Ich schaute mir eine Folge von
Inspector Lewis an. DVD, im Fernsehen gab es nichts Gutes. Die Folge hieß
One for Sorrow, damit geht die Lewis Saga auch langsam zu Ende.
One for Sorrow ist der erste Teil der
neunten Serie. Sergeant Hathaway ist inzwischen Inspector, und den Inspector Lewis hat man aus der Pensionierung zurückgeholt. In einer Szene las Hathaway seinem an Demenz erkrankten Vater etwas aus einem Buch vor. Ein Gedicht, das ich nicht kannte. Ich ließ den Film weiterlaufen, ging ins Nebenzimmer und fütterte meinen Computer mit dem letzten Vers, den ich gerade gehört hatte. Der Mac sagte mir, dass es das Gedicht
God's Grandeur von
Gerard Manley Hopkins sei. Ich kannte das Gedicht nicht, ich habe sowieso Schwierigkeiten mit Hopkins. Ich finde manches von ihm großartig, vieles verstehe ich nicht. Und manches hätte er meiner Meinung nach besser nicht geschrieben,
The Wreck of the Deutschland zum Beispiel.

Ich habe eine alte Ausgabe der Oxford University Press, die durch viele Leseversuche etwas mitgenommen aussieht. Aber ich war 2010 erst ein Vierteljahr im Netz, da tauchte Gerard Manley Hopkins schon in dem Post
May 11 auf. Sieben Jahre später gab es hier in dem Post
Vogelflug das Gedicht
The Windhover: To Christ our Lord. Den Post haben zweieinhalbtausend Menschen gelesen. Das Gedicht hielt Hopkins für das Beste, was er geschrieben hatte. Leser hatte der Geistliche noch nicht, die meisten seiner Gedichte erschienen erst dreißig Jahre nach seinem Tod.
Zum Abschluss des Poetry Month, gibt es heute
God's Grandeur, das Gedicht, das Hathaway seinem Vater vorliest. Sie finden das in
✺One for Sorrow ungefähr in der 41. Minute (nach der Ikea Werbung). Ich habe es aber auch noch von einer wirklichen Berühmtheit gelesen, von niemand anderem als
✺Charles:
God’s Grandeur
The world is charged with the grandeur of God.
It will flame out, like shining from shook foil;
It gathers to a greatness, like the ooze of oil
Crushed. Why do men then now not reck his rod?
Generations have trod, have trod, have trod;
And all is seared with trade; bleared, smeared with toil;
And wears man's smudge and shares man's smell: the soil
Is bare now, nor can foot feel, being shod.
And for all this, nature is never spent;
There lives the dearest freshness deep down things;
And though the last lights off the black West went
Oh, morning, at the brown brink eastward, springs —
Because the Holy Ghost over the bent
World broods with warm breast and with ah! bright wings.
Ich habe zu dem Gedicht eine deutsche Übersetzung von Sibyll Rau. Sie erschien 1989 in der Zeitschrift
→Geist und Leben zum hundertsten Todestag von Hopkins:
Herrlichkeit Gottes
Geladen ist die Welt mit Gottes Herrlichkeit.
Ausflammen wird sie, wie Glast von gerütteltem Flitter;
Sie sammelt sich zu einer Größe, gleich dem Seim gepreßten
Öls. Was achten Menschen denn jetzt seiner Rute nicht?
Geschlechter traten, traten schweren Tritts;
Und alles ist von Schacher ausgedörrt; besudelt, beschmiert von ge-
schäftiger Mühsal
Trägt Menschenschmutz, teilt Menschendunst: der Grund
Ist kahl nun, noch kann Fuß fühlen, der beschuht.
Trotz alle dem, Natur bleibt immer unerschöpft;
Köstlichste Frische lebt tiefinnerst allen Dingen;
Und ob auch letzte Helle wich im schwarzen West,
Oh, Morgen springt, am braunen Saum gen Osten, auf -
Denn brütend hegt der Heilige Geist die hingebeugte
Welt mit warmer Brust und mit ah! lichten Schwingen.

