Donnerstag, 21. August 2025

manoeuvre

Wir jungen Leutnants ... Kann man einen Roman so anfangen? Als ich bei der Bundeswehr aufhörte, hatte ich die Idee, einen Roman über diese Zeit zu schreiben. Einen Titel hatte ich schon: manoeuvre. Den Roman Manöver zu nennen, wäre zu platt gewesen. Es musste etwas Fremdsprachliches, Gebildetes her. Von dem Roman existiert nur ein Mäppchen mit dem Titel und ein Dutzend mehr oder weniger spärlich beschriebener Seiten, manche handschriftlich, manche getippt. Wir jungen Leutnants als Romananfang wurde schnell verworfen. Es gab ein Fischgrätgerüst einer Handlung, es sollte auch eine Liebesgeschichte in all das Martialische hinein. Mit einer blonden Schwedin oder Dänin namens Christina. Oder Kristina, ich weiß es nicht mehr. Begann in Kopenhagen und schwenkte dann auf den Truppenübungsplatz Munster. Oder Sennelager, ein Ort, für den mein Opa immer den Spruch Der Herrgott schuf in seinem Zorn Sennelager bei Paderborn bereit hatte.

Ich wollte alle Manöver (und den Unsinn aller Manöver), in denen ich gewesen war, in einem einzigen literarischen Manöver vereinen, so wie der Erzähler von Fitzgeralds The Great Gatsby alle Festlichkeiten seines Nachbarn zu einer großen Party zusammenfasst. Die Idee war eigentlich gut, aber wollte ich das wirklich schreiben? Das Buch Glanz und Elend des Militärs war schon geschrieben worden. Mein erstes Manöver als junger Soldat war ein Großmanöver der Bundeswehr, an dem mehr als 30.000 Soldaten teilnahmen. Die Bundeswehr zeigte im Kalten Krieg Stärke. Nach einer Woche hatten wir zweiunddreißig Tote. Das Manöver wurde abgebrochen. Es gab einen Feldgottesdienst, wir saßen und lagen in der Septembersonne auf einem Hügel in der Lüneburger Heide. Der Feldgeistliche war nicht zu hören, man sah ihn nur ganz weit oben auf dem Hügel schattenhaft neben den Wacholderbüschen. Manche der Toten kannte ich, der Kommandeur von dem Panzerbataillon, der mit seinem Jeep in der Nacht unter einen Panzer geraten war, war der Vater von Annes bester Freundin. Ich bin noch in vielen Manövern gewesen und habe beinahe alle Truppenübungsplätze der Bundesrepublik kennengelernt. Von Munster-Lager bis Hammelburg. Mit Manövern, in denen immer Blau gegen Rot gewann, werde ich mich auskennen. Das war die Zeit des Jahres, in der man den Elektrorasierer vergessen konnte und sich nass rasieren musste. Man muss sich im Manöver jeden Tag rasieren. Wir folgten damit einem Gesetz, das schon Stendhal respektierte, der einen Tag nach der französischen Katastrophe an der Beresina frisch rasiert vor seinen Vorgesetzten, seinen Cousin Pierre Drau, trat. Vous êtes rasé! rief dieser aus. Vous êtes vraiment un homme courageux

Bei meinem vorletzten Manöver konnte ich meinen Elektrorasierer mitnehmen. Ich war Schiedsrichter bei einer Stabsrahmenübung, die genau da stattfandet, wo Opas und Omas Verwandtschaft herkam. Ich hatte zwischen den gespielten Kampfhandlungen Zeit, Verwandte und Freunde meiner Eltern zu besuchen. Konnte bei ihnen duschen und mich mit dem Braun Sixtant rasieren. Der Fahrer meines Jeeps profitierte auch von all den kleinen Vorzügen und den gastlichen Bewirtungen. Wir duzten uns nicht, obgleich wir uns kannten. Wir waren beide einmal mit einer evangelischen Jugendgruppe durch Dänemark und um Bornholm herum geradelt. Ich hatte ihm das Du angeboten, aber er wollte lieber Herr Leutnant statt Jay sagen. Er war Berufssoldat, Hauptgefreiter UA. Er hielt es wahrscheinlich für seine Karriere für schädlich, wenn er sich mit einem Reserveoffizier duzte.

Das war das Manöver, das damit endete, dass ein Brigadegeneral eine simulierte fünf KT Atombombe auf seine eigenen Truppen abwarf. Die simulierte Atombombe war eine immens teure Darstellungsmunition, die einmal gezündet den Steuerzahler zwar um 28.000 Mark ärmer machte, aber einen wunderschönen Atompilz produzierte. Glücklicherweise ohne die radioaktiven Nebenwirkungen. Die Schiedsrichterbesprechung am Sonnabend um 16 Uhr wurde gestrichen. Es gab zwar eine Besprechung, aber die war nur noch für Dienstgrade ab Oberst im Generalstab. Wir wurden vergattert, dass wir diese Geschichte niemals, aber auch wirklich niemals, erzählen dürften. Als ich nach einer langen Fahrt mein Bataillon in der Nacht erreichte, kannte da schon jeder die Geschichte.

Ich besuchte vor meiner Abreise aus dem Manövergebiet noch einmal die Zivilbevölkerung, über die es im geheimen Lageplan hieß: Zivilbevölkerung ist teilweise geflüchtet, größtenteils aber zurückgeblieben ... Die Stimmung ist gedrückt. Der Familie Brüggemann in Bohmte gegenüber vom Bahnhofshotel (das in den 40er Jahren noch als Selings Hotel weit und breit berühmt war) mochte ich nicht erzählen, dass sie jetzt eigentlich tot wären und dass die ganze zweite Heimat meiner Jugend atomar vernichtet war. Die Karriere des Generals war glücklicherweise auch zu Ende. Er wurde zum Bundesamt für Beschaffung in Koblenz versetzt. Da kann er Wolldecken zählen bis zur Pensionierung und richtet keinen Schaden mehr an, sagte unser S-4, ein kriegsgedienter Hauptmann, dem der Brigadekommandeur ein Jahr zuvor übel mitgespielt hatte. Die Sache kam damals nie in die Presse. Die Bundeswehr war wichtig für das Land, und solche Fehler durfte es besser nicht geben. Die zweiunddreißig Toten von meinem ersten Großmanöver waren auch nicht in der Zeitung. Aber das fall exercise von 1962, das war in der Zeitung. Und wurde zur Staatsaffäre.

