Mittwoch, 23. April 2025

Thomas Parke D'Invilliers

Im April des Jahres 1925 war F. Scott Fitzgeralds Roman The Great Gatsby erschienen. Es war kein großer Erfolg. Fitzgerald glaubte bei seinem Tod, dass man ihn als Schriftsteller vergessen würde. Modern Library listete den Roman 1998 auf Rang 2 der 100 besten englischsprachigen Romane des 20. Jahrhunderts. Die New York Times hat zur Hundertjahrfeier hier eine schöne Seite 

Fitzgerald hatte zwei Jahre an dem Roman geschrieben, nach der ersten Fassung 1924 hatte ihm Maxwell Perkins vom Scribner Verlag gesagt, er müsse ihn umschreiben. Wenn Fitzgerald Perkins nicht gehabt hätte, wäre keiner seiner Romane veröffentlicht worden. In der Geschichte der Literatur des 20. Jahrhunderts sind Lektoren manchmal genauso wichtig wie die Autoren. Was wäre aus Thomas Wolfe geworden, wenn er Maxwell Perkins nicht gehabt hätte? Look Homeward, Angel war lediglich eine Kiste voller getippten Seiten. Perkins machte daraus einen Roman. Und der Mann, ohne den so vieles aus der amerikanischen Literatur des 20. Jahrhunderts nichts geworden wäre, nimmt sich auch des jungen Veteranen James Jones an und wird der Geburtshelfer für From Here to Eternity. Der gerade aus der Armee entlassene Sergeant Jones hatte keine Erfahrung mit dem Schreiben von Romanen. Er hatte jede Seite, die er fertig hatte, an Perkins geschickt. 

Fitzgerald beginnt seinen Roman mit einem Epigraph, einem vierzeiligen Gedicht:

Then wear the gold hat, if that will move her;
If you can bounce high, bounce for her too,
Till she cry “Lover, gold-hatted, high-bouncing lover,
I must have you!”

Das Gedicht, in dem sich die ganze Handlung des Romans findet, stammt von einem Thomas Parke D'Invilliers. Den Dichter wird man vergeblich im Lexikon suchen. Fitzgerald hat ihn erfunden. Er taucht als Romanfigur in Fitzgeralds Roman This Side of Paradise auf. Da können wir über ihn lesen: They sallied into a discussion of poetry, in the course of which they introduced themselves, and Amory’s companion proved to be none other than “that awful highbrow, Thomas Parke D’Invilliers,” who signed the passionate love-poems in the Lit. He was, perhaps, nineteen, with stooped shoulders, pale blue eyes, and, as Amory could tell from his general appearance, without much conception of social competition and such phenomena of absorbing interest. Still, he liked books, and it seemed forever since Amory had met any one who did; if only that St. Paul’s crowd at the next table would not mistake him for a bird, too, he would enjoy the encounter tremendously. They didn’t seem to be noticing, so he let himself go, discussed books by the dozens—books he had read, read about, books he had never heard of, rattling off lists of titles with the facility of a Brentano’s clerk. D’Invilliers was partially taken in and wholly delighted. In a good-natured way he had almost decided that Princeton was one part deadly Philistines and one part deadly grinds, and to find a person who could mention Keats without stammering, yet evidently washed his hands, was rather a treat. Das Brentano in diesem Text hat nichts mit unserem deutschen Dichter zu tun, es ist der Name einer New Yorker Buchhandlung.

Hinter der Romanfigur Thomas Parke D'Invilliers steht allerdings ein richtiger Dichter, Fitzgeralds Freund John Peale Bishop. Wenn Sie von dem ein Gedicht lesen wollen, dann kann ich The Hours empfehlen. Es ist ein Gedicht, das ein Motto von F. Scott Fitzgerald hat: In the real dark night of the soul it is always three o'clock in the morning. 


Dienstag, 22. April 2025

Künstliche Intelligenz


Im April 1863 hatte der französische Kaiser Napoleon III angeordnet, dass die vom Salon abgelehnten Werke in einem Salon des Refusés gezeigt werden sollen. Eins der Werke, vielleicht das berühmteste, war Manets Frühstück im Grünen. Das Bild war schon mehrfach in diesem Blog, Edouard Manet auch. Immer wieder haben vom Pariser Salon abgelehnte Bilder Geschichte gemacht, ich habe zu dem Thema hier einen schönen Film, der vor zehn Jahren mal bei arte gelaufen ist. Der Film fängt auch mit dem Skandal an, den Manets Bild verursachte. Nackte Körper in der Kunst sind eine gefährliche Sache. Im Jahre 2018 hat Facebook eine Abbildung der steinzeitlichen Statuette Venus von Willendorf als gefährlich pornografisch zensiert. Und eine Künstlerin namens Illma Gore bekam tausend Todesdrohungen, nachdem sie einen nackten Donald Trump gemalt hatte.

Auf der Suche nach einem Gedicht für den Tag, dachte ich mir, dass vielleicht ein französischer Dichter etwas zu Manets Bild geschrieben hätte. Wie zum Beispiel Charles Baudelaire, der wunderschöne Dinge über Eugène Boudin geschrieben hatte. Manet und Baudelaire waren befreundet, Manet hat Baudelaire auch gezeichnet. Aber Baudelaire hat kein Gedicht über Manet geschrieben. Ich fand dann aber etwas Verblüffendes, als ich bei Google Frühstück im Grünen und poem eingab. Google präsentierte mir ein Gedicht, das die Künstliche Intelligenz produziert hatte:

Früh am Morgen, Sonne scheint,
Ein Picknick-Tuch, ganz fein und rein.
Mit Brot und Käse, Saft so süß,
Der Gartenzauber, uns'rer Seele lässt.

Grüne Wiese, Himmel blau,
Ein Festmahl, voller Freude, kaum.
Die Vögel singen, leise, sanft,
Ein Augenblick, der uns so sehr verwirrt.

Mit Freunden lachen, ganz so frei,
Ein Frühstuck, das uns glücklich macht, sei.
Die Natur umarmt, warm und mild,
Ein Bild, das immer in uns brennt, wie ein Wild.

Wenn die Künstliche Intelligenz so weitermacht, dann kriegt sie vielleicht irgendwann richtige Gedichte hin.

Noch mehr Manet in den Posts: Frühstück, Spargel, Edouard Manet, Kindermädchen, Präsenz der Abwesenheit, Grundstückspreise,Ellen Andrée: nue et habillée, les grandes horizontales, Berthe Morisot, Impressionisten

Montag, 21. April 2025

Beatrix Potter

Einen kleinen Osterhasen für das Fest habe ich noch. Den hübschen Osterhasen hat Beatrix Potter gezeichnet, die ihre Kinderbücher selbst illustrierte. Sie hatte mit ihren Nursery Rhymes und ihren Büchern, beginnend mit The Tale of Peter Rabbit (1902), großen Erfolg. Peter Rabbit habe ich für Sie hier im Volltext. Beatrix Potter ist in einer wohlhabenden Familie in London aufgewachsen. Ihr Großvater Edmund Potter hatte sein Vermögen mit Calico in Manchester gemacht. Wenn man vom Manchesterkapitalismus spricht, dann war ihr Opa auch dabei. Allerdings auf der guten Seite, er ist ein patriarchalischer Unternehmer, der sich wie Titus Salt um seine Arbeiter kümmert. 

