Dienstag, 30. Dezember 2025

immer wieder Opern


Heute vor hundertneunzig Jahren wurde im Teatro alla Scala in Mailand Gaetano Donizettis Oper Maria Stuarda nach dem Drama →Maria Stuart von Friedrich Schiller aufgeführt. Die Sängerin Maria Malibran (die hier schon den Post La Malibran hat) war indisponiert, die Oper wurde abgesetzt und vergessen. Ein Jahr später wird die Malibran in Manchester sterben, sie war nach ihrem schweren Reitunfall im Hyde Park nie mehr die alte gewesen, hatte aber schwerkrank keinen Auftritt versäumt. Fünfzigtausend Menschen werden die Straßenränder von Manchester säumen, als der Sarg vorbeigetragen wird. Ich habe als kleines Schmankerl für Sie hier noch den Film *Der Tod der Maria Malibran von Werner Schroeter.

Heute haben ja beinahe alle CDs den Text der Oper, in den fünfziger Jahren ist es schwer, an Texte oder ein Libretto zu kommen. Knaurs Opernführer bot viel, hatte aber nicht die Texte der Arien. Ich wollte ja wissen, was die Soprane und Tenöre sangen, aber ich konnte kein Italienisch. Als ich einmal bei einer Abendeinladung bei unserem Hausarzt eine Langspielplatte von Le nozze de Figaro mit Texten finde, nehme ich an der Unterhaltung nicht mehr teil. Ich schreibe die Hälfte der Arien ab. Auf kleine Zettel in einem Taschenkalender, der von einer Medizinfirma kommt. Und so steht die Ermahnung von Figaro an Cherubino Non piu andrai farfallone amoroso auf einem Blättchen, auf dem Bei spastischer Bronchitis Felsolyn Kinderzäpfchen steht. Und Susannas Deh vieni, non tardar o gioia bella steht auf einem Blatt, das Bei Schmerzen Alaidol Pulver beschriftet ist. Ich kann das so genau sagen, weil ich diese kleinen Blätter nach mehr als einem halben Jahrhundert immer noch habe, so was wirft man nicht weg.

Mozart ist Wiener Klassik, sagte der Musiklehrer des Gymnasiums. Die Klasse schrieb mit: Mozart ist Wiener Klassik. War das alles, was es zu Mozart zu sagen gab? Bei diesem Musiklehrer war das alles. Ich meldete mich und sagte, dass man bei Mozart aber auch romantische Elemente entdecken könne. Das Ergebnis dieser Meinung war, dass ich am Ende des Schuljahres statt meiner üblichen Note gut die Note befriedigend bekam. Der Lehrer war eine pädagogische Niete, aber er war berühmt, weil er den Schulchor aufgebaut hatte. Als *Paul Hindemith seine Oper *Die Harmonie der Welt 1958 in Bremen mit Liselotte Thomamüller und Caspar Bröcheler (die beide in →Bremen sehr bekannt waren) aufführte, brauchte er den Schulchor. Dafür gab er manchmal bei uns Musikunterricht. Und stellte seinen weißen amerikanischen Straßenkreuzer zum Ärger des Hausmeister Kalle Klemm auf dem Schulhof ab. Wir bekamen auch Freikarten für die Oper, aber von der mehr als dreistündigen Oper weiß ich nichts mehr. Die Freikarte für den 3. Juni 1958 habe ich noch aufgehoben.