Mein letztes Manöver hieß, wie all die vorangegangen Manöver, Eternal Triangle. Die Manöver hatten englische Namen, weil die British Army of the Rhine (BAOR) immer dabei war. Ich war immer dabei, weil mich mein Bataillon für diese Manöver als Verbindungsoffizier zu den Engländern immer wieder anwarb. Niemand im Bataillonsstab konnte wirklich Englisch. Französisch konnte auch keiner der Stabsoffiziere, das weiß ich von den drei Monaten, die wir im Manöver in Frankreich waren. Eternal Triangle III endete für mich im Bundeswehrlazarett Hamburg-Harburg, ich hatte mir bei einem Unfall beinahe das Genick gebrochen. Der Aufforderung zum Kompaniechef-Lehrgang im nächsten Jahr kam ich nicht nach. Ich hatte genug von der Bundeswehr. Genug von diesen Manövern, die wie der Zweite Weltkrieg immer im September beginnen. Weil dann die Ernte eingebracht war. Die Bundeswehr wird jetzt im September das Manöver Quadriga 2025 abhalten, die russische Armee das Manöver Sapad 2025. In diesen Tagen haben Manöver einen ganz andere Bedeutung als vor sechzig Jahren. Und die Manöver hören nie auf: si vis pacem, para bellum. Theodor Heuss hätte die Bundeswehr am liebsten verhindert, sein Satz Nun siegt man schön zu jungen Rekruten bei einem Manöver im Jahre 1958 hat Geschichte gemacht.


Der Roman manoeuvre blieb ungeschrieben, aber etwas von der Bundeswehr (auch einige Manöver) ist in diesen Blog hineingekommen: FallexGeneralskriseÉlysée VertragUniformen, Fifty Shades of Grey, Schrott, Aurora, Andernach, Großer Zapfenstreich, Bundesmarine, Gorch Fock, Aufklärung, FJS, Unsere Marine, Eisernes Kreuz, Afghanistan, Kabul-Wunstorf, Opernhaus Hannover, Waterloo, Hoya, Landkarten, Winston Churchill, Nachtfahrt, Munitionsdiebstahl, Aurora, Heeresreform, Thomas Lawrences Blücher, Bergen-Belsen, Löwen, Landesverrat, Barett, eine seltsame Geschichte


Samstag, 16. August 2025

Molly Stark

Heute hat der Staat Vermont einen Feiertag, wie in jedem Jahr am 16. August. Man wird dabei an Molly Stark denken, für die es seit zwanzig Jahren in Wilmington dies Denkmal gibt. Eine Farmersfrau in der Mitte des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Sie hält ein Kind im Arm und eine Muskete in der Hand. Mit der konnte sie umgehen, sie hat als junge Frau mal einen Bären geschossen. Man kann die Waffe auch gegen marodierende Indianer gebrauchen, gerade ist Jane McCrea umgebracht worden. Deren Tod hat etwas mit dem Feldzug von General John Burgoyne zu tun. Und damit hat Molly Stark auch etwas zu tun.

Weil ihr Ehemann, der Brigadegeneral John Stark, nämlich am 16. August 1777 die Battle of Bennington gewinnt. Und weil er vor der Schlacht ausgerufen hatte: There are your enemies, the Red Coats and the Tories. They are ours, or this night Molly Stark sleeps a widow! Molly Stark wird keine Witwe werden, sie wird noch siebenunddreißig Jahre leben. Und die Kanone, die ihr Mann den Engländern abgenommen hat, heißt heute Molly Stark Cannon und wird an jedem Bennington Battle Day noch einmal abgefeuert.

John Stark hatte schon eine lange militärische Karriere hinter sich. Im French and Indian War war er wie George Washington Captain bei den Engländern gewesen, aber im Unabhängigkeitskrieg war er sofort bei der Continental Army. Er war bei den Schlachten von Bunker Hill, Trenton und Princeton dabei, aber aus unerklärlichen Gründen versäumte es der Kongress, den Colonel Stark zum General zu ernennen. Stark nahm seinen Abschied von der Kontinentalarmee, wurde aber umgehend in New Hampshire zum Brigadegeneral ernannt und gebeten, eine Armee aufzustellen. 

To Brigd Genl Jn° Stark,—You are hereby required to repair to Charlestown, N° 4, so as to be there by 24th—Thursday next, to meet and confer with persons appointed by the convention of the State of Vermont relative to the route of the Troops under your Command, their being supplied with Provisions, and future operations—and when the Troops are collected at N°- 4, you are to take the Command of them and march into the State of Vermont, and there act in conjunction with the Troops of that State, or any other of the States, or of the United States, or separately, as it shall appear Expedient to you for the protection of the People or the annoyance of the Enemy, and from time to time as occasion shall require, send Intelligence to the Genl Assembly or Committee of Safety, of your operations, and the manoeuvers of the Enemy.