Beatrix Potter hat die Metropole London nicht geliebt, ihre zweite Lebenshälfte wird sie als Farmerin und Schafzüchterin im  Lake District verbringen. Ihre Farm kann man heute noch besichtigen. Potter wird Land kaufen, sehr viel Land. Nicht, um damit Geschäfte zu machen, sie will die Natur erhalten. In ihrem Testament hinterläßt sie dem National Trust sechzehn Quadratkilometer Land. I wish there may be a sufficient representative number of the old farms in the hands of the Trust, schreibt sie inden 1930er Jahren einer Freundin. Der National Truist wird vierzehn Farmen von ihr enthalten, die heute Teil des Lake District National Parks sind.

Ein kleines Gedicht von Beatrix Potter habe ich zum Schluss auch noch:

We have a little garden,
A garden of our own,
And every day we water there
The seeds that we have sown.

We love our little garden,
And tend it with such care,
You will not find a faded leaf
Or blighted blossom there.

Hundertausende von englischen Kindern sind mit solchen Versen aufgewachsen. Ich habe aber heute noch etwas mehr als dieses Gedicht, vor allem für Beatrix Potter Fans. Denn seit wenigen Wochen gibt es die erste deutsche Übersetzung von ihrem Spätwerk →The Fairy Caravan. Übersetzt von Dietrich H. Fischer, dessen →Wordsworth Seiten im Internet ich schon in dem Post Narzissen aufs Höchste gelobt habe. Der Lake District hat es auch ihm angetan, zuerst kam das Werk von Wordsworth, dann das Werk von Potter. Sein Buch über den Wanderzirkus, der durch den Lake District tourt, ist nicht nur eine Übersetzung, es ist gleichzeitig beinahe ein Potter Lexikon. 150 Seiten Text mit den Originalillustrationen, 100 Seiten Anhang. Ein Verzeichnis aller Pflanzenarten, eine kommentierte Liste aller Ortsnamen, Bemerkungen zu den eingestreuten Gedichten, hunderte von Anmerkungen und ein sehr schönes Nachwort. Hier kommen philologische Genauigkeit und die Liebe zur Landschaft und zur Autorin zusammen. Besser kann man das nicht machen. Das geht nicht. Beatrix Potter Fans werden ihm für dieses Buch dankbar sein.

Sonntag, 20. April 2025

voi non sapete che cos'è l'amore

Ich wollte vorgestern in der Nacht Bachs Johannespassion beim MDR sehen, das war eine gute Art, den Karfreitag zu beenden. Aber dann sah ich, dass es beim Bayrischen Rundfunk den Film Il Grido von Michelangelo Antonioni gab. Ich dachte mir, dass es die ✺Johannespassion auch noch in der Mediathek geben würden und guckte mir Il Grido an. Es ist ein Film, den ich mir immer wieder angucken kann, angucken muss. Er hat hier schon mit Steve Cochran einen langen Post. Und noch einen, weil er in dem Roman Die Rote von Alfred Andersch vorkommt. Der Film handelt von der Liebe und vom Verlust der Liebe. Davon handelt ja die ganze Literatur, ob in Prosa oder Dichtung. Da fällt es nicht schwer, ein Gedicht dazu zu finden.

Ich habe eins von Raymond Carver genommen, das in der italienischen Ausgabe seiner Gedichte den Titel voi non sapete che cos'è l'amore hat. Da hat der Herausgeber wohl ein wenig an Mozarts Arie Voi che sapete che cosa è amor gedacht. Von dieser Arie des Cherubino habe ich noch eine ganz schräge Version, die schon einmal in dem Post Untertitel vorkam. Man muss das einmal gesehen haben, das macht eine vergnügte Stimmung für den Ostersonntag. Bachs Johannespassion nicht so. Ich habe Carvers Gedicht, das ein fiktiver Monolog von Charles Bukowski ist, hier in einer italienischen Fassung, aber das Original ist englisch:

You Don’t Know What Love Is (an evening with Charles Bukowski)

You don’t know what love is Bukowski said
I’m 51 years old look at me
I’m in love with this young broad
I got it bad but she’s hung up too
so it’s all right man that’s the way it should be
I get in their blood and they can’t get me out
They try everything to get away from me
but they all come back in the end
They all came back to me except
the one I planted
I cried over that one
but I cried easy in those days
Don’t let me get onto the hard stuff man
I get mean then
I could sit here and drink beer
with you hippies all night
I could drink ten quarts of this beer
and nothing it’s like water
But let me get onto the hard stuff
and I’ll start throwing people out windows
I’ll throw anybody out the window
I’ve done it
But you don’t know what love is
You don’t know because you’ve never
been in love it’s that simple
I got this young broad see she’s beautiful
She calls me Bukowski
Bukowski she says in this little voice
and I say What
But you don’t know what love is
I’m telling you what it is
but you aren’t listening
There isn’t one of you in this room
would recognize love if it stepped up
and buggered you in the ass
I used to think poetry readings were a copout
Look I’m 51 years old and I’ve been around
I know they’re a copout
but I said to myself Bukowski
starving is even more of a copout
So there you are and nothing is like it should be
That fellow what’s his name Galway Kinnell
I saw his picture in a magazine
He has a handsome mug on him
but he’s a teacher
Christ can you imagine
But then you’re teachers too
here I am insulting you already
No I haven’t heard of him
or him either
They’re all termites
Maybe it’s ego I don’t read much anymore
but these people w! ho build
reputations on five or six books
termites
Bukowski she says
Why do you listen to classical music all day
Can’t you hear her saying that
Bukowski why do you listen to classical music all day
That surprises you doesn’t it
You wouldn’t think a crude bastard like me
could listen to classical music all day
Brahms Rachmaninoff Bartok Telemann
Shit I couldn’t write up here
Too quiet up here too many trees
I like the city that’s the place for me
I put on my classical music each morning
and sit down in front of my typewriter
I light a cigar and I smoke it like this see
and I say Bukowski you’re a lucky man
Bukowski you’ve gone through it all
and you’re a lucky man
and the blue smoke drifts across the table
and I look out the window onto Delongpre Avenue
and I see people walking up and down the sidewalk
and I puff on the cigar like this
and then I lay the cigar in the ashtray like this and take a deep breath
and I begin to write
Bukowski this is the life I say
it’s good to be poor it’s good to have hemorrhoids
it’s good to be in love
But you don’t know what it’s like
You don’t know what it’s like to be in love
If you could see her you’d know what I mean
She thought I’d come up here and get laid
She just knew it
She told me she knew it
Shit I’m 51 years old and she’s 25
and we’re in love and she’s jealous
Jesus it’s beautiful
she said she’d claw my eyes out if I came up here
and got laid
Now that’s love for you
What do any of you know about it
Let me tell you something
I’ve met men in jail who had more style
than the people who hang around colleges
and go to poetry readings
They’re bloodsuckers who come to see
if the poet’s socks are dirty
or if he smells under the arms
Believe me I won’t disappoint em
But I want you to remember this
there’s only one poet in this room tonight
only one poet in this town tonight
maybe only one real poet in this country tonight
and that’s me
What do any of you know about life
What do any of you know about anything
Which of you here has been fired from a job
or else has beaten up your broad
or else has been beaten up by your broad
I was fired from Sears and Roebuck five times
They’d fire me then hire me back again
I was a stockboy for them when I was 35
and then got canned for stealing cookies
I know what’s it like I’ve been there
I’m 51 years old now and I’m in love
This little broad she says
Bukowski
and I say What and she says
I think you’re full of shit
and I say baby you understand me
She’s the only broad in the world
man or woman
I’d take that from
But you don’t know what love is
They all came back to me in the end too
every one of em came back
except that one I told you about
the one I planted We were together seven years
We used to drink a lot
I see a couple of typers in this room but
I don’t see any poets
I’m not surprised
You have to have been in love to write poetry
and you don’t know what it is to be in love
that’s your trouble
Give me some of that stuff
That’s right no ice good
That’s good that’s just fine
So let’s get this show on the road
I know what I said but I’ll have just one
That tastes good
Okay then let’s go let’s get this over with
only afterwards don’t anyone stand close
to an open window

Wir können uns natürlich fragen: ist das überhaupt ein Gedicht? Oder hatte Carver in der Nacht nur den tape recorder laufen lassen? Carver hat dazu gesagt: In 'Fires', I even dedicated a poem to him. It's titled 'You Don't Know What Love Is.' It's kind of the story of an evening that he spent at my house, and many lines are nothing more than phrases taken directly from what he said [...] Well, Bukowski is a really strange guy; it's almost impossible to agree with him. I was in my early twenties and I told him that I liked his poems. He answered that I must have a terrible taste. Sie können das Gedicht You Don't Know What Love Is hier vorgelesen bekommen.