Das erste Mal, dass man Gedichte von Hopkins in deutscher Sprache lesen konnte, war wohl in den 1950er Jahren in diesem Buch des Fischer Verlags. Und dann gab es 1954 noch das 743-seitige Buch
Gerard Manley Hopkins: Gedichte, Schriften, Briefe von Ursula Clemen aus dem Kösel Verlag. Der größte Teil der Gedichte war da von
Friedhelm Kemp übersetzt worden, dessen schöne Übersetzung von
The Windhover: To Christ our Lord schon in dem Post
Vogelflug steht. Wenn man dreißig Euro ausgeben will, kann man das Buch bei
booklooker noch finden. Für den gleichen Preis erhält man aber auch eine ganz neue Übersetzung von
Dorothea Grünzweig:
Gerard Manley Hopkins: Geliebtes Kind der Sprache. Diese Übersetzung wird zur Zeit von allen Kritikern gerühmt, es gibt auch ein
Hörbuch dazu.
Der Jesuitenpater Hopkins, der in ein Gedicht symbolisch, stilistisch und
→rhythmisch alles hinein packt, was man hinein packen konnte, ist nicht leicht zu übersetzen, Ja, er ist nicht einmal leicht zu lesen. Es sei denn, man liest das Gedicht
God's Grandeur als
→Comic. Ich borge mir mal eben ein paar Übersetzungen von der Seite
→planetlyrik. Da hatte
Jürgen Brôcan von der
NZZ der ersten Strophe von
Hurrahing in Harvest verschiedene Übersetzungen entgegengestellt.
Summer ends now; now, barbarous in beauty,
the stooks rise
Around; up above, what wind-walks!
what lovely behavior
Of silk-sack clouds! has wilder, wilful-wavier
Meal-drift moulded ever and melted
across skies?Bei Ursula Clemen und Friedhelm sieht das 1954 so aus:
Sommer endet nun; nun richten, barbarisch
in ihrer Schöne, die Garben sich
Ringsum auf; hoch droben,
welche Windbahnen! welch anmutig Gebaren
Von Seidensack-Wolken! ist wildere,
eigenwillig-gewelltere
Mehl-Drift je himmelüber geflockt
und zerschmolzen?Irgendwie nehmen die beiden auf der Suche nach zumutbarer zeitloser Klassik den Pep aus dem Gedicht.
Stefan Döring geht das anders an:
Sommer geht nun; nun schroff in Schönheit,
die Garben rings
Sind gerichtet; hoch droben, welch Wind-Wege!
welch liebliches Streben
Von Seidensack-Wolken! ward jemals wilderer
verwegen-
Gewellter Mehlfarn geformt, zerfliessend
himmelhin?Das ist schon ein wenig besser. Aber jetzt kommt Dorothea Grünzweig:
Der Sommer hört auf; schockend in Schönheit
erstehen Hocken
Rundum; hoch oben, welcher Windwurf!
welch süsse Allüren
Von Seidensack-Wolken! hat sich wilder,
ichwillig-welliger
Je Mehl-Drift geschmiegt und ergossen
übers Blau?Na ja, man kann damit leben, wenn man immer das Original daneben hat. Womit man nicht unbedingt leben sollte, ist die Hopkins Übersetzung von
God’s Grandeur in dem Blog
luxautumnalis. Dieser Blogger, der prätentiös über Philosophie und Lyrik schreibt, war vor sieben Jahren schon einmal in meinem Blog. Nämlich in dem Post
Somewhere East of Suez. Weil er die grottenolmschlechteste Übersetzung von Kiplings
Mandalay abgeliefert hatte. Und noch sehr stolz darauf war. Die Version ist leider nicht mehr im Netz.
Ich beende den Poetry Month (der mir mit 41.208 Lesern ein paar tausend Leser mehr als der Vormonat gebracht hat) mit einem schönen Zitat von Hopkins: What you look hard at seems to look hard at you.