Ich finde die Formulierung for the annoyance of the Enemy sehr witzig. Den Feind ärgern wird Stark wirklich; und nicht nur das, was in Bennington begann, wird vier Wochen später in Saratoga enden. Der Feldzugsplan, den John Burgoyne persönlich der englischen Regierung und dem König verkauft hatte, sah auf der Landkarte so schön aus. Von Kanada aus auf den großen Seen nach Süden, dann den Hudson hinunter nach Albany. Und schon hat man die aufständischen Kolonien zweigeteilt, wie mit dem Buttermesser. Aber was so gut anfing, steckt jetzt in den amerikanischen Wäldern fest. Man braucht Verpflegung und Nachschub. Und neue Pferde, die braunschweigischen Dragoner haben keine Pferde mehr. Sie sollten in Kanada ihre Pferde bekommen, aber da waren keine. Also beschliesst man, in der landwirtschaftlich reichen Gegend von Vermont, wo auch genügend Pferde herumlaufen, Nachschub zu fouragieren. Auf deutsch: zu plündern. 

Damit beauftragt Gentleman Johnny Burgoyne den General Friedrich Adolf Riedesel. Der ist von seinem Landesherrn, dem Herzog Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel, an die Engländer ausgeliehen worden und musste (begleitet von seiner Ehefrau) in den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg ziehen. Der gute Herzog Ferdinand, wie Wilhelm Raabe ihn nennt, war hier schon in den Posts Münchhausen und Minden im Blog. Riedesel gibt dem Oberstleutnant Friedrich Baum, der kein Wort Englisch versteht, ein Drittel seiner Brigade für die Aktion in Vermont. Er wird sie nicht wiedersehen. Den Oberstleutnant Baum auch nicht. Der Oberstleutnant Heinrich von Breymann kommt zwar verwundet mit der Hälfte seiner Soldaten aus Bennington zurück, stirbt aber sechs Wochen später in der zweiten Schlacht von Saratoga. Erschossen von seinen eigenen Leuten, als er sie mit dem Säbel in der Hand an der Flucht vom Schlachtfeld hindern wollte.

Dieses Bild eines anonymen Malers zeigt das Ende der Schlacht von Bennington, links werden Gefangene abgeführt, rechts rücken neue amerikanische Truppen nach. Der Mann auf dem Pferd in der blauen Uniform wird wohl General John Stark sein, aber man weiß es nicht ganz genau. Die roten Uniformen der Engländer kann man auf diesem Bild nicht sehen, es sind nur wenige Engländer an diesem Tag auf dem Schlachtfeld. Links können wir zwei braunschweigische Dragoner und einen Grenadier sehen (das ist der mit der Mütze, die wie die Mitra eines Bischofs aussieht). Die Männer hinter den Gefangenen sind amerikanische Soldaten, sie tragen keine Uniform. John Stark hatte innerhalb einer Woche anderthalb tausend Mann mobilisiert, die zumeist aus der Landwirtschaft kamen. Sie hatten keine Uniformen und keine militärische Ausbildung, aber sie kannten die Gegend, konnten reiten und mit einem Gewehr umgehen. Die Soldaten rechts haben blaue Uniformen, das werden Soldaten der Milizen von New Hampshire, Massachusetts und Vermont sein, die haben Uniformen. General Stark hat nicht nur 1.500 Mann, er kann auch noch auf die Green Mountain Boys von Oberstleutnant Seth Warner bauen, die die Schlacht von Bennington endgültig entscheiden werden. Warners Statue steht heute vor dem dreiundneunzig Meter hohen Bennington Monument.

Für den General John Stark, der im Oktober mit dem Rang eines Brigadegenerals wieder in die Continental Army zurückkehrt, die er im Juli verlassen hatte, gibt es auch genügend Statuen. Nach seinem Sieg bei Bennington wurde er der Kommandeur des Northern Department und schlug seine letzte Schlacht 1780 in Springfield. Da kämpfte er gegen den Baron Wilhelm von Knyphausen, der hier schon in dem Post Knyphausen erwähnt wird. Zwei Monate später wird er Richter des Kriegsgerichts sein, das John André zum Tode verurteilen wird. Sechs Jahre nach der Schlacht von Bennington bittet ihn George Washington zu sich, dankt ihm für seine Dienste und befördert ihn zum Generalmajor. Da ist der Krieg zu Ende, Stark geht auf seine Farm zurück, er sucht kein neues Amt. Man hat ihn den amerikanischen Cincinnatus genannt. Weihnachten 1809 schreibt der frisch gewählte Präsident James Madison, für den John Stark eingetreten war, ihm einen Brief:

SIR—A very particular friend of yours, who has been much recommended to my esteem, has lately mentioned you to me in a manner, of which I avail myself to offer this expression of the sense I have always entertained of your character, and of the part you bore as a hero and a patriot, establishing the independence of our country. I cannot better render this tribute, than by congratulating you on the happiness you cannot fail to derive from the motives which made you a champion of so glorious a cause; from the gratitude shown by your fellow-citizens for your distinguished services; and especially from the opportunity which a protracted life has given you, of witnessing the triumph of republican institutions so dear to you, in the unrivalled prosperity flowing from them, during a trial of more than a fourth of a century. May your life still be continued as long as it can be a blessing; and may the example it will bequeath, never be lost on those who live after you.

Als es ein Vierteljahrhundert nach der Schlacht von Bennington eine Feier gab, reiste der 82-jährige General aus gesundheitlichen Gründen nicht an. Er ließ aber eine Botschaft überbringen: Live free or die: Death is not the worst of evils. Der Satz ist heute das Motto des Staates New Hampdhire. Am Ende seines Briefes schrieb er: I shall remember, gentlemen, the respect you and the inhabitants of Bennington and its neighborhood have shown me, until I go to the 'country from whence no traveller returns'. I must soon receive marching orders. Aber diese marching orders bekommt er noch lange nicht. Der letzte General der Continental Army stirbt erst 1822 im Alter von dreiundneunzig Jahren.