Noch mehr Michelangelo Antonioni in diesem Blog in den Posts: Michelangelo Antonioni, Antonioni, Swinging London, Monica Vitti, Gassman, Ossessione, Ingmar Bergman, Cinecittà und die Mode, Brioni,

Ich wünsche all meinen Lesern ein schönes Osterfest. Und ich hör mir jetzt die Johannespassion an.

Samstag, 19. April 2025

Abschied ist ein scharfes Schwert


Nicht jeden Kommentar zu einem Post drucke ich ab. Hasskommentare schon gar nicht. Kommen nicht so häufig, aber es gibt sie. Und dann gibt es Kommentare wie diesen, der mich gestern erreichte, der ein Kommentar zu dem Post Hochzeitsmarsch aus dem Jahre 2012 sein sollte:

In einem Haus, das einst von Lachen widerhallte, hatte sich Stille wie dichter Nebel gelegt. Mein Mann, die Liebe meines Lebens, hatte sich von mir entfernt, und das Wort „Scheidung“ hing wie eine dunkle Wolke in der Luft. Mein Herz brach jeden Tag ein wenig mehr, verzweifelt versuchte ich, die Liebe, die wir einst teilten, festzuhalten.
     Auf meiner Suche nach Antworten stieß ich auf Dr. X, eine Liebeszauberin, die versprach, verlorene Liebe wiederzubeleben. Skeptisch, aber hoffnungsvoll, beschloss ich, es zu versuchen. Unter seiner Anleitung sprach ich einen Zauber, der meine tiefsten Wünsche nach Liebe und Verbundenheit widerspiegelte.
     Wie durch ein Wunder kam mein Mann am nächsten Tag nach Hause, seine Augen sanfter, erfüllt von Erkenntnis. Er sah mich nicht nur als seine Partnerin, sondern als die Königin seines Herzens. Er begann, mich mit Respekt zu behandeln, fragte mich immer nach meiner Meinung und schätzte unsere Verbindung über alles.
     Unsere Liebe war neu entfacht, stärker als zuvor. Ich war Dr. X dankbar, die mir geholfen hatte, den Weg zurück zu der Liebe zu finden, die ich für immer verloren glaubte. Falls sich jemand in einer ähnlichen Situation befindet, empfehle ich dringend, sich an Dr. X zu wenden. Für die Liebe lohnt es sich zu kämpfen, und manchmal kann ein wenig Magie die Flammen des Herzens neu entfachen
.

Ich kannte den Text schon, die Autorin, die in ihrer Jugend offenbar schwer von Courths-Mahler Romanen geschädigt wurde, versuchte jetzt zum dritten Mal in diesem Jahr diesen Text bei mir unterzubringen. Eine WhatsApp Adresse und eine E-Mail Adresse waren dem Text natürlich beigefügt. Ich füge dem Text einmal diesen wunderbaren Cartoon von Ronald Searle zum Thema Abschied zu. Der Autorin ist es übrigens gelungen, ihren Text an mehreren Stellen im Internet unterzubringen. Falls Sie die Adresse der Liebeszauberin brauchen, müssen Sie mal ein wenig suchen.

Abschied hatten wir in diesem Monaten schon in Comment te dire adieu, aber ein Abschiedsgedicht habe ich heute auch für Sie, Theodor Storm hat es geschrieben. Er befand sich da in einer Ehekrise, die Liebeszauberin Dr X konnte ihm nicht helfen, die war noch nicht geboren. Storm verarbeitet seine Gefühle in Gedichten, wie zum Beispiel in Rote Rosen, das zu seinen Lebzeiten nicht veröffentlicht wurde. Aber das Trennungsgedicht für Dorothea Jensen aus dem Jahre 1852, das wurde gedruckt

Die Zeit ist hin; du löst dich unbewußt
Und leise mehr und mehr von meiner Brust;
Ich suche dich mit sanftem Druck zu fassen,
Doch fühl' ich wohl, ich muß dich gehen lassen.

So laß mich denn, bevor du weit von mir
Im Leben gehst, noch einmal danken dir;
Und magst du nie, was rettungslos vergangen,
In schlummerlosen Nächten heimverlangen.

Hier steh' ich nun und schaue bang zurück;
Vorüber rinnt auch dieser Augenblick,
Und wieviel Stunden dir und mir gegeben,
Wir werden keine mehr zusammenleben.

Freitag, 18. April 2025

Karfreitag


Ich vergesse so viel

Ich vergesse so viel
Das meiste
Nur einiges nicht

Nicht die englische Tänzerin
Mit den roten Schuhen
Nicht den brennenden Bergahorn
Vor der Eigernordwand

Auch nicht die Toten
Mit Kalk übergossen
Wie sie glänzten im Mondlicht

Zeit schöner Engel
Mit dem Kranz im Haar
Und der Pistole im Gürtel

Im Briefkasten liegt ein Zettel
Verlaß das Haus
Und ein anderer
Jesus war bei dir

Jesus wer soll das sein?
Ein Galiläer
Ein armer Mann
Aufsässig

Eine Großmacht
Und eine Ohnmacht
Immer
Heute noch.


Marie Luise Kaschnitz: Ich vergesse so viel (1972) in: Notizen der Hoffnung

Donnerstag, 17. April 2025

Danmark


Mehr als hundert meiner Leser haben gewusst, dass die dänische Königin Margrethe gestern ihren 85. Geburtstag feiern konnte. Das weiß ich, weil mehr als hundert Leser den Post Ingahild Grathmer angeklickt haben. Sie hätten auch die Posts skandinavische Mode oder Des Königs Jaguar anklicken können, da wird sie auch erwähnt. Ich sende heute verspätete Glückwünsche und habe natürlich ein dänisches Gedicht für den Tag. Es heißt Den danske Sommer und ist von dem Maler und Dichter Thøger Larsen, dessen 150. Geburtstag man gerade in Dänemark feiert:

Danmark, nu blunder den lyse Nat
bagved din Seng, naar du sover.
Gøgen kukker i Skov og Krat,
Vesterhavet og Kattegat
synger, imens det dugger,
sagte som Sang ved Vugger.

Danmark, du vaagner med Søer blaa,
mætte som Moderøjne.
Alt, hvad i dine Arme laa,
lader du Solen skinne paa,
ser, hvor det yppigt glider,
frem af forgangne Tider.

Lærker, som hopped’ af Æg i Vaar,
svinder i Himlens Straaler.
Tonerne ned med Lyset gaar,
samme Sang som i tusind Aar.
Lykken fra glemte Gruber
klinger af unge Struber.

Hyldene dufter i Stuen ind
ude fra Danmarks Haver.
Kornet modnes i Sommervind.
Hanegal over lyse Sind
stiger bag Gavl og Grene,
hvæsset som Kniv mod Stene.

Køer og Heste og Faar paa Græs
henover brede Agre,
aabne Lader for fulde Læs,
Sejl, som stryger om Klint og Næs,
Byger, som gaar og kommer -
det er den danske Sommer.

