osterdeich Villa gegenüber vom Weserstadion gehörte, das habe ich nie herausbekommen. Françoise sah in ihrem großen Rolls natürlich viel besser aus als ich mit dem Bentley.

Bei den Dreharbeiten von John Frankenheimers Film Grand Prix hat sie mal in einem Formel 1 Rennwagen gesessen. Hatte eine kleine Nebenrolle als Boxenluder. Hat den Helm von James Garner getragen. Yves Montand gibt hier der jungen Kollegin noch Ratschläge. Aber wirklich ein Rennen ist sie mit dem Boliden nicht gefahren. Yves Montand hatte einen Ferrari, aber im Film sieht er am besten mit einem Facel Vega aus, diesem Auto, in dem Albert Camus gestorben ist. Françoise Hardy soll auch mal einen Facel Vega gehabt haben, aber dafür finde ich keine Beweise. Françoise Sagan verunglückt in dem Film Bonjour Sagan mit einem Facel Vega, im wirklichen Leben fuhr sie andere Autos zu Schrott.

Besser als der Rolls Royce gefällt mir für Françoise der Citroen CX, für den sie mit ihrem Verlobten Jacques Dutronc (der hier zu sehen ist) Werbung machte. Den Text und die Gestaltung hatte Dutronc entworfen. Der übrigens im letzten Jahr wieder eine Werbeaktion für den neuesten Citroen präsentierte. Der niedliche Bobtail ist wohl nur zu Dekoration da, ich habe noch nie ein Photo von ihr und einem Bobtail gesehen. 

Für die Firma Citroen hat Louis Malle mal einen Dokumentarfilm gedreht. Und er hat einmal gesagt: Wenn man in einem Bentley fahren gelernt hat, tritt der Wunsch nach einem Rolls-Royce etwas in den Hintergrund. Er kam aus einer sehr reichen Familie, er kannte die Bourgeoisie, die er in seinen Filmen beschrieb. Alte französische Filme sind ja eine Fundgrube für Nebensächlichkeiten. Also für Cinéasten, die den Film schon x-mal gesehen haben und nicht mehr auf die Handlung achten. Dann achtet man nur noch auf Klamotten und Autos. Und schöne Frauen wie Françoise Hardy. Auch auf ihrer Honda CB750 mit dem Pariser Kennzeichen sah sie sehr gut aus. 


Zum Thema Frauen und Autos gibt es noch mehr in den Posts: automobilia, Mercédès, die Zukunft: nackt und blind, Somewhere West of Laramie und Reste

Donnerstag, 13. Juni 2024

Françoise Hardy ✝


Es ist sechzig Jahre her, dass ich meine erste Françoise Hardy Platte kaufte. Es war Oktober, aber hier im massif central war noch ewiger Sommer. Ich hörte aus einem kleinen Plattenladen Musik, die ich nicht kannte. Es war definitiv nicht Juliette Gréco, für die ich zwei Jahre zuvor mein ganzes Taschengeld zusammenkratzte, um sie bei ihrem ersten Auftritt in Deutschland in Berlin zu hören. Dies war etwas ganz Anderes, aber irgendwie auch schön. Ich ging in den Laden, um die Platte zu kaufen. Drei herumlungernde Jugendliche in Lederjacken, die wie schlechte Kopien von Johnny Halliday aussahen, guckten mich mit offenem Mund an. Erst in dem Augenblick wurde mir klar, dass eine deutsche Uniform hier nicht unbedingt zum Alltag gehört. Die Verkäuferin sah mich etwas skeptisch an. Ich sprach zwar Französisch, aber ich trug diese Uniform, die sie nicht kannte. Ich bin der dritte aus unserer Familie in einem halben Jahrhundert, der in Uniform in Frankreich ist. Meine Brigade ist hier für drei Monate auf einem französischen Truppenübungsplatz, wir sind hier die ersten deutschen Soldaten seit 1945. Ich kaufe die Platte, die gerade läuft. Es ist Tous les garçons et les filles de mon âge. Die Platte von Françoise Hardy habe ich immer noch.

Françoise Hardy ist gerade im Alter von achtzig Jahren gestorben. Sie hat hier den kleinen Post Tous les garçons et les filles de mon âge und wird in vielen Posts erwähnt. Bei YouTube gibt es als Re-Upload die schöne Dokumentation, die arte 2018 gesendet hatte. Françoise Hardy war ein Teil meines Lebens, sie wird es immer bleiben.

Dienstag, 11. Juni 2024

Stockelsdorf


Die nette Frau Fahrenkrug hatte mir diesen kleinen Prospekt in die Hand gedrückt. Über das Kieler Ofenmuseum, das ihr Vater Hans-Günter Fahrenkrug gegründet hatte. Ich versprach ihr leichtfertig, demnächst einmal über Kachelöfen zu schreiben. Das mit dem demnächst wurde nichts, aber vergessen hatte ich das Ganze nicht. Mit Kachelöfen kenne ich mich aus, meine ersten Studentenbuden hatten alle einen Kachelofen. Und die Altbauwohnung, in der ich Jahrzehnte wohnte, hatte gleich drei. Die wurden zwar nicht mehr benutzt, waren aber vom Schornsteinfeger abgenommen. Als schmückendes Element waren die Kachelöfen toll, sie sahen zwar nicht so elegant aus wie dieser hier, hatten aber einen schönen gusseisernen Ofenteil von der Carlshütte in Rendsburg. So etwas kann man heute im Eisenkunstgussmuseum Büdelsdorf besichtigen. Die Carlshütte in Rendsburg hat ihren Namen nach dem Gründer, dem dänischer Statthalter der Herzogtümer Schleswig und Holstein Carl von Hessen-Kassel. Ich habe den schon einmal erwähnt, als ich den langen Post über den Maler Johann Heinrich Tischbein schrieb.