Molly (die eigentlich Elizabeth hieß) und John Stark waren länger als ein halbes Jahrhundert verheiratet. Sie hat ihm zehn Kinder geschenkt, der älteste war mit seinem Vater bei den Schlachten von Bunker Hill, Trenton und Princeton dabei. Er wird noch Major in der Continental Army werden. Wenn ihr Mann im Krieg ist, leitet sie die Farm, aber sie besucht ihn häufig, weil der Krieg ja praktisch vor der Haustür war. Sie brachte auch Vorräte an die Front. Angeblich soll sie bei der Schlacht von Bunker Hill Musketen geladen haben. Sie wird ihre Familie und alle auf der Farm gegen Pocken impfen lassen. Sie folgte darin ihrem Vorbild George Washington, der 1777 eine Impfung der ganzen Armee durchsetzte, we should have more to dread from the smallpox, than from the sword of the enemy. Im heutigen Amerika würde das nicht gelingen, da ist der Impfgegner Robert F. Kennedy Jr Gesundheitsminister. Das Amerika unter Donald Trump sieht heute ganz anders aus als das Amerika, das Molly und John Stark mit geprägt haben. Aber man erinnert sich immer noch an Molly, es gibt nicht nur das Denkmal, es gibt auch den Molly Stark State Park, einen Molly Stark Lake, Krankenhäuser und viele Schulen, die ihren Namen tragen. An den Namen Donald Trump wird man sich in zweihundertfünfzig Jahren wahrscheinlich nicht mehr erinnern.

Dienstag, 12. August 2025

verschwindende Bäder

Der Schönebecker Sand mit seinem schönen Sandstrand hat nicht immer Schönebecker Sand geheißen. Der Name taucht erst Ende des 16. Jahrhunderts in einem jahrzehntelangen Rechtsstreit der Familien Steding (Stedinck) und der Adelsfamilie von Schönebeck auf. Vorher heißt er Vegesacker Sand oder etwas unspezifisch ole und nie Werder. Werder heißt hier ja alles, was über dem Wasserspiegel liegt. Bis zu einem Verein namens Werder Bremen ist es noch ein langer Weg. Diese umstrittene Halbinsel zwischen Weser und Lesum ist ödes Land, mit Pappeln, Weiden und dichtem Gebüsch bestanden: dass man wohl einen halben Tag nach einem dazwischen weidenden Pferd hat suchen müssen. Kleinere Wasserläufe, die erste und die zweite Slugge und die Balge (ursprünglich die Hauptmündung der Lesum) schneiden sich in die Halbinsel ein. Offensichtlich kann man hier Lachse fangen, wie ein langer Rechtsstreit der von Schönebeck mit dem Bremer Rat um Fischereirechte belegt. Die zivilisierte Welt beginnt weiter hinten, beim Lesmer Bruch (Lesumbrook) und Stedings Haus (das älteste Haus Bremens), und da, wo seit dem 15. Jahrhundert die Moorlose Kirche ist.

Man kann auf der Karte, die der Vegesacker Lehrer Lüder Halenbeck im 19. Jahrhundert sorgfältig abgezeichnet hat (und deren Original seit dem Zweiten Weltkrieg verschwunden ist), die Größe der Halbinsel nicht so recht erkennen. Das liegt nicht an Halenbeck, sondern eher an dem Bremer Maler Cornelius Rützen; auf seiner Tuschzeichnung von 1573 kann man nicht erkennen, was was ist. Aber eins der beiden Schiffe auf der Weser soll einen Vorläufer der Bremer Speckflagge am Mast gehabt haben. 

Nach mehr als dreißigjährigem Rechtsstreit zwischen den Bremer Ratsherren Steding und den von Schönebeck wird entschieden, dass der vordere Teil (die Einöde) an das Haus Schönebeck geht und die Gegend fortan Schönebecker Sand heißt (man kann die Landzunge auf dieser Karte besser sehen). Die →Schönebecks haben davon nicht mehr so viel. Wenn der Junker Franz Wilken von Schönebeck 1661 stirbt, ist die Familie pleite. Gutsbesitz und Gerichtsbarkeit werden 1662 an einen Obristen Jacob von Schlebusch verkauft, seine Witwe wird es zwanzig Jahre später (nachdem sie zuvor einen geheimen Kaufvertrag mit der Stadt Bremen auflösen muss) an die Familie von der Borch verkaufen. 

Der Obrist Friedrich von der Borch wird 1686 das heutige Schönebecker Schloss bauen lassen. Ein Wasserschloss, um das herum man im Winter Schlittschuhlaufen konnte. Friedrich von der Borchs Nachfolger werden Generäle in Hannovers Diensten sein. Die hannöverschen Obristen und General-Lieutenants liegen in Lesum begraben. Und in der Hand der zwischen Holzhausen und Schönebeck verzweigten Familie werden das Gut und die umliegenden Meiereien für die nächsten Jahrhunderte bleiben. Ein von der Borch ist in den dreißiger Jahren Hitlerjugend Stammführer. Einer der letzten von der Borchs, die da noch gewohnt haben, wird als der Nuttenmörder von Frankfurt (so die Bild Zeitung) berühmt werden. Die Sache ist völlig aus dem Internet verschwunden, nur im Spiegel kann man noch lesen: Ein Gericht in Frankfurt hatte gegen den Freiherrn von der Borch zu verhandeln. In dessen Badewanne hatte sich die bereits stark verweste Leiche seiner Sekretärin gefunden, und der Freiherr war der alarmierten Streife mit einer Schärpe um den nackten Oberleib, einem Schlapphut auf dem Kopf und einem Degen in der Hand entgegengetreten. Die von der Borchs auf dem Stammsitz Gut Holzhausen betreiben heute ökologischen Landbau.