Pigernes Latter og lyse Haar,
Leg, som faar aldrig Ende,
Øjnene blaa som Vand i Vaar -
mildt om et evigt Danmark spaar,
Sol over grønne Sletter,
Lykke og lyse Nætter.


Google Translate übersetzt das mit:

Der dänische Sommer

Dänemark, jetzt schlummert die helle Nacht
hinter Ihrem Bett, wenn Sie schlafen.
Der Kuckuck, Kuckuck in Wald und Dickicht,
Die Nordsee und das Kattegat
singt, während es regnet,
Leise, wie ein Lied an der Wiege.

Dänemark, du wachst mit blauen Seen auf,
Zufrieden wie Mutters Augen.
Alles, was in deinen Armen war,
Lass die Sonne weiter scheinen,
sieh, wie es üppig gleitet,
vorwärts aus vergangenen Zeiten.

Lerchen, die im Frühling aus Eiern sprangen,
In den Strahlen des Himmels verblassend.
Die Töne versinken mit dem Licht,
Das gleiche Lied wie seit tausend Jahren.
Das Glück vergessener Gruben
klingt aus jungen Kehlen.

Die Regale duften im Wohnzimmer
aus den Gärten Dänemarks.
Das Korn reift im Sommerwind.
Hahnenschrei über klugen Köpfen
Leitern hinter Giebeln und Ästen,
Geschärft wie ein Messer gegen Steine.

Kühe, Pferde und Schafe auf der Wiese
Über weite Felder,
Öffnen Sie Loads für vollständiges Lesen,
Segel, die um Klippen und Landzungen fegen,
Schauer, die kommen und gehen -
Es ist dänischer Sommer.

Das Lachen der Mädchen und ihr leuchtendes Haar,
Ein Spiel, das niemals enden wird,
Augen blau wie Wasser im Frühling -
sagt milde ein ewiges Dänemark voraus,
Sonne über grünen Ebenen,
Glück und helle Nächte.


Unser Nachbarland Dänemark war immer wieder in diesem Blog. Ich war zwei Tage im Netz, da schrieb ich I skovens dybe stille ro und Kopenhagen. Der meistgelesene dänische Post ist Mein Dänemark, der hat schon über achttausend Leser. Genau so viel wie der Post Dänische KunstAuf Platz drei liegt der Post Skagen mit sechstausend Klicks. Danach kommen schon die Posts skandinavische Mode und Des Königs Jaguar mit 4.200 und 3.200 Klicks. Wenn man die vielen anderen Posts zu Dänemark dazu tut, wäre das schon ein kleines hyggeliges Dänemark Buch.

Mittwoch, 16. April 2025

Monte Cassino

Terence Alan Milligan, der sich den Namen Spike Milligan gab, hat heute Geburtstag. Er war hier schon in den Posts Spike Milligan und Royal Wedding. Er hat wunderbare Nonsense Gedichte geschrieben, wie dieses hier:

Said Hamlet to Ophelia,
I'll draw a sketch of thee,
What kind of pencil shall I use?
2B or not 2B?


Aber es gibt noch einen anderen Spike Milligan. Der 1939 zur Royal Artillery geht und den Krieg in Tunesien und Italien erlebt. Bei Monte Cassino wird er verwundet werden und leidet unter dem, was man shell shock nennt. Sein Vorgesetzter hält ihn für verrückt und degradiert den lance bombardier Milligan zum einfachen Soldaten. Milligan kommt ins Lazarett, man behandelt die Wunden und pumpt ihn voll mit Tranquilizern. Aber der Schock sitzt tief in ihm, und wenn er über seine toten Kameraden das Gedicht The Soldiers At Lauro schreibt, dann hat das nichts von Nonsense Versen an sich:

Young are our dead
Like babies they lie
The wombs they blest once
Not healed dry
And yet - too soon
Into each space
A cold earth falls
On colder face.
Quite still they lie
These fresh-cut reeds
Clutched in earth
Like winter seeds
But they will not bloom
When called by spring
To burst with leaf
And blossoming
They sleep on
In silent dust
As crosses rot
And helmets rust.

Spike Milligan hat seine Kriegserlebnisse ich sechs Büchern verarbeitet. Das erste war Adolf Hitler: My Part in His Downfall. Das Buch ist auch verfilmt worden, den Film habe ich hier für Sie.

Dienstag, 15. April 2025

Heidelberg

Der Besuch aus Heidelberg ist wieder weg, das bringt mich dazu, ein Heidelberg Gedicht einzustellen. Da gibt es eigentlich nur eins, und das ist von Hölderlin. Der ist mehrmals in Heidelberg gewesen. Ich nur einmal, drei Tage im Sommer. Es war irgendein Fest in der Stadt, und es waren bestimmt zehntausend amerikanische Touristen da. War ich dafür durch halb Deutschland getrampt? Die schwüle Luft lag schwer in dem Talkessel, es gab keinen Windhauch. Ich weiß noch, dass ich mir in dem ganzen Trubel wünschte, ich wär an der Nordsee. Heidelberg ist nicht so mein Ding. Wenn Sie noch andere Heidelberg Gedichte suchen, dann kann ich dieses Buch des Insel Verlags nur empfehlen. Zwölf Heidelberg Gedichte mit Interpretationen. Das Hölderlin Gedicht aus dem Jahre 1800 ist auch drin:

Lange lieb ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust,
Mutter nennen und dir schenken ein kunstlos Lied,
Du, der Vaterlandsstädte
Ländlichschönste, so viel ich sah.

Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt,
Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt,
Leicht und kräftig die Brücke,
Die von Wagen und Menschen tönt.

Wie von Göttern gesandt, fesselt‘ ein Zauber einst
Auf die Brücke mich an, da ich vorüber ging
Und herein in die Berge
Mir die reizende Ferne schien,

Und der Jüngling, der Strom, fort in die Ebne zog,
Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu schön,
Liebend unterzugehen,
In die Fluten der Zeit sich wirft.

Quellen hattest du ihm, hattest dem Flüchtigen
Kühle Schatten geschenkt, und die Gestade sahn
All’ ihm nach, und es bebte
Aus den Wellen ihr lieblich Bild.

Aber schwer in das Tal hing die gigantische,
Schicksalskundige Burg nieder bis auf den Grund,
Von den Wettern zerrissen;
Doch die ewige Sonne goß

Ihr verjüngendes Licht über das alternde
Riesenbild, und umher grünte lebendiger
Efeu; freundliche Wälder
Rauschten über die Burg herab.

Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Tal,
An den Hügel gelehnt oder dem Ufer hold,
Deine fröhlichen Gassen
Unter duftenden Gärten ruhn.


