Er tänzelt ein wenig, dieser Maler. Er hält viele Pinsel in der Hand, einen im Mund. Es ist eine →Skizze auf Karton von Adolph Menzel. Er wird sie für ein anderes Bild noch einmal gebrauchen. Dann verwandelt sich Menzel in den Hofmaler Antoine Pesne, der am 23. Mai 1683 in Paris, geboren wurde, aber die Hälfte seines Lebens in Berlin lebte. Pesne wird der Maler von drei preußischen Königen sein und auch Direktor der Berliner Kunstakademie werden. Er ist berühmt dafür, dass er Friedrich den Großen als Feldherrn gemalt hat. Menzel wird auch dafür berühmt werden, dass er diesen Friedrich immer wieder gemalt hat.

Weil er Franz Kuglers Geschichte Friedrichs des Großen mit 398 →Illustrationen verziert hatte. Wenn wir an den →Preußenkönig denken, haben wir wahrscheinlich immer Bilder von Menzel im Sinn. Ob wir da an das berühmte Flötenkonzert denken oder an die Schlacht von Hochkirch. Oder an dieses Bild von der Nacht in Lissa, wenn Friedrich nach der Schlacht von Leuthen die österreichischen Offiziere mit den Worten begrüßt: Bonsoir, Messieurs. Gewiß werden Sie mich hier nicht vermuten. Kann man hier auch noch mit unterkommen? So steht die Geschichte auf jeden Fall bei →Franz Kugler. Mein Opa besaß das Werk. Bildhungrig wie ich war, bin ich damit aufgewachsen.

Ich wollte, ich hätte dieses schöne Bild hier früher gesehen. Menzel schließt seine Bilder von Friedrich dem Großen mit dem Bild
→Kronprinz Friedrich besucht den französischen Maler Antoine Pesne auf dem Malgerüst in Schloss Rheinsberg ab. Wieder so eine vertrackte Perspektive mit der Treppe wie bei
Bon soir, Messieurs!, aber diesmal herrscht hier keine nervöse Unruhe, sondern heitere Gelassenheit. Der Konzertmeister
✺Franz Benda, der für Friedrich Flötenkonzerte geschrieben hatte, steht auch auf dem Gerüst und spielt Bratsche (auf Menzels
Flötenkonzert ist er auch zu sehen, er ist der zweite von rechts mit einem dunklem Rock). Ein Augenblick der Unbeschwertheit in der Jugend Friedrichs, dessen Figur durch einen Sonnenstrahl beleuchtet wird. Das ist etwas ganz anderes als das nachtdunkle
Hochkirch Gemälde, auf dem Friedrich beinahe isoliert von den Seinen auf den Betrachter zureitet. Ein Weg ohne Ausweg. Hier blickt er nach oben auf den Hofmaler Maler Antoine Pesne, hier ist er der Freund der schönen Künste, nicht der einsame Feldherr im Augenblick der Niederlage. Alles Wichtige hat Menzel an den linken Rand des Gemäldes plaziert, den Kronprinzen, der mit seinem Baumeister Knobelsdorff die Treppe hinaufsteigt, und den Maler Antoine Pesne.

Der klebt beinahe unter der Decke, scheint zu tänzeln wie Menzel auf der kleinen Skizze und schäkert mit einem großbusigen Modell, das er noch an die Decke malen wird.
Apollo vertreibt die Finsternis wird das Deckengemälde heißen. Vielleicht ist es dieses Gemälde, das Friedrich in seinem
Poëme adressé au sieur Antoine Pesne beschreibt:
Quel spectacle étonnant vient de frapper mes yeux!
Oui, Pesne, ton pinceau te place au rang des dieux;
Tout respire, tout rit, tout plaît en ta peinture,
Ton savoir et ton art surpassent la nature,
Et du fond du tableau tes ombres font sortir
L'objet que de clarté ta main sut revêtir.
Tel est l'effet de l'art, tels en sont les prestiges;
Tes dessins, tes portraits sont autant de prodiges.
Quand d'un vaillant héros, des peuples estimé,
Tu nous traces les traits et les yeux animés,
On le voit plein de feu, tel qu'entouré de gloire,
Jadis dans les combats il fixait la victoire.
Quand de la jeune Iris, brillante de santé,
Tu nous montres l'image et la rare beauté,
Je sens pour tes couleurs tout ce qu'à mon jeune âge

Das Bild von Menzel, Gouache auf Papier, ist übrigens klitzeklein, 24 x 32 cm. Aber Kunst kann man nicht in Zentimetern messen, auch große Kunst kann ganz klein sein. Menzel konnte es nicht lassen, ein klein wenig von sich selbst in das Bild zu bringen. Nicht nur durch die Bewegung von Pesne, die dem kleinen Selbstportrait ähnelt. Nein, da ist noch etwas anderes. Der Stuhl, der zwischen dem Gehilfen, der Pesnes Palette reinigt und dem musizierenden Kapellmeister steht, ist Menzels eigener Stuhl: Die Mittelachse ist mit einer schweren pyramidalen Kombination aus Figur und Gegenständen besetzt. Darunter ist ein prächtig gedrechselter barocker Stuhl – unerwartet auf einem Malgerüst. Nur die wenigen Besucher von Menzels Atelier wußten damals: Es ist Menzels eigener Stuhl! Indem er ihn, was durchaus nicht naheliegt, dem Künstler des 18. Jahrhunderts zuordnet, identifiziert er sich mit ihm und wird selbst ›der Maler Friedrichs des Großen‹. Oder anders: Der Stuhl ist noch leer, es fehlt nur noch sein Besitzer, um das Bild eines Glücksmoments der Kunst zu vervollständigen. Dies zu legitimieren, mobilisiert Menzel allen Zauber und alle Subtilität seiner Malerei.

Sagt uns der Kunsthistoriker
Claude Keisch. Und dem sollten wir glauben. Weil er 1995 die große Menzel Ausstellung
Adolph Menzel: 1815–1905; das Labyrinth der Wirklichkeit gemacht hat, die auch in Paris und Washington zu sehen war. Das hervorragende Begleitbuch zur Ausstellung kann man antiquarisch noch preiswert finden. 2012 hat Keisch auch noch die Ausstellung
So malerisch!: Menzel und Friedrich der Zweite organisiert. Den Katalog kann man auch noch preiswert finden. Wenn man sich in Menzels Welt einlesen will, sollte man sich an Claude Keisch halten. Als ich mich vor siebzig Jahren durch Franz Kugler arbeitete, gab es diese schönen Bücher noch nicht.