Aber die bremische Geschichte interessierte uns in den fünfziger Jahren an den Sommertagen nicht so sehr, wir wollten zum Baden. Seit 1936 ist auf dem Schönebecker Sand eine Badeanstalt (das kann man an der Flagge mit dem Hakenkreuz auf dieser alten Postkarte erkennen). Mit Umkleidekabinen und Duschen, mit einem Bademeister und in der Weser schwimmenden Holzplanken, die den Raum begrenzen, in dem man schwimmen durfte. Hinter dem Strand, zur Lesumseite hin, gibt es weißen Sand (wahrscheinlich die letzten Ausläufer der Bremer Düne), Dünengras und große Grasflächen, wo man Fußball spielen kann. Ende der fünfziger Jahre werden die ersten Mädchen im Bikini im weißen Sand in der Sonne liegen. Mit denen ist man zur Volksschule gegangen, jetzt sind es schon junge Frauen. Die Schönheiten, die zum Gymnasium gegangen sind, tragen keine Bikinis. Das erlauben ihre Eltern nicht, obgleich man die eine oder andere schon ganz gerne im Bikini sehen möchte. 

Man erreichte den Schönebecker Sand mit einer kleinen Fähre, die Hol Ober heißt (1925 bei Lürssen gebaut) und ihren Anleger neben dem großen Anleger der Lemwerderfähre hatte (die Fähre ist auf diesem Bild links unten zu sehen). Sie hatte keine festen Abfahrtszeiten, sie fährt, wenn sie voll ist. Oder der Käpt'n am gegenüberliegenden Anleger genügend Leute entdeckt. Die Fahrt, die hin und zurück einen Groschen kostet, dauerte nur wenige Minuten, am Hafen und der Auemündung vorbei und dann mit einer Schleife zum Anleger an der Spitze der Landzunge. Danach muss man noch fünfhundert Meter auf großen, rechteckigen Betonplatten gehen (die im Sommer glühend heiß werden und aus der Zeit stammen, als das hier eine Flakstellung war), und schon ist man da. Auf Hin- und Rückfahrt tuckert die Hol Ober einmal an der ganzen Heringsfangflotte der Vegesacker Fischereigesellschaft vorbei, der größten in Europa. Auf die waren wir im Ort stolz.

Der Schönebecker Sand war das Reich des Bademeisters Hermann Plebanski, von dem das Gerücht umging, dass er gar nicht schwimmen konnte. Ich sollte bei ihm das Schwimmen lernen und schwamm lustlos neben seinem Ruderboot her, aber richtig gelernt habe ich das bei ihm nicht. Das hat mir meine Mutter beigebracht, die in ihrer Jugend davon träumte, über den Ärmelkanal zu schwimmen und zum Training von Vegesack nach Bremerhaven die Weser entlang schwamm. Wenn man bei Google heute Bademeister Plebanski eingibt, erhält man dank des Google AI Overview die Sätze: Der Begriff 'Bademeister Plebanski' ist vermutlich eine Kombination aus dem Beruf des Bademeisters und einem möglichen Nachnamen. Es könnte sich um eine fiktive Figur handeln, wie zum Beispiel aus dem Buch 'Der Bademeister ohne Himmel' von Petra Pellini, in dem ein Bademeister namens Hubert eine Rolle spielt. Es ist auch möglich, dass es sich um eine scherzhafte oder informelle Bezeichnung für einen Bademeister handelt. Ich bin immer fasziniert davon, welchen Unsinn die KI produzieren kann. Den Bademeister Hermann Plebanski, der eine örtliche Institution war, kann man hier auf dem Photo sehen. Seine Tochter Gisela Arckel hat ihm in dem Buch Sehnsucht nach Meer ein kleines Kapitel gewidmet.

Von dem schönen Strandbad sind nur alte Photos und die Erinnerung geblieben, die Weser ist begradigt und verdreckt, den Hol Ober gibt es nicht mehr. Die Logger der Vegesacker Fischereigesellschaft auch nicht. Die Moorlose Kirche liegt nicht mehr in einer einsamen Landschaft, in der man ein Pferd einen halben Tag hätte suchen müssen, die Klöcknerhütte hat sich bis in ihre Nachbarschaft gefressen.

1951 hatte man den ehemaligen Mühlenteich der Heidbergmühle an der Ihle (einem Nebenfluss der Lesum) zu einem neuen Freibad ausgebaut, das den Namen Heidbergbad bekam. Als das Bad in Lesum eröffnet wurde, verlor der Schönebecker Sand für uns seinen Reiz. War zwar teurer als der Groschen für den Hol Ober, aber hier war das Wasser sauberer als in der Weser. Man konnte in Bahnen schwimmen, und es gab einen Sprungturm und Sprungbretter. Hier fanden auch die Schwimmwettbewerbe für das Sportabzeichen statt, die der lange Roder, der sonst vollkommen unsportlich war, auf allen Bahnen gewann.

Wir gaben den Schönebecker Sand auf und radelten an schönen Sommertagen mit unserer Clique nach Lesum. Das waren unsere Sommer in Lesmona. Zurück ging es immer unten an der Lesum entlang, das ist landschaftlich schöner. Und es fährt sich auch besser als auf dem rubbeligen Pflaster der Bremer Heerstraße. Ist natürlich für Radfahrer verboten, für Dreizehnjährige ist damals beinahe alles verboten. Einmal fahren wir beinahe in einen dicken Polizisten hinein, der hinter einer Kurve des Weges steht. Und uns alle aufschreibt. Er fängt mit Michael Stamatelatos an. Fremdländische Namen sind damals in Bremen noch nicht so verbreitet, und Stammi muss dem Polizisten das buchstabieren. Der will das immer noch nicht so recht glauben. Und als ihm dann Michael Ix beteuert, dass er Michael Ix heißt, kriegt der Wachtmeister einen Tobsuchtsanfall. Wir finden uns 14 Tage später alle an einem Sonntagmorgen in der Vegesacker Polizeiwache zu einem zweistündigen Verkehrsunterricht ein. Den Weg, der heute Admiral Brommy Weg heißt, benutzen wir natürlich weiterhin. Das Risiko mit dicken Wachtmeistern muss man eingehen.