Noch viel mehr Hölderlin in den Posts: Michael Hamburger, Friedrich Hölderlin. Sonnenbräune, Hölderlin, Holterling, Dichterfreund, Isaac von Sinclair, Herbstgedicht, Der Sommer, Vergil, die Jungfer Lotte, Poetry Month, Boehlendorff

Montag, 14. April 2025

Pause


Im letzten Jahr habe ich im April beinahe jeden Tag geschrieben. Und am Ende des Monats habe ich mir gesagt: Das machst Du im nächsten Jahr nicht wieder. Und was ist? Ich schreibe wieder jeden Tag. Damit höre ich jetzt mal eben auf, ich brauche eine Pause. Bekomme auch gleich Besuch aus Heidelberg. Vielleicht gibt es demnächst hier ein Heidelberg Gedicht. Aber erst einmal gibt es die Pause. Mit dem Gedicht Pause von Rose Ausländer:

Die Pause braucht mich,
um sich zu sammeln.
Verstohlen
hol ich aus ihrer
entzündlichen Stille
den Funken


Sonntag, 13. April 2025

mit Popcorn im Kino

Heute soll es wieder einen Pink Moon am Himmel geben. Pink Moon hatten wir schon im Blog. Nick Drake, der Pink Moon geschrieben hat, hat auch schon einen Post. Ich weiß nicht, wie der Mond am 13 April 1953 in London aussah, da erschien nämlich der erste James Bond Roman Casino Royale. War kein großartiger Erfolg. Die Auflage von 4.500 Exemplaren sprach nicht dafür, dass der Verlag einen Bestseller vermutete. Für den Ullstein Verlag war der Playboy des englischen Geheimdienstes (der im gleichen Jahr wie Hugh Hefners Playboy das Licht der Welt entdeckt hatte) sieben Jahre später noch kein Markenzeichen, kein cultural hero, mit dem man werben konnte. So hieß es auf dem Buchrücken der deutschen Erstausgabe (Erstmalig in deutscher Sprache! stand vorne drauf): Casino Royale ist eine der harten, im amerikanischen Stil geschriebenen, abenteuerlichen Stories, mit denen der englische Autor Ian Fleming sich seinen Platz in der ersten Reihe der beliebtesten Kriminalautoren gesichert hat.

An James Bond Gedichten ist kein Mangel. Das kürzeste ist von Frank Scholz:

Geschürt, nicht gerüttelt

Sein Name ist Bond,
James Bond. 
Das Girl, es ist blond,
schön blond.
Jawohl, Bond ist Schond.
Na ond?

Am besten finde ich das Gedicht über die Bond Girls von Fiona Pitt-Kethley, das in dem Post Domino steht. Ich habe heute aber etwas ganz anderes, ein James Bond Gedicht von der Amerikanerin May Swenson (1913-1989). Harold Bloom hat sie als major poet bezeichnet: As a poet, May Swenson derives from Emily Dickinson, Gertrude Stein, Marianne Moore, and Elizabeth Bishop. Er fand es enttäuschend, dass sie noch nicht in der Library of America vertreten war, aber seit 2013 gibt es diesen Band mit fünfhundert Gedichten. Der Herausgeber Langdon Hammer, der bei Bloom studiert hatte, sagte nach dessen Tod im Jahre 2019: Right up until the last week, generations of Yale students found him the most inspiring and memorable teacher they ever had.

Der Dichter William Stafford (der hier schon einen Post hat) hat über seine Kollegin gesagt: No one today is more deft and lucky in discovering a poem than May Swenson. Her work often appears to be proceeding calmly, just descriptive and accurate; but then suddenly it opens into something that looms beyond the material, something that impends and implies… So graceful is the progression in her poems that they launch confidently into any form, carrying through it to easy, apt variations. Often her way is to define things, but the definitions have a stealthy trend; what she chooses and the way she progresses heap upon the reader a consistent, incremental effect.

Ihre Eltern waren aus Schweden in den Mormonenstaat Utah gekommen, zuhause wurde Schwedisch gesprochen. Englisch musste May Swenson erst lernen. Sie hat später auch schwedische Autoren übersetzt, unter anderem den Nobelpreisträger Tomas Tranströmer. Sie war auf der Universität gewesen und hatte ihr Examen gemacht, aber es war schwer, in der Great Depression einen Job zu finden. Sie arbeitete eine kurze Zeit als Reporterin in Salt Lake City. Dann ging sie nach New York und setzte eine Anzeige in die New York TimesWriter, college degree, trained arts, literature, keen, healthy, physical, mental poise, age 23, do anything progressive and legitimate that nets living. Sie hatte viele kleine Jobs, klaute Klamotten, um für den Job gut auszusehen. Sie war glücklich, ins The Federal Writers Project aufgenommen zu werden. Hier steht sie 1946 auf dem Empire State Building und hat Schuhe an den Füssen. Das hatte sie nicht immer, lesen Sie mehr dazu in I Have Shoes To My Feet This Time.

1936 war sie nach New York gekommen, da hatte sie vor der Reise in ihr Tagebuch geschrieben: new roads—a new city—life, life you are there, ferociously awaiting me—far—in another city.… I am writing in this book for the last time in this life before going away on a bus… New York is to be my hometown … New York—my city—Walt Whitman’s and mine. You Walt Whitman & Thomas Wolfe—soon Alfred Steiglitz [sic]—soon to be in that City. Ein Vierteljahrhundert später, als Beauford Delaney dieses Bild von ihr malt, hatte sie schon drei Gedichtbände veröffentlicht, vier Literaturpreise bekommen und hatte eine feste Stelle beim Verlag New Directions. So berühmt sie in Amerika einmal war, in Deutschland ist sie nicht bekannt geworden. In dem Band Sehen heißt ändern mit zweisprachiger amerikanischer Lyrik ist sie drin, und bei poetenladen gibt es zwei Gedicht von ihr in deutscher Übersetzung. Viel mehr ist nicht. Ich habe hier zwanzig Gedichte für Sie. The James Bond Movie ist da auch drin. Und heute bei mir:

The popcorn is greasy, and I forgot to bring a Kleenex. 
A pill that’s a bomb inside the stomach of a man inside

The Embassy blows up. Eructations of flame, luxurious
cauliflowers giganticize into motion. The entire 29-ft.

screen is orange, is crackling flesh and brick bursting,
blackening, smithereened. I unwrap a Dentyne and, while

jouncing my teeth in rubber tongue-smarting clove, try
with the 2-inch-wide paper to blot butter off my fingers.

A bubble-bath, room-sized, in which 14 girls, delectable
and sexless, twist-topped Creamy Freezes (their blond,

red, brown, pinkish, lavendar or silver wiglets all
screwed that high, and varnished), scrub-tickle a lone

male, whose chest has just the right amount and distribu-
tion of curly hair. He’s nervously pretending to defend

his modesty. His crotch, below the waterline, is also
below the frame—but unsubmerged all 28 slick foamy boobs.

Their makeup fails to let the girls look naked. Caterpil-
lar lashes, black and thick, lush lips glossed pink like

the gum I pop and chew, contact lenses on the eyes that are
mostly blue, they’re nose-perfect replicas of each other.

I’ve got most of the grease off and onto this little square
of paper. I’m folding it now, making creases with my nails.

Samstag, 12. April 2025

und an der Hüfte Bananen

Heute vor fünfzig Jahren starb Josephine Baker in Paris. Wir kennen sie von Photos nackt oder halbnackt mit einem Bananenröckchen als Tänzerin, als Star des Pariser Revuetheaters. Aber es hat noch eine andere Josephine Baker gegeben. Eine Frau, die bei der Résistance war. Die einen Pilotenschein hatte, Leutnant in der Luftwaffe des Freien Frankreichs war und das Croix de Guerre erhielt. Und 1961 die Légion d'honneur. 1963 hatte sie Martin Luther King als einzige weibliche Rednerin beim Marsch auf Washington vor dem Lincoln Memorial eingeladen.

Das alles interessiert neuerdings nicht mehr, die ewigen Fragen, ob die Tänzerin lesbisch gewesen sei, haben jetzt eine modische neue Form bekommen, die heißt jetzt LGBTQ. Und mit der sexuellen und kulturellen Einordnung ihrer Lebens hat auch die englische Dichterin Patience Agbabi zu tun, mit sich selbst und mit ihrer Lyrik. Sie liebt das gesprochene Wort, das ihr über das Gedruckte geht. Wir können das gleich einmal ausprobieren. Ich habe hier ihr Gedicht Josephine Baker Finds Herself aus dem Jahre 2008:

She picked me up like a slow-burning fuse.
I was down that girls' club used to run in Brixton,
on acid for fuel. Lipstick lesbians,
techno so hardcore it's spewing out Audis.
She samples my heartbeat and mixes it with
vodka on the rocks. I'm her light-skinned, negative,
twenty-something, short black wavy-bobbed diva.
She purrs La Garçonne, fancy a drink? I say
Yes. She's crossing the Star Bar like it's a catwalk. So sleek!
A string of pearls, her flapper dress
studded with low-cut diamonds
through my skin, straight to my heart.
Twenties chic! She works
me up and down. I worship
the way she looks.