Mein zweiter Musiklehrer hieß Hanns Eckerle, ihm verdanke ich viel. Eckerle war eigentlich Korrepetitor an der Oper in Bremen und leitete den Instrumentalverein in Bremen (heute Bremer Orchestergemeinschaft). Er hatte in den fünfziger Jahren auch einige Opern in Bremen dirigiert. Unter anderem Gian Carlo Menottis Oper *Der Konsul, die war damals ganz neu. Er war zwar auch kein begnadeter Pädagoge, aber er war ein guter Mensch. Wo unser Chorleiter, der eines Tages auch ein Bundesverdienstkreuz bekam, sich als Herrenmensch inszenierte, blieb Hanns Eckerle still und bescheiden. Aber er hatte diese Liebe zur Musik, besonders zur Oper, die ansteckend wirkte. Er spielte ganze Opern auf dem Klavier durch, sang alle Rollen. Man brauchte bei ihm auch nicht auf den fürchterlichen Aulastühlen zu sitzen, man durfte um das Klavier herumstehen. Man konnte ihm jederzeit Fragen stellen, die er geduldig beantwortete, mit Musikbeispielen. Hanns Eckerle hätte alles dirigieren können, was Karajan dirigierte, er hatte seit den vierziger Jahren gute Kritiken als Dirigent bekommen. Aber er war irgendwie ein Verlierer im Musikgeschäft, weil er so sanftmütig war; und so war er froh, dass er diesen Teilzeitjob an unserem Gymnasium hatte. Die Öffentlichkeit will die Karajans haben, mit dem Kamelhaarmantel, dem Porsche, dem Flugzeug und dem französischen Dior Model als Frau. Wie lange hat Günter Wand dirigieren müssen, bis die Öffentlichkeit gemerkt hat, dass er ein hervorragender Dirigent war? Ich hätte mir Hanns Eckerle auch niemals im Porsche vorstellen können. Sowas fuhr damals auch niemand in Bremen, wo der Gipfel des hansestädtischen Understatements ein schwarzer Volkswagen war.

Opern und Opernsängerinnen und Opernsänger haben in diesem Blog immer eine Rolle gespielt. In meinem Leben auch, wie Sie in dem Post zwei Opern in Berlin lesen können. Meine Heimatstadt Bremen hatte unter Kurt Hübner ein großartiges Theater, aber die Oper war nicht unbedingt großartig. Auch nicht 1966, als Götz Friedrich mit dem Bühnenbild von Josef Svoboda einen Don Giovanni bot. Da war der kleine Mann, der bei uns 1960 in der Aula mit dem heruntergekippten Flügel, so, dass alle ihn sehen konnten, die ganze Dreischgroschenoper mit allen Partien sang, schon eindrucksvoller gewesen. Ich habe ihn in den Post Die Seeräuber Jenny hinein geschrieben. Das steht am Ende: Ich sehne mich noch immer nach dem kleinen Mann, der am Abend des 20. Januar 1960 in unserer Aula die Dreigroschenoper an dem gekippten Flügel spielte.

Das spektakulärste Bremer Opernerlebnis für mich war eine Aufführung von Mozarts Zauberflöte. Was ja eine reine Freimaurer Oper ist, Librettist und Komponist sind Freimaurer, und die Oper wimmelt nur so vor edlen Gedanken. Es ist die eine Oper von Mozart, die ich überhaupt nicht mag, aber das Bühnenbild von Karl Friedrich Schinkel, das ich mal im Original gesehen habe, finde ich toll. Ich kann voller Enthusiasmus über Figaros Hochzeit, Don Giovanni oder Cosi fan Tutte schreiben, aber ich würde nie über die Zauberflöte schreiben. Die habe ich auch nur einmal gesehen. Allerdings in einer sehr speziellen Vorstellung. Es war eine geschlossene Gesellschaft, das Theater am Goetheplatz war von den Bremer Freimaurerlogen gemietet worden. Alle Herren (außer mir) im Frack, alle Damen im Abendkleid. So sahen Opern im 19. Jahrhundert aus, große Roben und Fräcke. Ich trug meinen guten blauen englischen Anzug von Charlie Hespen, in dem ich noch Abitur machte und zehn Jahre später meine Doktorprüfung bestand. Anzüge hielten damals lange.

Ich trug den dunkelblauen Anzug auch häufig statt der Uniform, als ich an der Heeresoffziersschule Hannover war. Der General, der die Schule leitete, wünschte sich zwar, dass die angehenden Offiziere die Bundeswehr mit ihrer Uniform auch in der Öffentlichkeit und besonders bei kulturellen Veranstaltungen repräsentierten, aber das war nichts für mich. Ich war einmal mit der Uniform im Theater, das war ein Fehler, es gab Hochhuths Stellvertreter.  Ich war das lebende Beispiel dafür, dass die Bundeswehr von der Bevölkerung noch nicht akzeptiert wurde. Also deshalb wieder der englische Anzug. Hannover hatte damals eine sehr gute Oper (und auch im Ballhof gab es manchmal Musik), die Carmen habe ich schon in den Nikolaus Post hinein geschrieben, Tosca habe ich damals dreimal gesehen. War besser, als in der HOS zu sitzen und Taktikbücher zu studieren.