Den Freischwimmerausweis habe ich im Lesumer Heidbergbad bekommen. Fahrtenschwimmer ein Jahr später im 1952 gebauten Bremer Zentralbad, das 1985 abgerissen wurde. Die Bäder der Jugend verschwinden alle. Und ein Viertel aller Deutschen kann nicht schwimmen. Ich mochte das Bremer Zentralbad, weil Hans Kalich daneben einen kleinen Laden hatte, wo er Luxuklamotten zum halben Preis verkaufte. Aber der Laden ist weg. Wie das Zentralbad. Vom Heidbergbad ist auch nur eine Landschaftsruine übrig geblieben, ich habe dazu hier ein trauriges kleines Video. 1994 hatte man noch große Pläne für das Bad, 1999 stand es auf der Streichliste der Innen- und Sportbehörde, 2005 wurde das Heidbergbad geschlossen. Einen Schildbürgerstreich nannten das viele, die das Bad vermissten. Eine Straße Am Heidbergbad gibt es aber noch.

1963 wurde in Vegesack im Fährgrund neben dem von Ernst Becker-Sassenhof gebauten Hochhaus ein Hallenbad gebaut. Wenn ich bei Google Fährgrund und Hochhaus eingebe, bekomme ich die Information: Der 'Fährgrund' in Vegesack ist keine Adresse eines Hochhauses, sondern eine Straße, die sich in der Nähe der Grohner Düne befindet. Die Grohner Düne ist eine Großwohnanlage mit mehreren 15-geschossigen Gebäuden, die ringförmig angeordnet sind. Nun ja, nichts davon ist wahr. Das Hochhaus war 1959 das höchste Gebäude des Ortes, und die Grohner Düne liegt kilometerweit vom Fährgrund weg. Draußen gab es noch ein Freibad, das sieht heute so aus. Die Sanierung von 2006 hat offenbar nichts gebracht, ich habe hier einen kleinen Film dazu. Seit Jahren gibt es schon Diskussionen, ob man das Ganze nicht abreißen soll. Die Bremer Bädergesellschaft stand im letzten Jahr vor der Pleite, die Chefin der Gesellschaft wurde gefeuert. 

Abreißen oder Umbauen? Man kann ja aus einem Hallenbad etwas ganz anderes machen, wie man am Kasseler Hallenbad Ost oder am Kieler Lessingbad sehen kann. Das Vegesacker Bad hat nach einem Ortsamtsleiter den Namen Fritz Piaskowski Bad bekommen. Vielleicht hätte man es lieber Hermann Plebanski nennen sollen. Wenn der am Strand mit seiner Flüstertüte rumbrüllte, wusste man was Sache war. Meinen DLRG Grundschein habe ich an der Heeresoffizierschule in Hannover gemacht. Ich nehme an, dass deren kleines Hallenbad noch steht.

Sonntag, 10. August 2025

Inspector Morse und die Frauen


Ich habe das Phänomen schon in dem Post Nebenfiguren beschrieben: man sieht einen Film, sieht eine Schauspielerin und fragt sich: wer ist das? Nach jedem unbekannten Film, den ich sehe, sitze ich am Computer und befrage das IMDb. Ich bin ja froh, dass es so etwas gibt. Das IMDb wusste auch Antwort auf die Frage, wer die schöne rotblonde Frau ist, die in der Folge The Secret of Bay 5B aus der unendlichen Morse Krimisaga dem Chief Inspector Morse einen teuren schottischen Whisky anbietet. Morse ist von Oxford nach London gefahren, um eine Frau namens Camilla zu befragen, deren Name im Tagebuch des Mordopfers stand. 

Er kommt in eine vornehme Gegend, wir sehen in der Szene des Films (in der 34. Minute) einen Daimler 420 durchs Bild gleiten (ich muss den mit diesem Bild von Flickr hier mal eben abbilden). Das war der Lieblingswagen von Queen Mom, das englische Königshaus hat ja immer Daimler gefahren. Der dänische König hat sich 1970 auch solch einen Daimler mit der Karosserie von Vanden Plas gekauft und seinen großen Jaguar aufgegeben. Schöne Autos und schöne Frauen gehören zu der Welt von Morse, wir sind hier in einer anderen Welt und auf einem anderen Niveau als beim Usedom-Krimi oder Nordholm.

Auf die Frage, wie die schöne Frau das Mordopfer kennengelernt habe (How did you meet Gifford?) bekommt Morse eine überraschende Antwort: The usuaI way. Was dann auf seine Frage: Sorry? 'The usual way'? kommt, ist der überraschende Satz: For a prostitute to meet a man. Das bringt unseren Chief Inspector jetzt ein klein wenig aus der Fassung: Ah. l'm not really familiar with erm... We don't see this erm...not precisely this level of activity in Oxford.

Are you married? fragt die Luxusprostituierte unseren Inspektor. That has nothing to do... No, l'm not. --- Why? - Too choosy. Too...hesitant. Too lazy. Too busy. --- Hesitant? --- Yes. Well... Sometimes. lsn't everyone? --- l'm not. Wir können hier auf dem Bild sehen, dass Camilla nicht zögerlich ist, sie ist Morse schon sehr nahegekommen. You're hesitant because you've never found out what you're really capable of. lf you did, you'd have the confidence for anything, forever after, with any woman, sagt sie. Unser Chief Inspector widersteht den Verführungskünsten und sagt: l'd better go.