The way she looks
me up and down. I worship
twenties chic. She works
through my skin, straight to my heart
studded with low-cut diamonds.
A string of pearls her flapper dress.
Yes! She's crossing the Star Bar like it's a catwalk so sleek
she purrs, la garçonne! Fancy a drink? I say.
Twenty-something, short, Black, wavy-bobbed diva:
Vodka on the rocks, I'm her light-skinned negative.
She samples my heartbeat and mixes it with
techno so hardcore it's spewing out Audis
on acid for fuel. Lipstick Lesbians,
that girls' club used to run in Brixton
like a slow-burning fuse. I was down.
She picked me up.


Und hier ihren Vortrag mit dem Gedicht. Mit ihrem Vortrag bekommt das Gedicht über die Lipstock Lesbians in Brixton Showcharacter. Ich habe es noch einmal vorgelesen von Brandy Pearson. Sehr schön gelesen.

Freitag, 11. April 2025

Les Passantes


Es gab vor Tagen den französischen Film Der Maulwurf mit Lino Ventura im Fernsehen, der Film ist noch zwei Tage bei arte zu sehen. Bei mir kletterten die Zahlen des Posts Lino Ventura auf den ersten Platz der Top Ten der Statistik. Mein Gedicht heute hat auch etwas mit Lino Ventura zu tun. Er hat zwar keine Gedichte geschrieben, und es gibt auch wohl kaum Gedichte über ihn, aber ein Gedicht hat doch mit ihm zu tun. Bei der Fernsehshow Le grand échiquier am 31. Mai 1979 hatte er all seine Freunde eingeladen, und er wünschte sich von seinem Freund Georges Brassens, dass der für ihn das Lied Les Passantes sänge. 

Les Passantes ist ein frühes Gedicht von Antoine Pol (1888–1971). Über den Dichter weiß man nicht so furchtbar viel. Er war Hauptmann bei der Artillerie im Ersten Weltkrieg und präsentierte am Kriegsende seinen ersten Gedichtband Émotions poétiques. In dem auch das Gedicht Les Passantes stand, das Pol mit dreiundzwanzig Jahren geschrieben hatte. Antoine Pol führte ein bürgerliches Leben als Geschäftsmann, schrieb aber immer wieder Gedichte. Den Gedichtband Émotions poétiques hatte Brassens 1942 in einem Antiquariat gefunden, er wusste sofort, dass er diesen Text mit den belles passantes Que l’on n’a pas su retenir. singen wollte. 

Es hatte einige Zeit gedauert, bis er den lange vergessenen Dichter Pol (hier als eleganter Mann in den 1930er oder 1940er Jahren) ausfindig machen konnte, um ihn zu fragen, ob er das Gedicht vertonen und als Chanson singen dürfe. 1970 gelang ihm das, Pol bestätigte das im Dezember 1970 in einem Brief. Die beiden verabredeten sich auf einen Treffen in vier Wochen, aber zu dem Treffen kam es nicht. Eine Woche vor dem geplanten Treffen ist Antoine Pol im Alter von dreiundachtzig Jahren gestorben. Für Brassens war das die größte Enttäuschung seines Lebens. 1972 hat er das Lied dann zum ersten Mal gesungen: Ce poème des Passantes, c’est comme s’il me l’avait pris parce que c’est ce que j’ai vécu. Son regard admirable sur les femmes reste pour moi le plus grand poème de ma vie. Es ist ein wunderschönes Liebesgedicht über die Frauen, die vorübergehen und die man nicht festhalten kann:

Les Passantes

Je veux dédier ce poème
À toutes les femmes qu’on aime
Pendant quelques instants secrets,
À celles qu’on connaît à peine,
Qu’un destin différent entraîne
Et qu’on ne retrouve jamais.

À celle qu’on voit apparaître
Une seconde à la¹ fenêtre
Et qui, preste, s’évanouit,
Mais dont la svelte silhouette
Est si gracieuse et fluette
Qu’on en demeure épanoui.

À la compagne de voyage
Dont les yeux, charmant paysage,
Font paraître court le chemin ;
Qu’on est seul peut-être à comprendre,
Et qu’on laisse pourtant descendre
Sans avoir effleuré sa² main.

[ À la fine et souple valseuse
Qui vous sembla triste et nerveuse
Par une nuit de carnaval
Qui voulut rester inconnue
Et qui n’est jamais revenue
Tournoyer dans un autre bal ]

À celles qui sont déjà prises,
Et qui, vivant des heures grises
Près d’un être trop différent,
Vous ont, inutile folie,
Laissé voir la mélancolie
D’un avenir désespérant.

Chères images aperçues,
Espérances d’un jour déçues,
Vous serez dans l’oubli demain ;
Pour peu que le bonheur survienne,
Il est rare qu’on se souvienne
Des épisodes du chemin.

Mais si l’on a manqué sa vie,
On songe, avec un peu d’envie,
À tous ces bonheurs entrevus,
Aux cœurs qui doivent vous attendre,
Aux baisers qu’on n’osa pas prendre,
Aux yeux qu’on n’a jamais revus.

Alors, aux soirs de lassitude,
Tout en peuplant sa solitude
Des fantômes du souvenir,
On pleure les lèvres absentes
De toutes les belles passantes
Que l’on n’a pas su retenir.

Die vierte Strophe des Gedichts hat Brassens ausgelassen. Ich habe hier einen zweisprachigen Text. Und noch eine Cover Version von Iggy Pop. Und noch mehr Lino Ventura findet sich in La Bonne Année, Jean-Pierre Melville und Claude Lelouch

Donnerstag, 10. April 2025

nur einmal im Netz


Wenn ein Blogger bei der Google Suche auf Platz Eins der Ergebnisse landet, dann ist er ein klein wenig stolz. Wenn ein Blogger etwas Substantielles geschrieben hat, das nur einmal, und zwar bei ihm, im Netz steht, dann ist er auch ein wenig stolz. Ich kann heute ein Gedicht anbieten, dessen Text Sie im Internet nur bei mir finden. Nirgendwo sonst. Es heißt Die rabenfeder mit dem schmetterlingsflügel und wurde im August 1819 von Casimir Ulrich Boehlendorff mit der etwas seltsamen Orthographie geschrieben, die sich der Dichter im Spätwerk angewöhnt hatte. Der Dichter war einmal ein Freund Hölderlins gewesen. Heute vor zweihundert Jahren hat er mit der Pistole seinem Leben ein Ende gesetzt. Sein Freund Hölderlin hielt ihn schon lange für tot. Im Februar 1814 schrieb Ernst Zimmer an Johanna Christiana Gock: Er sagte zu mir, der Mann hat mir viele wohltaten in meiner Jugend erzeigt. Auch das Kleine Büchle von Böhlendorf hat ihn Sehr gefreudt. Er sagte, ach der gute ist früh gestorben, es war ein Kurländer, Ich habe Ihn in Homburg gekandt es war ein rechter guter Freund von mir. Wenn ich etwas von Boehlendorffs Gedicht bei Google eingebe, bekomme ich das Ergebnis: Diese Zeilen gehören zum Gedicht Wandrers Nachtlied von Johann Wolfgang von Goethe. Das hat die Künstliche Intelligenz von Google herausgefunden. Womit man wieder sehen kann, wie doof die KI ist. Mit Rabenfedern und Schmetterlingsflügeln kann sie nichts anfangen:


              Die rabenfeder mit dem
                 schmetterlingsflügel
an das todkranke söhnchen eines kurischen freundes

                       Aug. 1819


Siehe! was sendet der freund dem kranken Adonis, ein
briefchen,
Eine rabenfeder dazu mit dem schmetterlingsflügel:
'Psyche! entfliehe mir nicht! Zum Pfande sey mir des Sylfen
Bunter flügel, zum sinn'gen gedächtniss die feder des raben
Von dem dichter gesendet; er selber taucht in den honig
Diesen pfeil; von dem hauch entfaltete Psyche die Flügel.'