Ich habe mal mit meinem Freund Peter das Oldenburger Schloss besichtigt. Während ich mich für die Bilder interessierte (nicht die vielen Tischbeins), reizten ihn die vielen Kachelöfen. Er konnte jeden Ofen einer Manufaktur zuordnen, das fand ich bewundernswert. Aber er war Landeskonservator, er konnte so etwas. Ein wenig über Fayencen wusste ich schon, ich wusste vor allem, dass Wolfgang J. Müller, der mich im Rigorosum prüfte, sich dafür interessierte. Sein kleines Buch Schleswig-Holsteinische Fayencen des 18. Jahrhunderts kann man immer noch antiquarisch preisgünstig finden. Kachelöfen nicht so wirklich mein Ding, aber hier oben in Schleswig-Holstein entkommt man ihnen nicht. Weil es mal in Stockelsdorf die Stockelsdorfer Fayencemanufaktur gegeben hatte. Die hatte der pensionierte Major Georg Nicolaus von Lübbers, der auch dänischer Justizrat war, im Jahr 1772 gegründet. Seit dem frühen 18. Jahrhundert gab es in Kopenhagen die Store Kongensgade Fajancefabrik, die Danske Fajancer nach dem Vorbild der Delfter Fayencen herstellte. Die war natürlich ein Konkurrent für Stockelsdorf. Die kongelige Porcelænsfabrik in Kopenhagen, die wir heute als Royal Copenhagen kennen, gab es damals noch nicht.

Als Direktor hatte Lübbers den berühmten Johann Georg Buchwald verpflichtet, der vorher schon Direktor der Fayencemanufakturen von Eckernförde und Kiel (zu der ich hier einen informativen Artikel habe) gewesen war. Stockelsdorf wird unter Buchwald zu einer berühmten Fayencemanfaktur. Stücke dieser Manufaktur kann man in Lübeck im St.-Annen Kloster und im Behnhaus bewundern. Sogar das Keramikmuseum Rheinsberg besitzt einen Stockelsdorfer Ofen. Mit einem asiatischen Motiv bemalt, wie man auf diesem kleinen Bild sehen kann. 1786 wird die Manufaktur geschlossen, der Konkurrenzdruck von billigem englischen Steinzeug ist zu groß.   

Hinter der preiswerten creamware, dem cremeweißen Steingut, das auch als Englisches Porzellan bezeichnet wird, steht ein Name: Josiah Wedgewood. Der Großvater von Charles Darwin war einer der berühmtesten Unternehmer Englands in einer Zeit, die wir Industrial Revolution nennen. Hier auf dem Bild hat er sich von George Stubbs malen lassen. Wenn ich jetzt halbwegs fachmännisch über Fayencen aus Schleswig-Holstein und englisches Steingut schreibe, dann kann ich das nur, weil ich für das Manuskript meines Freundes Uwe Mämpel die Korrektur gelesen habe. Das Buch heißt Keramik: Von der Handform zum Industrieguß, es ist 1985 bei Rowohlt in der Reihe Naturgeschichte der Naturwissenschaften und der Technik des Deutschen Museums in München erschienen. Man kann das Buch noch preiswert antiquarisch finden, es steht alles, aber wirklich alles, zum Thema Keramik drin. Das Buch ist in erweiterter Fassung 2003 im Verlag Porzellanikon - Staatliches Museum für Porzellan Hohenberg erschienen.

Die Stockelsdorfer Fayencemanufaktur ist in diesem Blog schon einmal in dem Post Kapitänshunde erwähnt worden. Das ist ein Post, den die Leser lieben, da er schon weit über zehntausendmal angeklickt worden ist. Stockelsdorf wird auch in dem Post Kunstgeschichte 1965 erwähnt, weil ich neben dem Fach Kunstgeschichte auch einige Semester Archäologie studiert habe. Hatte mich freiwillig für eine Woche archäologischer Grabungen bei Stockelsdorf gemeldet. Nur Regen und Schlamm, da halfen auch der Ostfriesennerz und die Gummistiefel nicht viel. Immer, wenn man eine alte Tonscherbe gefunden hatte, nahm einem der Grabungsleiter die wieder weg. Ich erkannte, dass aus mir unter diesen Bedingungen kein zweiter Mortimer Wheeler werden würde und gab das Studium der Archäologie auf. Wenn man mit fünfzehn das Löwentor im Pergamon Museum gesehen hat, auf den obersten Stufen des Pergamonaltars saß und den Parthenon Fries mit den Augen von Keats gesehen hatte, dann ist das Ausbuddeln von Tonscherben im Regen in Stockelsdorf ein bisschen ernüchternd.