Am Anfang von The Secret of Bay 5B hatte Morse mit der  Gerichtsmedizinerin Dr Grayling Russell (Amanda Hillwood) Quickstep getanzt. Die war seit Ghost in the Machine in der Serie gewesen, unser Chefinspektor hatte immer mit ihr geflirtet, und man dachte, es wird etwas mit den beiden. Aber nach vier Folgen war Amanda Hillwood aus der Serie raus. Doch am Ende von The Secret of Bay 5B, wenn sie bei Morse im Wohnzimmer sitzt, weil sie mit ihm zu einer Aufführung von Wagners Parsifal gehen will, erinnert sie ihn daran, dass ihr gemeinsamer Tanz am Anfang unterbrochen wurde: You owe me a dance. Oh, I can dance to anything ---  Really? ---- You should try dancing to the back end of Lohengrin sometime ---- No. No. Let's have something from Parsifal since we're going to a performance.

Ich glaube, dass diese kleinen kabarettistischen Einlagen Alma Cullen, die das Drehbuch zu The Secret of Bay 5B schrieb, große Freude gemacht hat. Mit ihren eigenen Theaterstücken hatte sie nicht den Erfolg, den sie mit ihren Drehbüchern für Fernsehserien und Fernsehfilme hatte, bei denen man ihr schon mal 30.000 Pfund für ein Drehbuch zahlte. Neben dem Drehbuch für The Secret of Bay 5B hat sie für die Morse Saga in Abstimmung mit Colin Dexter noch die Drehbücher für die Episoden The Infernal SerpentFat Chance und Death of the Self geschrieben. 

Und sie hat Morse in ein Theaterstück hineingeschrieben, das sie für die BBC zu einem Hörspiel umgeschrieben hat. Und hat dann mit Into the Shallows noch ein zweites Hörspiel geliefert. Bei YouTube gibt es den Kommentar Who needs a tv when we have these wonderful dramas to listen to, und Hörspielliebhaber werden damit ihre Freude haben. Für Fat Chance und The Death of The Self  hat Cullen 1991 und 1992 die Writers’ Guild Award erhalten. In drei ihrer vier Morse Drehbücher gibt es Frauen, die dem Helden etwas bedeuten. Wie hier Frances Barber als die Opernsängerin Nicole Burgess in The Death of The Self. Wenn der Junggeselle Morse ein Liebesleben hat, dann hat er das dank Alma Cullen

Ich lasse jetzt die Gerichtsmedizinerin Laura Hobson (Clare Holman) bei der Erwähnung von Morse und den Frauen einmal weg, weil sie in dem Post Inspector Lewis schon genügend gewürdigt wird. Ihren ersten Auftritt hatte sie in The Way Through the Woods, wo ihr die Drehbuchautoren den wunderbaren ersten Satz in den Mund legten: Do you know where I might find a Detective Chief Inspector... looks like 'Mouse? Es muss noch erwähnt werden, dass Morse in der Episode Death is Now My Neighbour eine Frau findet, aber da ist die Morse Saga auch schon beinahe zu Ende.

Ich habe natürlich die Camilla aus The Secret of Bay 5B nicht vergessen. Die Schauspielerin heißt Susan Kyd, sie hat erstaunlicherweise keinen Wikipedia Artikel. Sie wurde 1957 geboren und beendete mit dreiundzwanzig Jahren ihre Ausbildung an der London Academy of Music and Dramatic Art. Wenn sie auch keinen Wiki Artikel hat, so hat sie doch eine Homepage, der man ihre erstaunliche schauspielerische Karriere entnehmen kann. 1991 hat sie noch einen Kurs an der École internationale de théâtre Jacques Lecoq belegt und 2008 einen Magistertitel an der Royal Central School of Speech and Drama (an der Laurence Olivier einmal Präsident war) erworben. Und neben ihren Auftritten auf der Bühne, in Musicals oder im Studio für Sitcoms und Fernsehserien macht sie auch noch Führungen im Sir John Soane’s Museum. Ich habe hier ein Showreel bei dem sie das komödiantische Talent der Schauspielerin entdecken können. She's a brilliant actor, funny, kind and beautiful. Why she hasn't become a massive star is beyond me, hat jemand dazu geschrieben. Eigentlich hat sie einen Wikipedia Artikel verdient. Und Alma Cullen den OBE Orden.


Dienstag, 5. August 2025

last, but not least: die Seiko Lord Quartz


Was mit einer Seiko Quarzuhr anfing, ist inzwischen zu einer kleinen Sammlung geworden. Jetzt habe ich für jeden Wochentag eine. Vielleicht sollte ich mich bei der Selbsthilfegruppe der Japan Quartz Verrückten anmelden, die es im Uhrforum gibt. Als ich die 6.400.000 Leser erreichte, erwähnte ich meine Seiko QT. Dass ich eine QZ besaß, habe ich schon in dem Post niemals nie sagen erwähnt. Die QZ mit dem Diamond Dust Zifferblatt, die ich sehr mag, blieb bei der letzten Sommer- oder Winterzeit Umstellung einfach stehen. Aber die Firma Tokei Japan, der ich meine Seiko Sammlung verdanke, wusste Rat. Die haben nämlich einen Spezialisten in Dänemark, der fünzig Jahre alte Quarzuhren servizieren und reparieren kann. Hat ein bisschen gedauert, aber ich bekam Zwischenberichte und Photos von den Fehlerquellen. Der Fachmann hat die Uhr auch neu einreguliert, das kann man ja mit den High End Quarzwerken der siebziger Jahren machen, die alle noch sieben oder neun Steine haben. Billige Quarzwerke haben heute keine Lagersteine mehr, die kann man auch nicht mehr reparieren, die wirft man einfach weg. Ali Express liefert ein neues Werk für 99 Cent. Der tolle Service von Tokei Japan hat mich übrigens keinen Pfennig gekostet, und die Uhr läuft im Augenblick synchron mit der Funkuhr.