Mein erstes Proseminar in Hamburg war in den sechziger Jahren Das europäische Drama und Theater des Barock bei dem Hamburger Theaterwissenschaftler Dr Diedrich Diederichsen. Der war auch der Leiter der 1940 gegründeten Theatersammlung, die zu dem Lehrstuhl für Germanistik in Hamburg gehörte. Es hatten sich in dem Sommer nur wenige Studenten (es waren höchstens zwanzig) in sein Seminar verirrt, was sicher ein Fehler war, denn es war ein hervorragendes Seminar. Die Opern von Reinhard Keiser spielten in dem Seminar eine große Rolle. Von meinem Hamburger Verwandten bekam ich seine Abo-Karte für die Hamburgische Staatsoper. Um diese Karte zu bekommen, was in Hamburg so gut wie unmöglich war, fuhr er jedes Jahr einmal nach Jork im Alten Land, denn da gab es immer Karten. Als ich zur Uni Kiel wechselte, hatte ich ein Studentenabo für die Oper und sah noch Peter Ronnefelds Inszenierung von Der Fliegende Holländer. Kurz danach war Ronnefeld, der Karajans Assistent gewesen war, tot. Er war dreißig Jahre alt. Thomas Bernhard hat ihn einen genialen Hund genannt, und das war er wohl wirklich. Seine Oper *Die Ameise kann man noch bei YouTube hören, bewegte Bilder gibt es leider nicht.

Donizettis Oper war nach der Uraufführung mit der Malibran schnell in Vergessenheit geraten. Man hat sie aber wieder entdeckt. In diesem Jahr konnte man die Oper in Hamburg und in Salzburg sehen. Wenn Sie Donizettis *Maria Stuarda sehen möchten, brauchen Sie die Oper nur anzuklicken. Ich habe sie hier auch noch eine neuere Version bei *arte aus dem Jahre 2024. 

In diesem Jahr gab es mit Zu Straßburg auf der Schanzdie vergessene Oper und tenore di grazia drei Posts zur Oper, aber es gibt noch mehr als fünfzig Opernposts in diesem Blog. Die liste ich hier mal auf. Damit Sie sehen können, dass dies eigentlich auch ein Opernblog ist. 

Primadonna assoluta, Diven, Henriette SontagNachtigallenGrande OpéraLa MalibranMarie FajtováDietrich Fischer-DieskauPeter Schreier ✝Rudolf SchockRudolf Schock (*4.9.1915)Ferruccio TagliaviniHans Peter BlochwitzFritz BuschCharles MackerrasJacques OffenbachBenjamin BrittenRichard WagnerVincenzo BelliniOthmar SchoeckGiuseppe VerdiHamburger OperZar und ZimmermannLa clemenza di TitoGänsemarktdie Seeräuber JennyDie Harmonie der Weltder bestrafte Wüstling, La Péricholetenore di graziaMio caro Händel, Marilyn MonroeUntertitelHochzeitsmarschThe Beggar's OperaEuropaDie tote StadtVioletta in Strapsen oder der Tod im BahnhofGod Save the KingGreensleevesGeier-WallyDon Giovanni in SalzburgLa TraviataContessa, perdono, la ci darem la mano, The marriage of Figaro, Arkadien, Cosi fan Tutte, Don Giovanni, Theaterschlacht. Opernhaus Hannover, Glyndebourne, Semperoper, L'amico Fritz, die richtigen MännerKuhreigen, Wunderteam, Che farò senza Euridice, Last night of the proms, contessa, perdono (per la seconda volta), die Stimme im Hintergrund, Flimm ist schlimm, Die Liebesschule, Premiere, Rheinnixen, Champagnerarie, Wolfsschlucht, bêtes noires, Bayreuth, Wagner,Wacken und La PéricholeDie Liebe vom Zigeuner stammtDiva, Kontratenor, Der Siegeskranz, Komische Oper, Berlin, Opernsänger

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