Boehlendorff war lange vergessen, bis ihn Johannes Bobrowski mit einer Erzählung (die es auch als Hörspiel gibt) aus der Versenkung geholt hat. Die Erzählung beginnt mit: Was weiß man von Boehlendorff? Und sie endet mit den Sätzen: Guter Mensch, dieser Herr Hofmeister da. Das sagen die Leute, die um das Grab stehn. Guter Mensch. Was noch? Das ist, womöglich, schon etwas, und, womöglich, ist es unnötig, mehr über Boehlendorff zu wissen

Mittwoch, 9. April 2025

Guano


Der Schriftsteller Victor von Scheffel war im 19. Jahrhundert ein berühmter Mann. Es gab zu seinen Lebzeiten schon einen Kult um ihn, darüber informiert uns das immer vorzügliche Goethezeitportal. Einen Scheffelbund gibt es in Karlsruhe immer noch, der ist mit beinahe siebentausend Mitgliedern die größte literarische Gesellschaft Deutschlands. Scheffel war an seinem Todestag, dem 9. April, auch schon zweimal in diesem Blog mit den Posts Trevi Brunnen und Fellini. Als er noch Student war, und noch nicht geadelt worden war, hat er in Heidelberg (das er mit Alt-Heidelberg, du feine bedichtete) studiert.

Dort hörte er die Vorlesung Darstellung und Kritik des Hegelschen Sstems von Professor Röth. Eigentlich studierte Scheffel Jura, aber Eduard Maximilian Röth, der ein halbes Dutzend Sprachen sprach, war so berühmt, dass der junge Scheffel diese Vorlesung unbedingt besuchen musste. In dem Semester besuchte Scheffel auch die Erklärung von Dante's Inferno von Dr Emil Ruth  (an den drei ersten Wochentagen von 4-5 Uhr); es gab damals noch ein studium generale, man beschränkte sich nicht auf ein Fach. Als ich zu studieren begann, empfahlen die Rektoren der deutschen Universitäten den Erstsemestern, auch Lehrveranstaltungen außerhalb ihrer Fächer zu besuchen. Das studium generale war nicht nur ein leeres Schlagwort. So etwas ist heute undenkbar. Die Bachelor-Master Studiengänge haben Module und credit points und sind eine Verschulung und Verflachung der Universität. Ich bin froh, dass ich das nicht mehr zu erleben brauche.

Die Hegel Vorlesung von Professor Röth hat in der Dichtung Victor von Scheffels Spuren hinterlassen. Eine mindestens, die findet sich in dem Gedicht Guano, das neben viel Studentenliedern in dem Buch Gaudeamus: Lieder aus dem Engeren und Weiteren steht:

Ich weiß eine friedliche Stelle
Im schweigenden Ozean,
Kristallhell schäumet die Welle
Am Felsengestade hinan.
Im Hafen erblickst du kein Segel,
Keines Menschen Fußtritt am Strand;
Viel tausend reinliche Vögel
Hüten das einsame Land.

Sie sitzen in frommer Beschauung,
Kein einz'ger versäumt seine Pflicht,
Gesegnet ist ihre Verdauung
Und flüssig als wie ein Gedicht.
Die Vögel sind all' Philosophen,
Ihr oberster Grundsatz gebeut:
»Den Leib halt' allezeit offen
Und alles andre gedeiht.«

Was die Väter geräuschlos begonnen,
Die Enkel vollenden das Werk;
Geläutert von tropischen Sonnen,
Schon türmt es empor sich zum Berg.
Sie sehen im rosigsten Lichte
Die Zukunft und sprechen in Ruh':
»Wir bauen im Lauf der Geschichte
Noch den ganzen Ozean zu.«

Und die Anerkennung der Besten
Fehlt ihren Bestrebungen nicht,
Denn fern im schwäbischen Westen
Der Böblinger Repsbauer spricht:
»Gott segn' euch, ihr trefflichen Vögel,
An der fernen Guanoküst', –
Trotz meinem Landsmann, dem Hegel,
Schafft ihr den gediegensten Mist!«
 
Ich hätte ja etwas anderes aus Scheffels Gedichten nehmen können, aber dies gefiel mir ganz besonders, weil ich den Hegel überhaupt nicht mag. Das stand schon in meinem ersten Bloggerjahr in dem Post Hegel. Ich bin übrigens nicht der einzige, der Hegel nicht mag. Schopenhauer hat über ihn gesagt: Hegel, ein platter, geistloser, ekelhaft-widerlicher, unwissender Scharlatan, der, mit beispielloser Frechheit, Aberwitz und Unsinn zusammenschmierte, welche von seinen feilen Anhängern als unsterbliche Weisheit ausposaunt und von Dummköpfen richtig dafür genommen wurden, ... hat den intellektuellen Verderb einer ganzen gelehrten Generation zur Folge gehabt. Mein Post über Hegel im Jahre 2010 fand dreitausend Leser. Das ist aber gar nichts gegen den Post Philosophenwitze, der hat dreimal so viel.


Dienstag, 8. April 2025

Zölle


Letztens habe ich für Bücher aus England Zoll bezahlen müssen, aber der Händler hat mir das Geld zurückerstattet. Seit dem 1. Januar 2021 ist England kein Mitglied der EU-Zollunion mehr. Den Brexit bereuen sie jetzt schon jeden Tag. Im Augenblick ist jeden Tag von Zöllen die Rede, was mit Donald Trumps Zollkrieg gegen die ganze Welt zu tun hat. Was der Zoll ist, wusste ich schon, als ich klein war. Weil vor unserem Haus nämlich ein Verkehrsschild war, auf dem Zollgrenzgebiet stand. Das galt für die ganze Weserstraße, an jeder Straßenecke war so ein Schild. Mein Vater sagte mir, dass der Zoll jederzeit und ohne Grund unser Haus kontrollieren könnte. Aber unser Haus wurde nie von Zollbeamten durchsucht, auch nicht vom Zollfahnder Kressin. Die Verkehrsschilder sind nicht mehr da, die Zölle aber immer noch. In unserem Ort gibt es auch eine Zollstraße, die hatte ihren Namen schon ganz lange. Weil auf der anderen Seite der Zollstraße ein anderes Land anfing. Damals als Deutschland noch ein Flickenteppich von Kleinstaaten war. Und man für alles Zölle bezahlen musste, wie das in diesem Gedicht aufgelistet ist:

Schwefelhölzer, Fenchel, Bricken,
Kühe, Käse, Krapp, Papier,
Schinken, Scheeren, Stiefel, Wicken,
Wolle, Seife, Garn und Bier;

Pfefferkuchen, Lumpen, Trichter,
Nüsse, Tabak, Gläser, Flachs,
Leder, Salz, Schmalz, Puppen, Lichter,
Rettig, Rips, Raps, Schnaps, Lachs, Wachs!