Meine älteste Quarzuhr ist von 1972, die jüngste von 1978. Beinahe alle sind JDM Uhren (Japanese Domestic Market). Lediglich die Modelle QR, QT und QZ sind unter den Namen Seiko Quartz 2002, 3003 und 4004 nach Europa gelangt. Diese Uhr ist aus dem Jahr 1972, das kann man an der Zahl auf dem Gehäuseboden ablesen, die mit einer 2 anfängt. Die Uhr hat auch noch keinen glatten Gehäuseboden, der verschraubte Deckel vom Batteriefach steht hervor. Batteriefresser, pflegen Flohmarkthändler zu sagen, wenn sie diese Uhren sehen. Weihnachten 1969 war Seiko mit der ersten Quarzuhr auf den Markt gekommen. Hundert Exemplare in Gold zum Preis von 450.000 Yen. Dafür hätte man sich auch einen Toyota Corolla kaufen können. Der Gehäuseboden der Astron sah dem Boden dieser Uhr sehr ähnlich.

Die  Seiko Lord Quartz kam 1978 als letzte aus der Seiko Aristokratie von Grand, King und Lord auf den Markt. Obgleich sie in der Seiko Hierarchie unter der King Seiko positioniert war, war sie teurer als die King Seiko, weil sie ein ganz neues Werk hatte. Sie wurde nur zwei Jahre gebaut und ist deshalb ziemlich selten. Seiko hörte damals auf, die schweineteuren High End Quarzuhren zu bauen und ging zu Uhren über, die man bezahlen konnte. Die bekamen den Namen Type II,  die waren noch nicht wirklich billig, aber doch viel preiswerter. Und es gab sie in 95 Modellvarianten. Quarzuhren waren in den siebziger Jahren teuer, auch die erste deutsche Quarzuhr, die Junghans Astro Quarz, kostete beinahe tausend Mark. Eine japanische Seiko war noch teurer, aber sie war auch the world's standard. Damit konnte die Firma werben, die die Quarzuhr erfunden hatte. Und die wirklich an diese Uhr glaubte. Und deshalb alle Patentrechte für die ganze Welt freigegeben hatte.

Die Seiko Lord Quartz war aus HSS (hardened stainless steel); auf diesen Stahl, der eine HBW Härte von 450 auf der Brinell Skala hatte, war Seiko ganz besonders stolz. Diesen Stahl haben auch die Superior und viele Grand Seiko und King Seiko Modelle. Meine Lord Seiko hat ein sogenanntes linen dial, das von ganz feinen Linien durchzogen ist. In Zifferblättern ist Seiko ja ganz groß, man kann schon sagen, dass die Japaner Zifferblattfetischisten sind. Eine Grand Seiko mit einem Diamond Dust Zifferblatt wird von Sammlern heute immer noch gesucht. Was in den siebziger Jahren das Diamond Dust Zifferblatt war, heißt heute bei Grand Seiko (die inzwischen nicht mehr ein Modellname, sondern eine eigene Firma sind) nicht mehr Diamond Dust, sondern snowflake.

Das Quarzwerk in der Lord Seiko (zuerst Kaliber Kaliber 7143, dann das teurere Kaliber 7853) ist kein Batteriefresser mehr, es soll fünf Jahre mit einer Qualitätsbatterie laufen. Das kann ich nicht mehr testen, denn ich habe meine Lord gerade einem guten Freund geschenkt. Ich konnte sie entbehren, weil ich ja für jeden Wochentag eine High End Quarzuhr habe. Das sind die drei cuties, die mit einem Q anfangen, drei Grand Seikos (eine mit dem originalen →Stahlband) und die Superior. Die Lord war nie wirklich mein Liebling, sie war mir zu modern und zu elegant, hatte nicht mehr das scharfkantige →Tanaka Design. Und sie war mir zu flach, meine geliebte QT ist vier Millimeter höher. Und dicker. Deshalb mag ich die Dinger, weil sie so knuffig sind. Die frühen Quarzuhren von Seiko mit den ersten 38er Kalibern hatten noch keine Temperaturkompensation wie die Superior oder die Twin Quartz Uhren. Brauchen sie auch nicht, sagte mir ein Fachmann, die haben so dicke Gehäuse, da macht sich keine Temperaturänderung am Quarzwerk bemerkbar. Ich glaube das mal.


Noch mehr zu Seiko in den Posts: königlich, ein letztes Mal: Seiko, Cronos, die goldene Seiko, Quarzuhren (III), Chronometer, Quarzuhren (II), niemals nie sagen, Moeris, Quarzuhren, Weltzeituhren

Samstag, 2. August 2025

keine Lust zu schreiben


Die ersten Leser fragen nach, ob es mir gut geht. Weil hier die Woche nichts stand. Es geht mir gut, bis auf den schrecklichen Heuschnupfen, der einen auch an Regentagen quält. Und ich hatte viel Besuch in den letzten zehn Tagen. Da kommt man nicht zum Schreiben. Und deshalb gibt es  hier heute nix für meine Leser. Außer meinen Wünschen für ein schönes Wochenende. Aber damit hier wenigstens etwas steht, gibt es hier mal die Links zu den Posts, in denen der Regisseur Jean-Pierre Melville erwähnt wird, der heute vor zweiundfünfzig Jahren starb: Jean-Pierre MelvilleLino Ventura, Yves MontandAlain Delon ✝Bertrand TavernierLa Bonne AnnéeMichel Piccoli ✝la reine CatherineLouis Malle und Borsalino.

Und da heute der Geburtstag des amerikanischen Malers John French Sloan ist, möchte ich noch einmal auf diesen Maler hinweisen. Er hat zwar schon den Post John French Sloan und wird in den Posts Dächer, Armory Show und amerikanischer Kitsch erwähnt, aber viele Leser haben diese Posts nicht gefunden. Vielleicht wird das heute ja anders.