Und ihr andern deutschen Sachen,
Tausend Dank sei euch gebracht!
Was kein Geist je konnte machen,
Ei, das habet ihr gemacht:

Denn ihr habt ein Band gewunden
Um das deutsche Vaterland,
Und die Herzen hat verbunden
Mehr als unser Bund dies Band.


Das Gedicht heißt Der deutsche Zollverein, es wurde von Hoffmann von Fallersleben nach der Gründung des Deutschen Zollvereins geschrieben. Jetzt konnte man Schwefelhölzer und Pfefferkuchen auf die andere Seite der Zollstraße bringen, ohne dafür Zoll zahlen zu müssen. Das Gedicht fand sich, mit einem Zitat aus der Ilias versehen ( τοῦ γὰρ χράτος ἐστὶ μέγιστον), 1840 in dem bei Hoffmann und Campe in Hamburg erschienenen Band Unpolitische Lieder. Seinem Verleger Julius Campe wird Hoffmann von Fallersleben im nächsten Jahr bei einem Strandspaziergang auf Helgoland ein Gedicht anbieten, das er gerade eben geschrieben hat. Es ist ein Trinklied. Vier Louisdor will er dafür haben, das Lied heißt Lied der Deutschen. Wir singen immer noch eine Strophe davon. Das Gedicht Der deutsche Zollverein kann man auch singen, das funktioniert nach der Melodie von Gott erhalte Franz den Kaiser, die auch die Basis für unsere Nationalhymne ist.
 
Und wie Zölle funktionieren, das zeigt uns dieser Cartoon von Bruce MacKinnon, der den Titel How Tarrifs Work hat. 











Montag, 7. April 2025

Michel de Beaupuy


Heute vor 255 Jahren wurde William Wordsworth geboren, er war schon häufig in meinem Blog. Er war in seiner Jugend lange in Frankreich. Vornehmlich, um Französisch zu lernen: Led thither chiefly by a personal wish / To speak the language more familiarly. Aber vielleicht eher, um nach einem kläglichen Examen in Cambridge seinen Onkeln zu entkommen, die ihn in einem ordentlichen Beruf oder einer Pfarrei sehen wollen. Schliesslich haben sie ihm das Studium bezahlt. Wordsworth wird seinen Frankreichaufenthalt 1805 in das autobiographische Gedicht  The Prelude hineinschreiben. Seine Liebesgeschichte mit Annette Vallon, aus der seine Tochter Caroline hervorgeht, steht allerdings nicht in dem Gedicht. Wordsworth hat seine Tochter zum ersten Mal gesehen, als sie neun Jahre alt war. Er hat aber ein ganzes Leben lang finanziell für sie gesorgt. Seine Begeisterung für das revolutionäre Frankreich wird in der Terrorherrschaft schnell abnehmen. Wenn er wieder in England ist, wird er das Gedicht I travelled among unknown men schreiben. Und auch das Gedicht über die Cricketspieler, das sich in dem Post Wordsworth findet.

Einen Franzosen, den man heute so gut wie vergessen hat, wird er jedoch in The Prelude im neunten Buch erwähnen:

Among that band of Officers was one,
Already hinted at of other mould—
A patriot, thence rejected by the rest,
And with an oriental loathing spurned,
As of a different caste. A meeker man
Than this lived never, nor a more benign,
Meek though enthusiastic. Injuries
Made him more gracious, and his nature then
Did breathe its sweetness out most sensibly,
As aromatic flowers on Alpine turf,
When foot hath crushed them. He through the events
Of that great change wandered in perfect faith,
As through a book, an old romance, or tale
Of Fairy, or some dream of actions wrought
Behind the summer clouds. By birth he ranked
With the most noble, but unto the poor
Among mankind he was in service bound,
As by some tie invisible, oaths professed
To a religious order. Man he loved
As man; and, to the mean and the obscure,
And all the homely in their homely works,
Transferred a courtesy which had no air
Of condescension; but did rather seem
A passion and a gallantry, like that
Which he, a soldier, in his idler day
Had paid to woman: somewhat vain he was,
Or seemed so, yet it was not vanity,
But fondness, and a kind of radiant joy
Diffused around him, while he was intent
On works of love or freedom, or revolved
Complacently the progress of a cause,
Whereof he was a part: yet this was meek
And placid, and took nothing from the man
That was delightful


Der adlige Soldat, der sich dem Volke und den Armen näher fühlt als der Aristokratie, heißt Armand-Michel Beauchartie de Beaupuy. Er ist ein entfernter →Verwandter von Montaigne und einer der wenigen französischen Aristokraten, der sich der Revolution verschrieben hat. Als Wordsworth ihn kennenlernt, ist er gerade Capitaine geworden, er wird es noch bis zum General bringen. Er wird bei der Belagerung von Mainz dabei sein, in vielen Gefechten mit Säbelhieben und Schusswunden verletzt werden Er wird 1796 im Schwarzwald im Höllental sterben. Sein Name findet sich auf dem Arc de Triomphe, es gibt Denkmäler und Monumente für ihn. Wordsworth wird Beaupuy noch ein zweites Mal in der Prelude erwähnen (wieder im Buch 9, zweihundert Zeilen weiter) : 

And when we chanced
One day to meet a hunger-bitten girl,
Who crept along fittingly her languid gait
Unto a heifer's motion, by a cord
Tied to her arm, and picking thus from the lane
Its sustenance, while the girl with pallid hands
Was busy knitting in a heartless mood
Of solitude, and at the sight my friend
In agitation said, "'Tis against that
That we are fighting," I with him believed
That a benignant spirit was abroad
Which might not be withstood, that poverty
Abject as this would in a little time
Be found no more, that we should see the earth
Unthwarted in her wish to recompense
The meek, the lowly, patient child of toil,
All institutes for ever blotted out
That legalised exclusion, empty pomp
Abolished, sensual state and cruel power,
Whether by edict of the one or few;
And finally, as sum and crown of all,
Should see the people having a strong hand
In framing their own laws; whence better days
To all mankind.


Beaupuy und Wordsworth waren schnell  Freunde geworden. Beaupuy brachte Wordsworth Französisch bei, und die beiden machten in Orléans lange, oft tagelange, Spaziergänge an der Loire. Und diskutierten über Freiheit, Gerechtigkeit und die Menschenrechte:

Oft in solitude
With him did I discourse about the end
Of civil government, and its wisest forms;
Of ancient loyalty, and chartered rights,
Custom and habit, novelty and change;
Of self-respect, and virtue in the few
For patrimonial honour set apart,
And ignorance in the labouring multitude.
For he, to all intolerance indisposed,
Balanced these contemplations in his mind;

Bei einer dieser Wanderungen haben sie das arme halb verhungerte Mädchen am Straßenrand gesehen. C'est contre ça que nous luttons maintenant, hat Beaupuy gesagt. Wordsworth nimmt es als and at the sight my friend In agitation said, 'Tis against that That we are fighting' in sein Gedicht auf. Alles, woran er jetzt glaubt, hat er von Beaupuy. Der Wordsworth Spezialist Stephen Gill hat geschrieben, dass Beaupuy the fullest tribute paid to anyone in 'The Prelude' bekommt. Mehr Zeilen als Wordsworths geliebte Schwester Dorothy oder sein Dichterkollege Coleridge. Wenn man eine Ausgabe von The Prelude hat, die keinen Kommentar und keine Anmerkungen hat, wird man nie wissen, wer dieser Mann war, dem Wordsworth hier ein Denkmal gesetzt hat.

Noch mehr Wordsworth in den Posts: Narzissen, Hofanzug, TouristenWordsworth, Reynolds, Ostern, Hofdichter: Gott schütze die Königin